Zehner statt Groschen
Wovon die Münzgesetze nach der deutschen Reichseinigung von 1871 erzählen







Diese im Berliner Münzkabinett ausgestellten Taler aus dem 19. Jahrhundert entgingen der massenhaften Einschmelzung, die große Masse hatte dieses Glück nicht.



Kleinmünzen in herausragender Erhaltung aus der deutschen Kaiserzeit erzielen heute gute Preise. (Fotos: Caspar)

In den Münzgesetzen nach der deutschen Reichseinigung von 1871 ist einiges über die Namensgebung des neuen Reichsgeldes zu finden. Gulden und Kreuzer sollte es nicht mehr geben, weil man sie mit den alten, nunmehr ausgemusterten Geldstücken hätte verwechseln können. Deshalb wählte man die Begriffe Mark für den bisherigen 1/3-Taler oder das 35-Kreuzer-Stück süddeutscher Prägung. Indem die nach einem alten Silberstück norddeutscher Städte und Fürstentümer benannte Mark in 100 Pfennige unterteilt wurde, bekannte sich das neue Deutsche Reich unumkehrbar zur Dezimalwährung. Abgelehnt wurde übrigens die Bezeichnung Groschen für das Zehnpfennigstück, weil auch dieses mit älteren, noch überall umlaufenden Kleinmünzen hätte verwechselt werden können. Dafür aber wurde eine neue Schreibweise für Mark und Pfennig für verbindlich erklärt. So wurde aus 5 M. 3 Gr. 8 Pf. der Beitrag 5,38 Mark, so wie wir heute eine bestimmte Summe in Euro und Cent ausdrücken.

Ursprünglich war neben der Prägung von Zehn- und Zwanzigmarkstücken auch solche zu 30 Mark geplant. Das Vorhaben, quasi ein Zehntalerstück aus Gold herzustellen, kam nicht zustande. Der Umgang mit einem solchen Nominal war wohl doch zu umständlich, weshalb es bei Goldmünzen zu 10 und 20 Mark blieb. Deren im Gesetz festgelegte Bezeichnung Krone und Doppelkrone hat sich nicht durchgesetzt. Die Ausprägung von Fünfmarkstücken aus Gold erwies sich als zu unpraktisch. Die Winzlinge waren unbeliebt und verschwanden bald wieder in der Versenkung. Sollten welche angeboten werden, muss genau geschaut werden, ob sie echt und alt sind, denn es kommen bei diesen Raritäten zum Teil sehr gut gemachte Fälschungen vor.

Informationen über die deutsche Geldgeschichte nach der Reichsgründung von 1871 finden sich unter anderem in der verdienstvollen Dokumentation von Karl-Dieter Seidel "Die deutsche Münzgesetzgebung seit 1871 - Münzen - Papiergeld und Notenbanken" (Egon Beckenbauer Verlag München 1973). Das für Forscher und Sammler gleichermaßen wichtige Buch reicht bis in die Münzgesetzgebung beider deutscher Staaten hinein und enthält auch Angaben über die Münzgesetze in Österreich, Danzig, Saarland und anderen Gebieten. Außerdem findet man hier den Abdruck von deutschen Münzverträgen, die man kennen sollte, wenn man Vereinstaler und andere Münzen aus dem 19. Jahrhundert sammelt oder erforscht. Zur Lektüre empfohlen sei auch das umfangreiche Werk von Herbert Rittmann "Deutsche Geldgeschichte 1484-1914", das 1975 im Battenberg Verlag München erschien und außerordentlich viel, mit großer Akribie gesammeltes Material über die Münzgeschichte zwischen der "Erfindung" des Talers im ausgehenden 15. Jahrhundert bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs enthält. Wer beide Bücher nicht besitzt, bekommt sie in Bibliotheken und Münzkabinetten zur Ansicht. Ab und zu werden die Bände und weitere antiquarische Literatur im Münzhandel angeboten.

Rittmanns Buch enthält einiges Material über das schwankende Verhältnis von Gold zu Silber sowie über die Bewertung deutscher und ausländischer Münzen im internationalen Geldhandel. Interesse verdienen Angaben über die in riesigen Mengen erfolgte Einziehung von Münzen im Zusammenhang mit der Herstellung neuen Hartgeldes. Wer als Sammler die Zahlen anschaut, bekommt eine Ahnung davon, was damals eingeschmolzen wurde. So vergingen 4486937 Millionen preußische Friedrichs' dor und sächsische August' dor im Wert von rund 25,4 Millionen Talern (oder 76,2 Millionen Mark) im Schmelztiegel. Insgesamt wurden im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung der Währung Goldmünzen für 90,9 Millionen Mark eingelöst und umgeschmolzen. Zwischen 1764, als der Siebenjährige Krieg gerade überstanden war, und 1871 waren laut Rittmann Goldmünzen im Wert von 180 Millionen Mark geprägt worden, doch blieb nur ein Bruchteil dieser riesigen Summe erhalten. Das macht die Seltenheit vieler Stücke aus. Für die Zeit der Reichsgründung wird angenommen, dass silberne Kurantmünzen im Wert von 571,5 Millionen Taler und Scheidemünzen im Wert von 27,7 Millionen Taler vorhanden waren. Die meisten wurden gegen Mark und Pfennig umgetauscht.

Welche numismatischen Raritäten sich darunter befanden und was überhaupt durch die massenhaften Einschmelzungen auf ewig verloren gegangen ist, lässt sich nur ahnen. In Sparstrümpfen und bei Sammlern blieb einiges erhalten, sonst hätte der Münzhandel nichts, womit er uns Münzfreunde erfreuen könnte. Da man eher Taler und Goldmünzen als Andenken an vermeintlich bessere Zeiten aufgehoben hat als Groschen, Kreuzer, Heller und Pfennige, kommt das meist bescheidene, geldgeschichtlich aber nicht unwichtige Kleingeld in den Angeboten des Handels relativ selten vor und erzielt, wenn es herausragend gut erhalten ist, auch stattliche Preise. Das gilt auch für bestimmte Kleinmünzen aus der Kaiserzeit.

12. September 2017

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