Revolution Macht Republik!
Ausstellung im Berliner Abgeordnetenhaus über das Ende der Monarchie vor 100 Jahren und den Aufbruch in eine neue Zeit



Bis zum 25. Januar 2019 ist die Ausstellung während der Öffnungszeiten des Abgeordnetenhauses vom Montag bis Freitag von 9-18 Uhr bei freiem Eintritt zu sehen. Als Beitrag zum Themenwinter "100 Jahre Revolution - Berlin 1918/19" reiht sie sich ein in den Zyklus über die Zeitenwende am Ende des Ersten Weltkriegs und ihre Folgen.



Das Foto zeigt Demonstranten vor hundert Jahren am damaligen Preußischen Landtag. Karl Liebknecht spricht zur Eröffnung des Reichsrätekongresses am 16. Dezember 1918.





Auf roten Holztafeln schildert die Ausstellung Ertappen der der Novemberevolution von 1918 und was ihr folgte, aber auch mit welchen Hypotheken die Weimarer Republik in die neue Zeit gestartet ist. Am stadtweiten Gemeinschaftsprojekt der Kulturprojekte Berlin GmbH "100 Jahre Revolution - Berlin 1918/19" beteiligen sich mehr als 60 Partner und wird ermöglicht aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.





Ungeachtet des Aufrufs nicht zu schießen, kam es nach dem Sturz der Monarchie und der Ausrufung der Republik zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Das Foto oben zeigt die kampflose Übergabe der Garde-Ulanen-Kaserne im November 1918 an den Arbeiter-und-Soldatenrat, darunter Kämpfe im Zeitungsviertel.



Berliner Wohnhäuser wurden im März 1919 mit Artillerie und Kampfflugzeugen in der Annahme beschossen, dass sich dort Aufständische verschanzt haben. Die meisten Getöteten waren an den Geschehnissen nicht beteiligt.



An einer Friedhofsmauer an der Möllendorffstraße in der Nähe des S-Bahnhofs Frankfurter Allee erinnern die Tafeln an die während der Märzkämpfe 1919 ermordeten Angehörigen der Volksmarinedivision. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Geschichte des Berliner Abgeordnetenhauses an der Niederkirchnerstraße in unmittelbarer Nachbarschaft des Martin-Gropius-Baus und der Topographie des Terrors ist eng mit der Revolution 1918/19 verknüpft. Vor einhundert Jahren wurde im damaligen Preußischen Landtag darüber diskutiert, wie es mit dem Deutschen Reich nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem schmachvollen Abgang von Kaiser Wilhelm II. weiter gehen soll. In dem nach Plänen von Friedrich Schulze zwischen 1892 und 1897 prächtig im Stil der Kaiserzeit errichteten Gebäude neben dem Preußischen Herrenhaus, dem heutigen Bundesrat, wurden die Weichen für die parlamentarische Demokratie in Preußen und dem Deutschen Reich gestellt. Hier fand vom 16. bis 21. Dezember 1918 der Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte statt, und am Jahreswechsel 1918/19 fand der Gründungsparteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands statt. Erstmals waren Frauen zur Parlamentswahl aufgerufen, ihr jahrzehntelanger Kampf um das Wahlrecht war von Erfolg gekrönt. Denn in der Monarchie besaßen Frauen weder das aktive noch das passive Wahlrecht. Das bis dahin im Hohenzollernstaat geltende undemokratische Dreiklassenwahlrecht wich im Zuge der Götterdämmerung im November 1918 dem allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrecht, das keine Standes- und Einkommensunterschiede mehr kannte und in dem jede Stimme den gleichen Wert besaß.

Im heutigen Berliner Abgeordnetenhaus mit den Denkmälern der preußischen Reformpolitiker Stein und Hardenberg davon kristallisiert sich deutsche und Berliner Geschichte und speziell die der Novemberrevolution vor einhundert Jahren so sehr wie fast an keinem anderen Ort in Berlin, erklärte Parlamentspräsident Ralf Wieland am 10. Dezember 2018 bei der Eröffnung der neuen Ausstellung REVOLUTION MACHT REPUBLIK! in der Wandelhalle des Berliner Parlaments. "Die Revolution von 1918 hat für uns zwei wichtige Botschaften: Sie war eine erfolgreiche Revolution. Aber Demokratie lässt sich nicht verordnen, sie muss gelebt und erkämpft werden. Nur so kann sie bestehen." Moritz van Dülmen, Geschäftsführer von Kulturprojekte Berlin GmbH, ergänzte: "Unsere heutige Demokratie und ihre Errungenschaften wurzeln tief in der Revolution 1918/19. Daran zu erinnern und ihre Wirkungen bis heute sichtbar zu machen, ist das Ziel unseres Themenwinters. Ich freue mich, dass wir im Berliner Abgeordnetenhaus mit dieser Ausstellung ein bisschen Revolutionsgeschichte an den Ort der historischen Ereignisse bringen können."

Generalstreik und bewaffneter Aufstand

Die bis 25. Januar 2019 laufende Ausstellung beginnt mit dem für das Deutsche Reich und seine Verbündeten katastrophalen Ende des Ersten Weltkriegs und der Ausrufung der Republik am 9. November 1919. Sie endet mit den blutigen Kämpfen im März 1919, bei denen 1200 Berlinerinnen und Berliner von konterrevolutionären Truppen getötet wurden. "Krieg oder Frieden?", "Versammelt Euch!", "Macht Frieden!", "Mischt Euch ein!", "Keine Gewalt!", "Informiert Euch!", "Beteiligt alle!" und "Solidarisiert Euch!" heißen analog zu damaligen Parolen die Kapitel, an denen die Geschichte der Novemberrevolution und die Rolle des Preußischen Abgeordnetenhauses darin gezeigt werden. Plakate rufen zum Massenstreik, zur Volksbewaffnung, zu den Wahlen und zur Verteidigung der Republik auf. In einer Zeitung von damals wird darüber spekuliert, ob der in die Niederlande geflohene Kaiser Wilhelm II. wohl mit dem Ziel interniert wird, ihn vor ein internationales Gericht zu stellen. Die Dokumentation zeigt auf roten Tafeln, worin die Macht und die Ohnmacht der Arbeiter-und-Soldaten-Räte bestand, und man erfährt, wie das Frauenwahlrecht erkämpft wurde und wie Frauen es wahrnahmen. Schließlich zeigt die Schau, wer die Feinde der Republik waren und welche Folgen die Spaltung der Arbeiterbewegung hatte. Wer sich Zeit nimmt, kann im Erdgeschoss des Abgeordnetenhauses ergänzende Bilder betrachten und Texte lesen, die die wechselvolle, dornenreiche und zum Teil blutige Geschichte des Parlamentarismus in Berlin, Preußen und Deutschland vom frühen 19. Jahrhundert bis heute schildern.

Die schönsten Parolen, die beste Verfassung nutzte wenig, wenn sie nicht mit Leben erfüllt und tagtäglich verteidigt werden, verdeutlicht die Ausstellung. Sie zeigt, dass die Feinde der jungen Demokratie nur auf den Moment warteten, um ihr den Garaus zu machen und die alten Verhältnisse, das heißt die gar nicht so gute alte Kaiserzeit, wiederherzustellen. Auf der andern Seite weiteten vom Fortgang der Revolution enttäuschte Anhänger der KPD Anfang März 1919 einen Generalstreik zu einem bewaffneten Aufstand aus. Wie schon beim Januaraufstand 1919 wollten sie den Sturz der neuen Reichsregierung unter der Leitung von Philipp Scheidemann erzwingen, aber auch die Anerkennung der Arbeiter- und Soldatenräte und Errichtung einer Räterepublik nach sowjetrussischem Vorbild erreichen. Bürgerkriegsartige Kämpfe mit vielen Toten und immenser Sachbeschädigung konzentrierten sich auf die Berliner Innenstadt rund um das Polizeipräsidium am Alexanderplatz sowie auf die damals noch selbstständige Stadt Lichtenberg.

Nachdem die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) aufgrund des harten militärischen Vorgehens um die Jahreswende 1918/19, bekannt auch als Weihnachtskämpfe, aus dem Rat der Volksbeauftragten ausgeschieden war, leitete Gustav Noske als Volksbeauftragter für Heer und Marine die die Niederschlagung des Januaraufstandes 1919, der auch Spartakusaufstand genannt wird. In dessen Verlauf wurden die Mitbegründer der KPD, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, ermordet. Nachdem der dafür verantwortliche Generalstabs- und Freikorpsoffizier Waldemar Papst 1970 gestorben war, fand sich in seinem Nachlass die Abschrift eines Briefes von 1969, in dem es heißt: "Dass ich die Aktion ohne Zustimmung Noskes gar nicht durchführen konnte - mit Ebert im Hintergrund - und auch meine Offiziere schützen musste, ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin. Ich habe als Kavalier das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, dass ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit."

Berlin im Ausnahmezustand

Am 3. März 1919 verhängte das preußische Staatsministerium über Berlin den Ausnahmezustand, wobei die vollziehende Gewalt auf Reichswehrminister Gustav Noske von der SPD überging. Wenige Tage später gab Noske den durch kein Gesetz gedeckten Befehl aus, jeder Bewaffnete sei von den Regierungstruppen und den Freikorps sofort zu erschießen. Die bis zum 16. März geltende Anweisung beruhte auf der gefälschten Gräuelmeldung, im heftig umkämpften Lichtenberg hätten Aufständische 60 Polizisten ermordet. Insgesamt verloren während des Aufstands 1.200 Menschen ihr Leben. Viele starben unter den Kugeln von Erschießungskommandos. Unter den Ermordeten befand sich auch Leo Jogiches. Der kommunistische Parteiführer und Redakteur des KPD-Organs "Rote Fahne" wurde ohne Urteil kurz nach seiner Verhaftung erschossen.

Die Märzmassaker endeten mit der kampflosen Einnahme von Lichtenberg durch Regierungstruppen am 13. März 1919. Alfred Döblin, der eine Kassenarztpraxis in der Frankfurter Allee führte und durch den Roman "Berlin Alexanderplatz" berühmt wurde, schrieb 1928 im Rückblick: "Ich war damals in Lichtenberg und habe diesen Putsch und die grausigen, unerhörten, erschütternden Dinge der Eroberung Lichtenbergs durch die weißen Truppen miterlebt. Um dieselbe Zeit, wo in unserer Gegend die Granaten und Minenwerfer der Befreier ganze Häuser demolierten, wo viele in den Kellern saßen und dann, schrecklich, wo viele füsiliert wurden auf dem kleinen Lichtenberger Friedhof in der Möllendorffstraße - man muss die Leichen da vor der Schule liegen gesehen haben, die Männer mit den Mützen vor dem Gesicht, um zu wissen, was Klassenhass und Rachegeist ist -, um dieselbe Zeit wurde im übrigen Berlin lustig getanzt, es gab Bälle und Zeitungen." Tafeln an der Friedhofsmauer ehren die Toten des Massakers.

Gustav Noske, Abgeordneter der Weimarer Nationalversammlung, trug als Reichswehrminister im ersten Kabinett Scheidemann die Verantwortung für die Niederschlagung der Aufständischen der Berliner Märzkämpfe, bei denen etwa 1200 Menschen getötet wurden. Noskes Schießbefehl vom 9. März 1919 wurde von konterrevolutionären Truppen punktgenau ausgeführt. Am 11. März 1919 wurden 200 Mitglieder der Volksmarinedivision in Lichtenberg in einen Hinterhalt gelockt und verhaftet. Aus Angst vor Gegenwehr wurden 30 von ihnen mit einem Maschinengewehr erschossen. Ähnliche Massenmorde geschahen, Noskes Befehl folgend, auch an andern Orten in Berlin, wo zudem schwere Kriegswaffen und sogar Kampfflugzeuge zur Niederschlagung des Märzaufstandes eingesetzt wurden. Der SPD-Politiker konnte zufrieden in der in Weimar tagenden Nationalversammlung verkünden, in der Hauptstadt herrsche wieder Ruhe und Ordnung.

"Einer muss den Bluthund machen"

Gustav Noske war beteiligt an der Niederschlagung von lokalen Aufständen unter anderem in München und in Bremen, durch die Räterepubliken errichtet werden sollten. Bei seinen Gegnern bekam er den Beinamen "Bluthund" oder "Blutnoske", was auf seine eigene Darstellung der Entscheidung zur Niederschlagung des Spartakusaufstandes in seinen 1920 erschienenen Memoiren zurückgeht: "Der Kriegsminister, Oberst Reinhardt, formulierte einen Befehl, durch den die Regierung und der Zentralrat den Generalleutnant von Hofmann, der mit einigen Formationen nicht weit von Berlin war, zum Oberbefehlshaber ernannte. Dagegen wurde eingewendet, dass die Arbeiter gegen einen General die größten Bedenken hegen würden. In ziemlicher Aufregung, denn die Zeit drängte, auf der Straße riefen unsere Leute nach Waffen, stand man im Arbeitszimmer Eberts umher. Ich forderte, dass ein Entschluss gefasst werde. Darauf sagte jemand: ‚Dann mach du doch die Sache!' Worauf ich kurz entschlossen erwiderte: ‚Meinetwegen! Einer muss den Bluthund machen! Ich scheue die Verantwortung nicht!' Reinhardt meinte, auf den Vorschlag habe er eigentlich immer gehofft. Ein Beschluss wurde mündlich so formuliert, dass die Regierung und der Zentralrat mir weitgehendste Vollmachten zum Zweck der Wiederherstellung geordneter Verhältnisse in Berlin übertrugen."

In einer speziell zur Ausstellung erschienenen Zeitung der Kulturprojekte GmbH heißt es über die Folgen des Bürgerkriegs am Beginn der Weimarer Republik: "Die vor allem von rechts ausgehende Gewalt während der Revolution und ihre fehlende Aufarbeitung wurden zur schweren Hypothek für die Weimarer Republik und zementierte die Spaltung der Arbeiterbewegung auf Jahrzehnte." Beide Parteien -SPD und KPD - bekämpften sich bis aufs Messer. Erst als es zu spät war und die Nazis ihre Diktatur errichtet hatten, fanden sie zu gemeinsamem Widerstand im Untergrund zusammen.

12. Dezember 2018

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