"Edle Einfalt und stille Größe"
Numismatische Ehrung zum 300. Geburtstag des aus Stendal stammenden Altertumswissenschftlers Johann Joachim Winckelmann



Die von André Wittig entworfene Winckelmann-Münze zu 20 Euro wird laut Aussage des Münzzeichens F in Stuttgart geprägt.



Es dauerte schon ein paar Jahre, bis in Stendal das von Ludwig Wilhelm Wichmann geschaffene Denkmal enthüllt werden konnte.



Die Münzen von 1979 und 2004 könnten mit der neuen Winckelman-Prägung von 2017 Ausgangspunkt einer Sammlung von Münzen und Medaillen zum Thema Archäologie sein.



Das hundertjährige Jubiläum des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg war die Prägung einer mit einer ostgotischen Adlerfibel geschmückten Silbermünze wert. Von Karl Roth gestaltet, steht sie am Anfang einer erfolgreichen Serie von Gedenkprägungen der Bundesrepublik Deutschland.



Die ehrenvolle Nennung des Gelehrten auf einer Tafel rechts unten am Sockel des Friedrich-Denkmals Unter den Linden war ein guter Grund, dass Stendal seinem großen Sohn Johan Joachim Winckelmann durch ein Denkmal ehrte.



Die Inschrift unter dem Porträt ehrt Winckelmann, "der in Rom die Fackel des unverdorbenen Studiums der Werke des Altertums entzündet hat." Fotos: Caspar, Repro: Wuthenow/BADV

"Das allgemeine, vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterwerke ist eine edle Einfalt und stille Größe sowohl in der Stellung als im Ausdruck. Je ruhiger der Stand des Körpers ist, desto geschickter ist er, den wahren Charakter der Seele zu schildern. Kenntlicher und bezeichnender wird die Seele in heftigen Leidenschaften, groß aber und edel ist sie in dem Stande der Einheit, in dem Stand der Ruhe". Der dies so programmatisch verkündete, war der vor 300 Jahren geborene Johann Joachim Winckelmann. Der Begründer der klassischen Altertumskunde kam in der altmärkischen Stadt Stendal zur Welt. Dort hat man ihm 1859 ein in Lauchhammer gegossenes Standbild aufgestellt. DEM ERFORSCHER UND BEREDTEN VERKÜNDER DER KUNST DES ALTERTHUMS steht auf dem Sockel des von Ludwig Wilhelm Wichmann geschaffenen Monuments. Jetzt erscheint eine Silbermünze zu 20 Euro. Der Entwurf des in Stuttgart mit dem Münzzeichen F geprägten Gedenkstücks mit dem Kopf des weltberühmten Gelehrten stammt von dem Berliner Designer André Wittig.

Dem Preisgericht standen andere Modelle zur Auswahl, die sich an zeitgenössischen Grafiken anlehnen. Doch hat sich die Jury für das antiken Münzen nachempfundene Profilbild von Winckelmann entschieden, und das war eine gute Wahl. Die neue Münze könnte Ausgangspunkt einer Motivsammlung zum Thema "Archaeologica in nummis", also einer numismatischen Kollektion mit Münzen und Medaillen zu archäologischen Themen und zur Erinnerung an berühmte Ausgräber und ihre Funde. Man könnte gleich mit dem bundesdeutschen Fünf-Mark-Stück von 1979 zum einhundertfünfzigjährigen Jubiläum des Deutschen Archäologischen Instituts und der Zehn-Euro-Münze von 2004 mit der Himmelsscheibe von Nebra beginnen und könnte dazu noch die mit einer Adlerfibel geschmückte Fünf-Mark-Münze von 1952 zum einhundertjährigen Gründungstag des Germanischen Nationalmuseum legen, die auch noch zu haben ist. Da manche Archäologen auch Münzforscher waren und sind, ergeben sich für Sammler und Forscher zwischen beiden Bereichen interessante Bezüge.

Raubmord in Triest

Lange, sehr lange hatte es gedauert, bis aus der Idee, Johann Joachim Winckelmann in seiner Geburtsstadt ein Denkmal zu widmen, Wirklichkeit wurde. "Wer war Winckelmann, noch nie gehört" mögen sich viele Stendaler gefragt haben, als ein Denkmalkomitee die Bitte an sie herantrug, Geld für ein ihm gewidmetes Monument zu spenden. Außerhalb Stendals und der Altmark war Winckelmann bereits ein berühmter Mann, man kannte in gelehrten Kreisen seinen Namen. In dürftigen Verhältnissen aufgewachsen, konnte der junge Mann aufgrund eines Stipendiums in Halle an der Saale Theologie studieren und befasste sich mit einem damals beliebten Thema, der deutschen Reichsgeschichte. Nebenbei erwarb er sich umfangreiche Kenntnisse in der griechischen Kunstgeschichte, der er zeitlebens verbunden war. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Winckelmann als Bibliothekar in Dresden, wo ihm die Museen und Sammlungen mit antiken Skulpturen Stoff für ausgiebige Studien boten. Im Jahr 1755 gab er seine dreibändigen "Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in Malerei und Bildhauerkunst" heraus. Daraufhin erhielt er eine Einladung nach Rom, wo er eine Anstellung als Bibliothekar beim Kardinal Archinto, später beim Kardinal Albani erhielt. 1763 erhielt er als erster Ausländer die Oberaufsicht über die Antiken in und um Rom und publizierte Fundstücke, die bei Ausgrabungen in Herculaneum ans Tageslicht kamen, ein Jahr später gab er sein Hauptwerk "Die Geschichte der Kunst des Altertums" heraus.

Das Werk des Gelehrten wirkte so sehr über die Altertumswissenschaft und Kunstgeschichte hinaus, dass Goethe dem 1768 in Triest bei einem schrecklichen Raubmord getöteten Wahl-Römer 1805 eine Schrift mit dem programmatischen Titel "Winkelmann und sein Jahrhundert" widmen konnte. Der Mörder soll ein Stricher gewesen sein. Er hatte es auf die erhebliche Barschaft seines Zimmernachbarn abgesehen und wurde, nachdem man ihn gefasst hatte, zum Tod durch das besonders grausame Rädern verurteilt.

Solche Elogen müssen an Stendal vorbeigegangen sein, denn hier mussten erst kluge Leute die Bewohner belehren, welch großer Mann in ihren Mauern aufgewachsen war und was er für die Erforschung und Bewertung der Kunst des Altertums geleistet hat. Erst 1843 gab man der Lehmstraße, in der Winckelmann geboren wurde, seinen Namen gab, zwar mit dem etwas weit hergeholten Argument, dass die Büste des verdienstvollen Landsmannes in der auf Befehl des bayerischen Königs Ludwig I. gebauten Walhalla erstrahlt.

Unter diesen Umständen wollte man auch in Stendal nicht länger zurückstehen. Ein Denkmalverein erließ 1843 einen Spendenaufruf, und der Kunst- und Architekturgeschichte interessierte Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. erklärte sich bereit, das nötige Metall aus eroberten Kanonen beizusteuern. Doch blieb es zunächst bei dieser Zusage. Als Stendaler Bürger nach der Revolution von 1848/49 alleruntertänigst bei ihrem Landesherren nachfragten, was denn mit der Kanonenbronze sei, erhielten sie die entmutigende Antwort, Seine Majestät denke nicht daran, gerade jetzt dieser Stadt vorzugsweise Begünstigung angedeihen zu lassen. Regierungsamtlich wurde Stendal bescheinigt, in einem Teil der Einwohnerschaft herrsche immer noch die Gesinnung, "wie man sie von einer Stadt der treuen Altmark nicht erwarten sollte". Damit waren offenkundig die wenig königstreue Haltung in der Revolutionszeit, aber auch das Desinteresse an der finanziellen Absicherung des Denkmalprojekts und organisatorische Defizite gemeint.

Derlei Kritik wollte man in Stendal nicht auf sich sitzen lassen, zumal Winckelmanns Name bereits auf einer Gedenktafel auf dem Sockel des von Christian Daniel Rauch geschaffenen Reiterdenkmals Friedrichs des Großen vermerkt wurde, das 1851 Unter den Linden in Berlin enthüllt worden war. Der Denkmalverein mühte sich um Spenden und gutes Wetter in Berlin, doch ließ man sich Zeit. Nur beim Datum der Einweihungsfeier bewies man Geschichtsbewusstsein - es war der 18. Oktober 1859, der 46. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig. Mehrfach wurde dieser Tag deutschlandweit zum Anlass für Grundsteinlegungen oder Denkmalweihen genommen.

Standbild in halbidealer Tracht

Der Bildhauer Ludwig Wilhelm Wichmann stellte "seinen" Winckelmann in halbidealer Tracht dar, wie man sagte, nicht als antiken Gelehrten oder Philosophen und auch nicht im Kostüm des 18. Jahrhunderts. Der Forscher ist barhäuptig dargestellt, um seinen Körper ist ein faltenreicher Mantel drapiert, das rechte Bein schaut aus ihm heraus und ist auf einen flachen Stein gestellt. Dass es sich um einen Gelehrten handelt, der sich mit der Antike befasst, unterstreichen die ionische Säule mit einer antiken Frauenbüste darauf, aber auch die Schrifttafel und ein Stift, die Winckelmann schreibbereit in den Händen hält.

Das Denkmal ist nicht gerade ein Meisterwerk der Bildhauerkunst, und so schrieb Carl Justi in seinem Buch "Winckelmann und seine Zeitgenossen": "Haltung und Blick sollen uns sagen, dass der Mann den Eindruck eines bedeutenden Gegenstandes in Worte umzusetzen strebt. Aber diesen Gegenstand suchst du umsonst in Stendal und in der Altmark: weit weg musst du wandern, bis ans Ufer des gelben Tiber, nach dem Landhaus eines römischen Prälaten, in die Hallen eines päpstlichen Palastes. Dürfte man hier das Verhältnis des Denkmals zu Ort und Umgebung scherzhaft phantastisch aussprechen, so würde man Winckelmann nachfühlen, wie er, der aus dieser Region heftig wegstrebte, sobald er einen Begriff von der Welt draußen hatte, in bronzener Unbeweglichkeit hier angefesselt worden sei, um in grenzenloser Einsamkeit eine tödliche Langeweile zu empfinden". Wichmann hat auch für die Vorhalle von Schinkels Altem Museum am Berliner Lustgarten eine dem Stendaler Denkmal ähnliche Marmorstatue Winckelmanns geschaffen. Das Standbild wurde mit weiteren Skulpturen berühmter Männer in der zum Schinkel-Museum umgewandelten Friedrichswerderschen Kirche gezeigt, die zurzeit eine Baustelle ist.

6. August 2017

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