Neue Pläne für die Alte Münze
Für eine Ausstellung über den Komplex am Berliner Molkenmarkt werden Zeitzeugen, Bilder und Dokumente gesucht



Dass etwas mit der ehemaligen Münzanstalt am Berliner Molkenmarkt und Rolandufer geschieht, ist sehr zu begrüßen. Dem nach dem Auszug der Staatlichen Münze Berlin 2006 weitgehend leer stehenden Gebäudekomplex ist ein Neuanfang als Kulturstandort nur zu wünschen.



Die Aufnahme aus den frühen 1970-er Jahren zeigt den Gebäudetrakt am Rolandufer mit der Mühlendammschleuse im Vordergrund und in der Ferne den 1969 eingeweihten Fernsehturm.



Bilder aus dem VEB Münze der DDR sind selten, sie zeigen, dass vor allem Frauen in den Prägesälen und bei der Weiterverarbeitung der hier produzierten Geldstücke beschäftigt waren.





Blick in den Fabrikhof sowie ins Treppenhaus des Traktes, in dem das Ministerium für Kultur der DDR untergebracht war.



Die Medaillen zeigen alte Kniehebelpressen, den Eingang zur Münzfabrik am Rolandufer sowie verschiedene heute schon lange durch Maschinenarbeit abgelöste Geräte und Tätigkeiten bei der Herstellung von Hartgeld.



Leer gefegt hinter dicken Stahltüren ist der bei Leuten vom Film beliebte Tresorkeller. (Fotos: Caspar)

Der Berliner Senat hat im Sommer 2018 auf Grundlage eines Beschlusses des Abgeordnetenhauses bekannt gegeben, das Gebäude welches heute als "Alte Münze" bezeichnet wird als Kultur- und Kreativstandort zu sichern und zu entwickeln. Dabei handelt es sich um einen Teil eines weitläufigen Komplexes, der in der NS-Zeit nach Plänen des Architekten Fritz Keibel erbaut und später als Prägeanstalt genutzt wurde. Der Plan, hier eine mit dem Buchstaben A gezeichnete Reichsmünze zu installieren und mit diesem Akt die übrigen deutschen Prägeanstalten in München (D), Muldenhütten (E), Stuttgart (F), Karlsruhe (G) und Hamburg (J) aufzuheben, wurde wegen des Kriegsverlaufs aufgegeben.

Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und dem Wiederaufbau stellte der VEB Münze der DDR in dem Trakt am Rolandufer das Hartgeld der DDR her, während in dem Verwaltungsgebäude am Molkenmarkt mit dem eindrucksvollen Münzfries über dem Portal das Ministerium für Kultur der DDR untergebracht war, zuständig für die "Anleitung" und Überwachung der Kulturschaffenden im zweiten deutschen Staat und der Realisierung der Beschlüsse der SED auf kulturpolitischem Gebiet. Bedingt durch diese DDR Nutzung gehört dieses Gebäude heute dem Bund. Hingegen befinden sich das lang gestreckte Werkstattgebäude am Rolandufer, das sich daran anschließende Direktorenhaus sowie das im Hof gelegene Fabrikgebäude im Besitz des Landes Berlin. Hier wurden das Hartgeld der DDR sowie Medaillen, Orden und Auszeichnungen hergestellt. Es gab auch eine Abteilung, die Edelmetall aus Bevölkerungskreisen bewertete und ankaufte. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde der in Staatliche Münze Berlin umbenannte Betrieb für ganz Deutschland tätig und übernahm 20 Prozent seiner Hartgeldproduktion.

Für den Teil des Areals, das dem Land Berlin gehört, soll nun durch die Senatsverwaltung für Kultur und Europa, ein Nutzungskonzept erarbeitet werden. Die Umsetzung und die entsprechende Herrichtung des Gebäudekomplexes übernimmt die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). Dabei sollen alle bisher vorgetragenen Ideen und Konzepte, so auch der Vorschlag eines Hauses off Jazz sowie andere Nutzungen des Gebäudes beispielsweise als Musik und Kunststandort berücksichtigt werden.

Führungen, Ausstellungen, Konzerte

Als erster Schritt ist eine Ausstellung mit einem Begleitprogramm zur Geschichte des Standortes und des Gebäudes in Vorbereitung, die von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa gefördert wird. Der Historiker Eberhard Elfert, der die Ausstellung kuratiert, hat dazu ein Team zusammengestellt. Sein Ziel ist es, Interesse und Verständnis für das wenig beachtete Areal mit seiner idealen Lage inmitten von Berlin zu wecken. Vor allem soll es die Ausstellung allen Interessierten ermöglichen, die Entwicklung des Standortes zu verfolgen und sich an diesem zu beteiligen. Elfert organisiert Führungen durch die historischen Räume, deren Nutzung für die Münzproduktion nach dem Umzug der Staatlichen Münze Berlin 2006 an die Ollenhauerstraße 97 im Bezirk Reinickendorf Berlin beendet wurde.

Seit der Verlegung der Geld- und Medaillenproduktion in den Norden der Stadt wird über die Zukunft der Alten Münze gerungen. Bereits geplante Verkäufe scheiterten, einmal weil ein Käufer mit der Finanzkrise zu kämpfen hatte, und zum anderen weil der damals zuständige Finanzsenator Nussbaum den Verkauf stoppte, zuletzt weil Berlin im Rahmen einer neuen Liegenschaftspolitik sein Tafelsilber nun nicht mehr veräußern möchte.

In die zunächst leer stehenden Gebäudeteile des Landes zogen vor zehn Jahren, wie es seit der Wende in Berlin üblich ist, Künstler und Kreativunternehmen als sogenannte Zwischennutzer ein und machten die Gebäude in Eigenleistung schrittweise zugänglich. So finden hier heute Konzerte und Ausstellungen statt. Zurzeit ist vor Ort eine Multimedia Ausstellung über die 1990-er Jahre zusehen. Vor kurzem wurde ein auch Café eingerichtet. Wer möchte, kann in einem Tanzstudio ungezwungen Swing tanzen lernen.

Aus dem Dornröschenschlaf erwacht

Die Ausstellung, die demnächst in der Alten Münze zu sehen sein wird, besteht nur aus Texten und Reproduktionen historischer und aktueller Fotos, erläutert Elfert. Exponate wie Münzen und Prägewerkzeuge können auf Grund der Anforderung für einen flexiblen Auf- und Abbau sowie aus versicherungsrechtlichen Gründen leider nicht gezeigt werden. Für die Ausstellung werden nun die aktuelle Fachliteratur sowie Publikationen aus den 1930-er Jahren gesichtet. Auch wenn die großzügige Geldfabrik von der Preußischen Bauverwaltung geplant und errichtet wurde, so ist sie durchaus als ein Teil von Hitlers Germania-Planung zu sehen. Zu den Quellen der Ausstellungsmacher gehören historische Fotos und Bauunterlagen aus den verschiedenen Berliner Archiven. Ein Augenmerk liegt auf der Nutzung des Gebäudes zur Einlagerung von Kunstwerken im Zweiten Weltkrieg. Obwohl die bis zu zwei Stockwerke tiefen Tresorräume damals für die Einlagerung von Exponaten der Berliner Museen als besonders geeignet eingestuft wurden, kam es zu einem verheerenden Brand und erheblichen Verlusten von Berliner Kunstschätzen.

Für Eberhard Elfert und sein Team sind Standort und Gebäude auf einem der ältesten Siedlungsgebiete Berlins ein lebendiger Ort Berliner und Deutscher Geschichte. Indem die Ausstellung das Gebäude aus dem Dornröschenschlaf holt, will sie es nicht bei Fakten und Daten belassen. In der Ausstellung sollen auch jene Menschen zu Wort kommen, die in dem Komplex zwischen Rotem Rathaus und Neuem Stadthaus gearbeitet oder an diesen Erinnerungen haben. Gedacht wird an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums für Kultur, an den Heizer, der in den weiträumigen Kellern Kohlen in Handkarren zur Heizanlage schob, oder an jene Menschen, die in den Räumen am Rolandufer Silberlöffel, Familienschmuck und alte Münzen abgaben, um so das in der DDR rare Zahngold zu bekommen. Elfert und sein Team richten demnächst ein Erzähl-Café ein. Der Ort und die Zeiten werden noch bekannt gegeben. Wer sich an das Ausstellungsteam wenden möchte, kann eine E-Mail an info@elfkonzept.de unter dem Stichwort "Alte Münze" senden.

4. Oktober 2018

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