"Verweile in der Menschlichkeit gründe dich auf Gerechtigkeit"
Alexander von Humboldt wird 2019 anlässlich seines 250. Geburtstags umfassend gewürdigt



Wilhelm und Alexander von Humboldt entstammten aus einer vornehmen Familie, ihr Vater war preußischer Offizier und Kammerherr. Wilhelm machte Karriere im preußischen Staatsdienst und trat für die Gründung einer Universität in Berlin ein, die 1949 den Namen der beiden Humboldt erhielt.



Wilhelm und Alexander von Humboldt schauen auf das Geschehen auf der Straße Unter den Linden. Man kann sich gut merken, wer wer ist, denn Alexanders Denkmal steht auf der Seite zum Alexanderplatz, das andere Richtung Wilhelmstraße und Brandenburger Tor.



Die Gedenktafeln am Wohnhaus in der Oranienburger Straße 167 und am heutigen Sitz der Akademie der Wissenschaften an der Markgrafenstraße 38 ehren einen bedeutenden Denker und ganz Großen unter den Natur- und Länderforschern. Das Akademiegebäude steht an der Stelle des Hauses, in dem der berühmte vor 250 Jahren in einer vornahmen Adelsfamilie geboren wurde.



Das Denkmal der Brüder Humboldt steht vor der nach ihnen benannten Bibliothek am Tegeler Hafen, hier hantiert der Bronzemann, der für Alexander von Humboldt steht, mit einem Sextanten, ein Affe hockt am Boden.



Alexander von Humboldts mit vielen Zeichnungen garnierte Reisenotizen gelangten Ende 2013 mit Hilfe vieler Sponsoren in die Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, wo das Material wissenschaftlich aufbereitet und digital erschlossen wird.





Die Singakademie war Schauplatz der Kosmos-Vorlesungen, die Alexander von Humboldt vor begeisterten Berlinern hielt. Im Knoblauchhaus unweit der Nikolaikirche in Berlin-Mitte kann man sich 2019 in die Wohn- und Lebenswelt des berühmten Weltreisenden Alexander von Humboldt versetzen. (Fotos/Repros: Caspar)

Im kommenden Jahr wird nicht nur der Einführung des Frauenwahlrechts in der jungen deutschen Republik und der Annahme der Weimarer Verfassung gedacht, sondern auch eines der ganz Großen der deutschen und internationalen Wissenschaftsgeschichte - Alexander von Humboldt. Sein Marmordenkmal und das seines um zwei Jahre älteren Bruders Wilhelm stehen vor der Humboldt-Universität Unter den Linden in Berlin. Das dem am 14. September 1769 in Berlin geborenen Weltreisenden und Verfasser von zahlreichen Büchern über seine Forschungsreisen auf dem amerikanischen Kontinent und darüber hinaus gewidmete Monument hebt mit einer Inschrift am Sockel hervor, dass es sich bei dem Gelehrten um den zweiten Entdecker von Kuba handelt. Ein beträchtliches Erbe erlaubte Alexander von Humboldt ein freies Leben als Forschungsreisender und Buchautor. Nach seiner Rückkehr 1827 aus Paris nach Berlin war er Kammerherr und erster Kanzler der 1842 von Friedrich Wilhelm IV. gestifteten Friedensklasse des Ordens Pour le Mérite.

Dreizehn Museen, Universitäten, Bibliotheken, Akademien, Archive und weitere Einrichtungen in Berlin-Brandenburg vereinen ihre Kräfte und Ressourcen für das Humboldt-Gedenkjahr 2019. Geplant sind zahlreiche Ausstellungen, Tagungen, Publikationen und anderen hochkarätig besetzten Veranstaltungen, in denen umfassend über das Leben, Werk und Nachleben des wohl populärsten Naturforschers in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts berichtet wird. "Als Weltbürger war Alexander von Humboldt an vielen Orten zuhause. Doch Berlin spielte in seinem Leben immer eine wichtige Rolle. Zu seinem 250. Geburtstag wollen die Veranstalter zeigen, auf seinen Spuren wandelnd, wer dieser Mann war und was wir ihm verdanken. Den anfangs im preußischen Bergbauwesen tätigen Universalgelehrte hielt es nicht lange in seiner Geburtsstadt, über die sich gelegentlich recht abfällig äußerte, etwa wenn er sie "intellektuell verödet, klein, unliterarisch und dazu überhämisch" nannte.

Kosmos-Vorlesungen begeisterten die Berliner

Nach zwei Reisen durch den amerikanischen Kontinent und einem Vierteljahrhundert arbeitsreichen Lebens in Paris kehrte Alexander von Humboldt 1827 nach Berlin zurück, wo er in der Singakademie seine Zuhörer mit den berühmten Kosmos-Vorlesungen über seine Weltreisen begeisterte. Als königlicher Kammerherr, Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften und zahlreicher weiterer gelehrter Vereinigungen sowie Berliner Ehrenbürger setzte er sich wie auch sein Bruder Wilhelm für die Förderung junger Wissenschaftler und Künstler ein und legte den Grundstein für die spätere Rolle Berlins als Weltstadt der Wissenschaften. Er unterstützte unter anderem den Neubau einer Sternwarte und regte die Gründung eines Meteorologischen Instituts an. "Seinen Forschungen verdankte Europa ein neues Bild vom amerikanischen Kontinent und darüber hinaus. Stets ging es ihm darum, über globale Beziehungen und Welthandel, aber auch über Kolonialismus, Sklaverei sowie über weltumspannende Menschlichkeit neu nachzudenken. Wir wollen das alles ganz nach dem Vorbild des Netzwerkers Alexander von Humboldt einem breiten Publikum vermitteln", sagte Enno Aufderheide, Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung, am 14. November 2018 bei der Vorstellung der gemeinsamen Initiative.

Unter www.avhumboldt250.de informiert eine zentrale Plattform über alle Ausstellungen, Tagungen und Veranstaltungen der beteiligten Institutionen rund um das Alexander-von-Humboldt-Jahr 2019. Im Humboldt Forum sollen zu Humboldts 250. Geburtstag einige Ausstellungsräume geöffnet, und es wird auch großes Fest. Die Akademie der Künste und die Russische Botschaft verbinden ihre Ehrungen mit der Frage über die Macht der Wissenschaft in einer Zeit im Wandel und ob wir Humboldt'schen Esprit brauchen, um die Welt richtig zu verstehen. Dass sich die Russische Föderation an den Ehrungen beteiligt, hat mit der ausgedehnten Reise zu tun, die Alexander von Humboldt 1829 durch die Weiten des Zarenreiches unternahm und von der er wichtige Erkenntnisse über Land und Leute zurück brachte. Im Museum Knoblauchhaus, das zur Stiftung Stadtmuseum gehört und im Nikolaiviertel mit Lebensweise und Wohnkultur in der Biedermeierzeit bekannt macht, kann man unter dem Moto "Tropisch warm: Zu Hause bei Alexander von Humboldt" in die Welt des berühmten Gelehrten eintauchen, der sogar im Hochsommer kräftig heizen ließ, weil ihm immerzu kalt war. An allen Stationen des umfangreichen Veranstaltungsprogramms wird deutlich, warum der Name Alexander von Humboldts auf dem amerikanischen Kontinent bis heute einen hervorragenden Klang hat und warum die dort lebenden Menschen ihn als einen der Ihren verehren.

Stätte edelsten menschlichen Strebens

"Wo Wilhelm und Alexander von Humboldt Wache halten, da wird immerdar sein eine Stätte edelsten menschlichen Strebens, freier Forschung und freier Lehre". Mit diesen Worten schloss der damalige Rektor der Berliner Universität, Emil du Bois-Reymond, seine Festrede anläßlich der Einweihung der Marmordenkmäler vor der Alma mater berolinensis an der Straße Unter den Linden. Am 28. Mai 1883 wurde wahr, wofür seit 1869 namhafte Vertreter des Kulturlebens und der Wissenschaft gestritten hatten - die Ehrung zweier Geistesgrößen im Herzen Berlins. Die Brüder Humboldt sitzen auf würfelförmigem Postamenten, die mit Namen im Kranz sowie seitlichen Reliefs versehen sind, welche auf die jeweilige Profession Bezug nehmen.

Zum 100. Geburtstag Alexander von Humboldts im Jahr 1869 hatten der bekannte Berliner Arzt und Abgeordnete Rudolf Virchow und seine Freunde an das Zollparlament appelliert, diesen "Lehrmeister der Menschheit" durch ein großes Nationaldenkmal zu ehren. Die Petition wurde von offiziellen Stellen am Berliner Hof ungern gesehen. Die kriegerischen Zeiten schienen nicht sonderlich geeignet, für Heroen der Wissenschaft und Kunst Denkmäler zu errichten. Mit Siegessäulen und reitenden Monarchen war man weniger zurückhaltend. Doch das Denkmalkomitee ließ nicht locker. Ein Aufruf an das deutsche Volk zur Sammlung für das Monument fand ein lebhaftes Echo. Nach einem Jahr waren bereits einhunderttausend Mark beisammen, doch ließ der deutsch-französische Krieg 1870/71 das Projekt zunächst stocken. Dessen ungeachtet wurde nach einem geeigneten Standort gesucht, so im Kastanienwäldchen neben Schinkels Neuer Wache beziehungsweise hinter der Universität. Rektor und akademischer Senat der Universität gaben zu bedenken, dass Alexander von Humboldt "nur" mittelbar mit der Berliner Universität zu tun hatte, beispielsweise durch seine berühmten Kosmos-Vorlesungen. Deshalb müsse eigentlich noch ein zweites Denkmal für Wilhelm von Humboldt her. Der Gelehrte, Staatsmann, Diplomat und Reformer hatte als wesentlichen Anteil an der Gründung der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität im Jahre 1810, die das seit 1802 leer stehende Palais des Prinzen Heinrich zog und 1949 den Namen der Brüder Humboldt erhielt.

Ehrfurchtsvolle Bitte an den Kaiser

Da das gesammelte Geld nur für ein Denkmal reichte, richteten Virchow und sein Komitee am 25. April 1874 die "ehrfurchtsvolle Bitte" an Kaiser Wilhelm I., die Mittel für ein Wilhelm von Humboldt ehrendes Standbild parallel zu dem für Alexander von Humboldts zu gewähren und zu gestatten, die Figuren vor der Universität aufzustellen. Der Standort war nicht unproblematisch, denn hier stießen sich Geist und Macht. Zwischen der Universität und dem vom greisen Wilhelm I. bewohnten Palais am Opernplatz huldigte die Menge dem Monarchen, sobald er zur Mittagszeit am Fenster erschien. Der Kaiser sah das Reiterdenkmal Friedrichs des Großen und sollte nun auch die beiden Humboldts betrachten. Unmöglich, gab man in der Umgebung des Herrschers zu bedenken. Die Hofkamarilla verübelte Alexander von Humboldt, dass er die Hohenzollern demaskierende Briefe an den regimekritischen Diplomaten und Schriftsteller August Varnhagen von Ense geschrieben hatte. Diese Aufzeichnungen erschienen 1860. In ihnen bemängelte der Weltreisende an verschiedenen Stellen, dass er sich in einem Lande selbst mit "zartestem Tadel" zurückzuhalten muss und in dem die freie Rede unerwünscht ist. Erschwerend kam hinzu kam, dass der berühmte Mediziner Rudolf Virchow, ein dezidierter Bismarck-Gegner, in "allerhöchsten Kreisen" Persona non grata war. Schon deshalb fand die Idee, die Gelehrten durch Monumente zu ehren, am Hof wenig Gegenliebe.

Rudolf Virchow ließ nicht locker. Es wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich auch der aus Berlin stammende, aber in Rom lebende Bildhauer Paul Otto beteiligte. Während einer seiner Konkurrenten, der Schöpfer des Schillerdenkmals auf dem Gendarmenmarkt Reinhold Begas, hermenähnliche "Colossalbüsten" entwarf, die von Genien bekränzt werden, bestach Ottos Idee einer Sitzfigur Wilhelm von Humboldts durch bürgerliche Einfachheit bestach. Mit der Auftragserteilung an Otto war die Frage entschieden, wie die Parallelfigur aussehen müsste. Reinhold Begas sah sich genötigt, Alexander von Humboldt ebenfalls sitzend zu modellieren. Als am 28. Mai 1883 die Denkmäler feierlich enthüllt wurden, "stiegen" Wilhelm I. und seine Familie, wie der Universitätsrektor ehrfurchtsvoll formulierte, aus dem Palast hernieder und dokumentierten durch ihre Anwesenheit herrscherliches Wohlwollen.

Fast auf den Tag 50 Jahre später, am 10. Mai 1933, loderten auf dem Opernplatz, der Universität gegenüber, unter dem Johlen entfesselter Nazis unerwünschte und verbotene Bücher, und wiederum zwölf Jahre später lag die Reichshauptstadt in Schutt und Asche. Die kostbaren Marmorskulpturen hatten eingemauert den Zweiten Weltkrieg überstanden und wurden schon frühzeitig freigelegt. Saurer Regen und Umweltverschmutzung haben dem empfindlichen Marmor stark zugesetzt. Mehrfach wurden die Figuren restauriert und konserviert, doch ließen sich Abschürfungen, Risse und andere Verwundungen nicht verhindern. Wenigstens werden die Figuren in der kalten und feuchten Jahreszeit durch Einhausungen geschützt, eine Vorsorge, die man auch anderen nicht minder wertvollen und gefährdeten Figuren unter freiem Himmel wünschen möchte.

Bronzemänner am Tegeler Hafen

Zwei Bronzemänner stehen seit 1997 am Tegeler Hafen, gleich beim Schlosspark an der Karolinenstraße. Der eine hantiert mit einem Sextanten, der andere hält ein aufgeschlagenes Buch in der Hand. Jeder schaut in eine andere Richtung. Zwischen den beiden macht sich ein Affe über Südfrüchte her. Beim näheren Hinschauen entpuppen sich die Figuren als die Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt, die Unter den Linden einträchtig auf hohen Postamenten beieinander sitzen. Der Bildhauer Detlef Kraft hat die Brüder vom Sockel geholt, Volksnähe ist gewollt, blank geriebene Stellen vor allem bei dem Affen deuten darauf, dass die etwas überlebensgroße Bronzegruppe gut angenommen wird. Bei den beiden Adligen, deren Schloss in der Nähe steht, hat der Bildhauer auf Porträtähnlichkeit verzichtet.

Der berühmte Weltreisende Alexander beziehungsweise der Kulturpolitiker und Universitätsgründer Wilhelm von Humboldt haben Allerweltsgesichter, so fällt eine Identifizierung leicht. Einer kleinen Tafel im flachen Sockel zufolge stammt die Idee von Alfred Gebauer. Der Unternehmer ist Buchautor über Alexander von Humboldt sowie Sammler von Medaillen und anderen Hinterlassenschaften. Gebauer fand es verwunderlich, dass die Brüder Humboldt auf der ganzen Welt, nicht aber in Tegel geehrt werden, wo sie im späten 18. Jahrhundert aufwuchsen. Deshalb stifteten er und sein Sohn Steffen das Denkmal. Zwei weitere Schrifttafeln informieren knapp über die dargestellten Personen, und in dem Buch, das Wilhelm von Humboldt in der Hand hält, liest man die Aufforderung an den Betrachter: "Verweile in der Menschlichkeit gründe dich auf Gerechtigkeit".

16. November 2018

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