Prunk, Plüsch und Plunder
Ausstellung "Kaiserdämmerung" im Potsdamer Neuen Palais schildert, was Wilhelm II. vor 100 Jahren ins Exil hinterher geworfen wurde



Nachdem Wilhelm II. seine Lieblingsresidenz, das Neue Palais, am 29. Oktober 1918 verlassen und sich alsbald in Richtung Niederlande aus dem Staub gemacht hatte, konnten sich Spötter wie der Medailleur Karl Goetz frei entfalten.



Für die Ausstellung "Kaiserdämmerung" bietet das Riesenschloss im Park Sanssouci den passenden Rahmen. Sie ist bis 31. Oktober täglich außer Dienstag von 10 bis 17.30 Uhr geöffnet. Einen Katalog herauszugeben hat die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg nicht vermocht.



Samuel Wittwer, Eva Wollschläger und Jörg Kirschstein führt zu den 15 Stationen der neuen Ausstellung über den ruhmlosen Abgang Wilhelms II. vor einhundert Jahren.



Im Vestibül des Neuen Palais laden allerhand Möbel und Gebrtauchsgegenstände zum Besuch der Ausstellung über das Neue Palais in der Kaiserzeit und danach ein.



Wie die mit Kunst und Nippes versehene Einrichtung des Neuen Palais zu Kaisers Zeiten aussah, wird durch Großfotos an den Wänden demonstriert.



In einem Wandschrank wird mit dem kaiserlichen Monogramm "W" geschmücktes Porzellan gezeigt, von dem die kaiserliche Familie zu speisen pflegte. Das Menü war im Ersten Weltkrieg, als das Volk hungerte, nicht ganz so üppig wie in Vorkriegszeiten.





Wilhelm II. liebte Uniformen und Orden, auf dem Gemälde darunter posiert er als Chef seines Eliteregiments Gardes du Corps. (Fotos: Caspar)



Wie dem ehemaligen deutschen Kaiser Wilhelm II. und seinen komfortabel in ihren Schlössern residierenden Familienmitgliedern, so hat man in der Weimarer Republik auch anderen ehemaligen Bundesfürsten kein Haar gekrümmt. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren und der Novemberevolution 1918 hat die neue, die Weimarer Republik ihnen ihren persönlichen Besitz außerdem fast alle Schlösser, Güter, Wälder und Konten belassen. Kein Oberbefehlshaber oder Feldmarschall wurde zur Rechenschaft gezogen, Gerichtsverfahren wie die nach dem Zweiten Weltkrieg in Nürnberg gegen die Spitzen des Nazistaates fanden nicht statt. Sie hätten ja auch die Schuldfrage auf beiden Seiten des bis dahin schlimmsten aller Kriege untersuchen müssen. Die ehemaligen Landesherren konnten sich weiter an Prunk, Plüsch und Plunder erfreuen und wurden zudem im Rahmen der Fürstenabfindung von 1926 großzügig beschenkt, mochte das "linke Gesocks", wie man in Hofkreisen zu sagen pflegte, noch so sehr wettern und den alten Machthabern die Guillotine an den Hals wünschen.

Die Abdankung Wilhelm II. war am 9. November 1918 von Reichskanzler Prinz Max von Baden über den Kopf des Kaisers hinweg verkündet worden. Erst am 28. November 1918 gab dieser eine Verzichterklärung "auf die Rechte an der Krone Preußens und die damit verbundenen Rechte an der deutschen Kaiserkrone" ab. Mit ihr entband er alle Beamten des Deutschen Reiches und Preußens sowie alle Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Marine, des Preußischen Heeres und der Truppen der Bundeskontingente des Treueeides, "den sie Mir als ihrem Kaiser, König und Obersten Befehlshaber geleistet haben. Ich erwarte von ihnen, dass sie bis zur Neuordnung des Deutschen Reichs den Inhabern der tatsächlichen Gewalt in Deutschland helfen, das Deutsche Volk gegen die drohenden Gefahren der Anarchie, der Hungersnot und der Fremdherrschaft zu schützen."

Der geräuschlose Abgang des deutschen Kaisers und Königs von Preußen wurde von der jungen Republik dahingehend honoriert, dass dieser 1919 und danach an beschlagnahmte Vermögenswerte heran kam, so dass er das Schloss Doorn bei Utrecht mit Nebengebäuden und Park für 1,35 Millionen Gulden kaufen konnte. Zehn Jahre später soll der Exkaiser über ein Vermögen von 55 Millionen Reichsmark verfügt haben, aus dem er das stattliche Einkommen von 1,9 Millionen Reichsmark oder 1,1 Millionen Gulden erzielte.

An alles und für alle Zeiten war gedacht

Wie die bis 12. November 2018 laufende Ausstellung "Kaiserdämmerung - Das Neue Palais zwischen Monarchie und Republik" in 15 Kapiteln schildert, wurden dem fahnenflüchtigen Kaiser nach seinem ruhmlosen Abgang Einrichtungsgegenstände der unterschiedlichsten Art überlassen. Gleich im Vestibül des Neuen Palais wird die Spannbreite der in 36 Möbelwagen beziehungsweise 33 Eisenbahnwaggons nach Doorn transportierten Gegenstände von Schränken und Stühlen bis zu Waschbecken und Feuerspritzen angedeutet. Dorthin gingen kostbare Gemälde, das kaiserliche Tafelsilber, edles Porzellan und geschliffene Gläser, eine Sammlung von Tabatièren Friedrichs des Großen und diverse Gemälde und Fotografien, auf denen der Kaiser stolz und grimmig posiert. Außerdem hat man ihm jede Menge Uniformen, Orden, Waffen und andere Gegenstände überlassen. Ein preußischer Finanzbeamter, der die Transporte organisieren musste, bemerkte, der kaiserliche Hausmarschall habe an alles gedacht und "zugleich bis in die aschgraue Zukunft des Hohenzollernhauses" geplant. Die mit preußischer Akribie ausgearbeiteten Listen geben über die Inhalte der Fuhren Auskunft, und aus Klagebriefen geht hervor, wie der von ihrem Mann in Potsdam zurück gelassenen Kaiserin Auguste Viktoria zumute war, als sie das Neue Palais verließ und ihren Beamten, Köchen, Lakaien, Zofen, Schneiderinnen und weiteren Bediensten den Laufpass gab.

Das unter Friedrich II., dem Großen, im und nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) erbaute und prunkvoll ausgestatte Riesenschloss am Ende des Parks von Sanssouci war die Lieblingsresidenz von "Wilhelm dem Letzten", wie der Volksmund spöttelte. Hier verbrachte die kaiserliche Familie höchst komfortabel viele Monate eines jeden Jahres. Das spätbarocke Schloss war mit damals modernster Technik ausgestattet, hatte Zentralheizung, elektrischen Strom, Telefon und Telegrafie, Bahnanschluss, Wannenbäder, Fahrstuhl und was sonst man damals an Bequemlichkeiten benötigte. Während es im Berliner Schloss im November 1918 zu Schusswechseln zwischen der Wache und Revolutionären kam und der Hohenzollernbau manche Blessuren davon trug, ging es im kaisertreuen, von Offizieren dominierten Potsdam ruhig und gesittet zu. Geheime Fluchtpläne vor plündernden und blutrünstigen Horden wurden nicht gebraucht, Wilhelm II. und seiner Familie blieb erspart, was die Bolschewiki Zar Nikolaus II. und den Seinen angetan hatte. Lediglich wurde am 10. November 1918 die Kaiserstandarte eingeholt, doch da hatte Wilhelm II. bereits Unterschlupf bei der Königin Wilhelmina der Niederlande gefunden, und auch Kaiserin Augusta Viktoria, wegen ihrer vielen Kirchenstiftungen auch "Kirchenjuste" genannt, ließ Potsdam und ihren Hof weit hinter sich.

Zustand wie zu Zeiten des Alten Fritz

Da nach dem Ende der Monarchie das in ein Museum verwandelte Neue Palais wieder so aussehen sollte wie im späten 18. Jahrhundert, wurden all die als unhistorisch und kitschig empfundenen Einbauten und Veränderungen aus der Kaiserzeit bis auf Reste beseitigt und eine Art Urzustand hergestellt, erklären die Kuratoren der Ausstellung, Jörg Kirschstein, Samuel Witwer und Eva Wollschläger. Anhand von Fotos aus der Zeit Wilhelms II. wird gezeigt, wie die Fest- und die Privaträume des Kaiserpaars ausgestattet waren, wo man sich ankleiden, wie man sich beköstigen ließ und was die Dienerschaft quasi unsichtbar im Hintergrund zu tun hatte. Da nach dem Ende der Kaiserzeit die Schränke, Kommoden und Regale leer geräumt waren, hilft sich die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg heute mit Leihgaben aus, vor allem solchen aus Huis Doorn, der letzten Residenz des letzten deutschen Kaisers.

In seinem Schloss Doorn unterhielt Wilhelm einen kleinen, aber feinen Hofstaat als Kopie dessen, was ihn zu Hause umgeben hatte. Er ließ sich weiterhin mit "Majestät" ansprechen, schrieb "Ich" oder "Mein" mit großen Anfangsbuchstaben und setzte hinter seinen Namen die Initialen IR (Imperator Rex, Kaiser König), als sei nichts geschehen. Dem Exkaiser wurde niemals die Zeit lang. Um sich fit zu halten, fällte er Unmengen Bäume und zersägte sie in Scheiben, die er Verehrern übersandte. Außerdem korrespondierte er mit monarchistischen Vereinen und Offiziersverbänden und verfasste seine Memoiren, die ihn als uneinsichtigen und unbelehrbaren Mann ausweisen, als einen Landesvater ohne Fehl und Tadel. Nach dem Tod seiner ersten Frau Auguste Victoria, die am 21. April 1921 im Potsdamer Antikentempel unweit des Neuen Palais bestattet wurde, heiratete der Exkaiser "unterm Stand" Hermine Prinzessin von Reuß, die 1947 in Frankfurt an der Oder starb.

Hoffnung auf glanzvolle Rückkehr auf den Thron

Nie gab der Exmonarch die Hoffnung auf, seinen Thron, glanzvoll durch das Brandenburger Tor mit Pauken und Trompeten reitend, zurückzuerobern. Diese Einstellung teilte er mit anderen abgehalfterten deutschen Königen, Großherzögen, Herzögen und Fürsten. Obwohl sich Mitglieder der Familie Hohenzollern und andere Vertreter der abgesetzten Dynastien mit den Nazis gemein machten und der eine oder andere Prinz sogar hohe Ränge in der SA und anderen Naziorganisationen innehatten, wusste sich Hitler die Hohenzollern vom Leibe zu halten. Als der Ex-Kaiser 82jährig am 4. Juni 1941 im Exil starb, schickte Hitler einen Kranz. Dass Wilhelm von Hohenzollern dem deutschen Diktator ein Jahr zuvor gönnerhaft für den Sieg über Frankreich gratuliert hatte, hatte für die Familie unangenehme Folgen, denn die Niederlande beschuldigten nach Kriegsende ihren deutschen Gast der Kollaboration mit den Nationalsozialisten und konfiszierten seine Hinterlassenschaften als "Feindvermögen". Rund 15 000 Einzelobjekte wurden so niederländisches Staatseigentum. Eine Auswahl kann im Haus Doorn besichtigt werden.

Wie dem ehemaligen deutschen Kaiser und seinen komfortabel in ihren Schlössern residierenden Familienmitgliedern, so hat man in der Weimarer Republik auch anderen ehemaligen Bundesfürsten kein Haar gekrümmt. Sie behielten ihren persönlichen Besitz, ihre Sammlungen, Schlösser, Ländereien, Wälder und Konten und wurden fürstlich abgefunden. Infolge der Freigebigkeit der preußischen Staatsregierung kam Wilhelm bereits im Jahre 1919 an beschlagnahmte Vermögenswerte heran und konnte das Schloss Doorn bei Utrecht mit Nebengebäuden und Park für 1,35 Millionen Gulden kaufen. Zehn Jahre später verfügte der Exkaiser über ein Vermögen von 55 Millionen Reichsmark, aus dem er ein Einkommen von 1,9 Millionen Reichsmark oder 1,1 Millionen Gulden erzielte. Dem Exilanten wurden nach seiner Flucht in zahllosen Eisenbahnwaggons Einrichtungsgegenstände der unterschiedlichsten Art nachgeschickt worden. Ein preußischer Finanzbeamter, der die Transporte organisierte, bemerkte, der kaiserliche Hausmarschall habe an alles gedacht und "zugleich bis in die aschgraue Zukunft des Hohenzollernhauses" geplant.

Majestät zersägt Bäume

Nach Huis Doorn bei Utrecht gingen kostbare Gemälde und Möbel, das kaiserliche Tafelsilber, edles Porzellan und geschliffene Gläser, eine Sammlung von Tabatièren Friedrichs des Großen und diverse Fotografien, auf denen der Kaiser stolz und grimmig posiert, auf die Reise. Außerdem hat man ihm jede Menge Uniformen, Orden, Waffen und andere Gegenstände hinterher geschickt. In seinem Schloss unterhielt Wilhelm einen kleinen, aber feinen Hofstaat als Kopie dessen, was ihn zu Hause umgeben hatte. Er ließ sich weiterhin mit "Majestät" ansprechen, schrieb "Ich" oder "Mein" mit großen Anfangsbuchstaben und setzte hinter seinen Namen die Initialen IR (Imperator Rex, Kaiser König), als sei nichts geschehen. Dem Exkaiser wurde niemals die Zeit lang. Um sich fit zu halten, fällte er Unmengen Bäume und zersägte sie in Scheiben, die er Verehrern übersandte. Außerdem korrespondierte Wilhelm mit Offiziersvereinen und monarchistischen Gruppierungen und verfasste seine Memoiren. Nach dem Tod seiner ersten Frau Auguste Victoria, die am 21. April 1921 im Potsdamer Antikentempel bestattet wurde, heiratete der Exkaiser "unterm Stand" Hermine Prinzessin Reuß, die 1947 in Frankfurt an der Oder starb.

Obwohl sich Mitglieder der Familie Hohenzollern und andere Vertreter der abgesetzten Dynastien mit den Nazis gemein machten und der eine oder andere Prinz sogar hohe Ränge in der SA und anderen Naziorganisationen innehatten, wusste sich Hitler die Hohenzollern vom Leibe zu halten. Als der Ex-Kaiser 82jährig am 4. Juni 1941 im Exil starb, schickte Hitler einen Kranz. Dass "Wilhelm der Letzte" dem deutschen Diktator ein Jahr zuvor gönnerhaft für den Sieg über Frankreich gratuliert hatte, hatte für die Hohenzollern unangenehme Folgen, denn die Niederlande beschuldigten nach Kriegsende ihren Gast der Kollaboration mit den Nationalsozialisten und konfiszierten seine Hinterlassenschaften als "Feindvermögen". Rund 15 000 Einzelobjekte wurden so niederländisches Staatseigentum. Eine Auswahl kann im Haus Doorn besichtigt werden.

14. Juni 2018

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