Preußen im Land der Pharaonen
Preußens König Friedrich Wilhelm IV. und seine Emissäre mühten sich um Hinterlassenschaften aus dem Alten Ägypten



Von der Kuppel des Doms am Berliner Lustgarten hat man einen wunderbaren Blick auf Bauten und Sehenswürdigkeiten, hier das Neue Museum, in dem altägyptische Kunst sowie Zeugnisse der Vor- und Frühgeschichte gezeigt werden.



Besucher des Neuen Museums konnten ab Mitte des 19. Jahrhundert in die geheimnisvolle Welt der Pharaonen eintauchen.



Die Büste der Nofretete kann, schwach beleuchtet und von Panzerglas geschützt, in einem besonderen Raum des Neuen Museums bewundert werden.



In einigen Räumen des während des Zweiten Weltkriegs stark zerstörten Neuen Museums ist noch die ursprüngliche Pracht der Innenausstattung aus dem 19. Jahrhunderts erhalten, andere Säle und das repräsentative Treppenhaus stammen aus der heutigen Zeit.



Dass die James-Simon-Galerie den Blick auf das am Kupfergraben stehende Neue Museum versperrt, muss man als unvermeidliches Übel hinnehmen.
(Fotos: Caspar)


Mitte des 19. Jahrhundert wurde in Berlin ein Ägypten-Museum gebaut, Friedrich Wilhelm IV. finanzierte eine von Richard Lepsius geleitete Expedition in das Land am Nil mit der bedeutenden Summe von 45 000 Talern aus seiner Privatschatulle. Damit legte der König den Grundstock für die an der Spree blühende Ägyptologie. Der Monarch war im Grunde seines Herzens ein frommer und friedliebender Mensch, der freilich in Machtfragen unerbittlich war und von seinem Gottesgnadentum beseelt war. Hochgebildet und immerzu zeichnend und Bauwerke planend, unterhielt der "Romantiker auf dem Thron", wie man den ältesten Sohn der 1810 verstorbenen Königin Luise und des 30 Jahre später verstorbenen Friedrich Wilhelm III. freundschaftliche Beziehungen zu Künstlern und Gelehrten. Sicher hätte es Friedrich Wilhelm IV. zu einem guten Architekten gebracht, hätte er nicht 1840 den preußischen Thron bestiegen.

Die preußische Ägypten-Expedition von 1842 bis 1845 fand nicht im luftleeren Raum statt, son-dern war eingebettet in einen politischen und geistigen Kontext und stand unter hohem Zeitdruck. Denn auch andere Länder hatten ihr Auge auf die untergegangene Hochkultur im Reich am Nil geworfen. Kunst und Wissenschaft waren für den König von Preußen wichtige Stützen seiner Herrschaft und ein Mittel, das Prestige des Landes und seiner Dynastie auf friedlichem Wege zu vergrößern. Mit Lepsius' Expedition und der Veröffentlichung der Ergebnisse in zwölf großartig illustrierten Tafelbänden entstand das erste wissenschaftliche Quellenwerk für die neue Fachrichtung Ägyptologie.

Die herrschenden Kreise in Ägypten trauten offenbar den aus Berlin stammenden Forschern mehr als denen aus England und Frankreich und ließen sie freizügig graben und zeichnen. Sie legten auch Ausfuhren nichts in den Weg, weshalb sich alsbald in Berlin ein großer Schatz an ägyptischen Altertümern ansammelte. Für sie wurde der Bau eines neuen Museums nötig, denn das 1830 am Lustgarten eröffnete und mit antiken Skulpturen und anderen Hinterlassenschaften der Griechen und Römer sowie Gemälden bestückte Alte Museum am Lustgarten platzte schon bald aus allen Nähten.

Dieses Neue Museum wurde von 1843 unter der Leitung von Friedrich August Stüler begonnen und 1855 vollendet. Im Stil der Zeit war es überaus üppig mit Wand- und Deckenbildern dekoriert, die den Besuchern Vorstellungen von den Monumenten der Pharaonen und aus anderen Epochen der Weltgeschichte vermittelten. Richard Lepsius hatte Glück, denn niemand Geringeres als der Weltreisende Alexander von Humboldt, der Diplomat und Ägyptologe Carl Josias von Bunsen sowie der Generaldirektor der Königlichen Museen Ignaz von Olfers erkannten sein Ausnahmetalent und gewannen Friedrich Wilhelm IV., ihn zu unterstützen. Im Ägyptischen Hof des Neuen Museums wird der Preußenkönig denn auch in einer Hieroglypheninschrift als "Sohn der Sonne" und wie ein in der Tradition der alten Ptolemäer stehender Herrscher gefeiert.

Neben dem Pergamonaltar im gleichnamigen Museum gehört die Büste der altägyptischen Königin Nofretete zu den besonderen Schaustücken der Museumsinsel. Die Büste der Gemahlin des Pharao Echnaton besteht aus Kalkstein und besitzt einen lebensecht bemalten Überzug aus Gips. Offenbar war das Porträt ein Arbeitsmodell für den Bildhauer Thutmosis, der den Auftrag hatte, nach dieser Vorlage weitere Porträts zu schaffen. Die "Herrin der Lieblichkeit" starb im Jahre 1338 vor Christus. Gefunden wurde der 48 Zentimeter hohe Kopf 1912 bei Ausgrabungen deut-scher Archäologen in Tell-el-Amarna, der ehemaligen Residenz des königlichen Paares. Als die Büste in Berlin öffentlich gezeigt wurde, löste sie Begeisterungsstürme aus, die bis jetzt nicht ab-geebbt sind.

Die Grabungen in Tell-el-Amarna waren durch finanzielle Hilfe des Berliner Kaufmanns und Mäzens James Simon ermöglicht wurden. Ihm haben die Staatlichen Museen unendlich viel zu verdanken, weshalb er auch Namensgeber einer Halle ist, die aktuell als neues Portal der Museumsinsel gebaut wird. Das neue Empfangsgebäude wird alle notwendigen Serviceeinrichtungen enthalten, aber auch als Ausstellungshalle dienen. Die Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz planen, in dem Neubau die Geschichte der Museumsinsel als "Freistatt von Kunst und Wissenschaft", wie man im 19. Jahrhundert sagte, zu dokumentieren.

11. Januar 2017

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