Schöne Aussichten im Schloss Bellevue
Preußische Residenzschlösser erhielten nach dem Ende der Monarchie neue Aufgaben



Am Tag der offenen Tür und zu offiziellen Terminen laden der Bundespräsident und seine Frau in seinen Amtssitz Schloß Bellevue ein.



Neoklassizistische Bauformen sind ein Charakteristikum des ehemaligen Sommerschlosses des Prinzen August Ferdinand von Preußen.



Die Prunkvase im Treppenhaus stammt aus der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin und zeigt Friedrich Wilhelm III. hoch zu Ross.



Schloss Schönhausen im Berliner Ortsteil Niederschönhausen war in DDR-Zeiten Sitz des Staatspräsidenten und Regierungsgästehaus. Jetzt zeigt die Preußische Schlösserstiftung in den original aus dem 18. Jahrhundert erhaltenen Räumen ihre Schätze.



Sorgfältig restauriert wurden in den vergangenen Jahren im Festsaal und weiteren Prunkräumen die kostbare Stuckdecken, Türeinfassungen und anderen dekorativen Elemente.



Die mit Zedernholz verkleidete ausgestattete Galerie des Schlosses Schönhausen blieb wie durch ein Wunder aus dem 18. Jahrhundert erhalten. (Fotos: Caspar)


Hin und wieder laden der Bundespräsident und seine Frau das "Volk" zum Besuch ins Schloss Bellevue ein. Dann bilden sich vor dem Amtssitz des deutschen Staatsoberhaupts lange Schlangen, aufmerksam beobachtet von Polizisten zu Fuß und zu Pferde. Bellevue ("Schöne Aussicht") wurde 1785 unter Einbeziehung eines älteren Gebäudes als Sommerresidenz für den Prinzen August Ferdinand, den jüngsten Bruder von König Friedrich II., dem Großen, nach Plänen des Architekten Michael Philipp Daniel Boumann erbaut. Die Dreiflügelanlage war das erste klassizistische Schloss in Preußen. Sein Baustil orientierte sich am Schloss des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau in Wörlitz, das seinerseits englische Vorbilder hatte und sich in seiner vornehm-schlichten Gestalt wohltuend von barocken Residenzen unterschied. Nach dem Tod des Prinzen August Ferdinand (1813) wohnte dessen Sohn Prinz August von Preußen dort, der Chef und Reformer der preußischen Artillerie. Durch eine Erbschaft fiel das Anwesen 1843 an König Friedrich Wilhelm IV., der hier ein Jahr später in einem Flügel des Erdgeschosses das erste Museum für zeitgenössische Kunst in Preußen einrichten ließ. Diese "Vaterländische Galerie" war die Vorgängerin der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel. Nach deren Auszug 1865 wurde das Schloss bis 1918 wieder vom königlichen und kaiserlichen Hof genutzt. Unterschiedliche Besitzer gingen mit der exquisiten Innenausstattung wenig pfleglich um. 1935 wurde das Gebäude in das Museum für Deutsche Volkskunde umgewandelt und diente ab 1938 als Reichsgästehaus der NS-Regierung, wobei es zu weiteren Eingriffen in die historische Substanz kam und auch der Schlossgarten verändert wurde.

Im Garten vergrabene Denkmäler

Im Zweiten Weltkrieg zum Teil zerstört, erlebte das Schloss Bellevue zwischen 1954 und 1959 seine Wiedergeburt als Sitz des Bundespräsidenten, sofern er sich im damaligen West-Berlin aufhielt. Im Garten wurden Figuren von der ehemaligen Siegesallee im benachbarten Tiergarten vergraben. So überstanden die bei Kämpfen der letzten Kriegswochen beschädigten Skulpturen aus der Kaiserzeit den Bildersturm, dem in Berlin Ost und West viele andere als unzeitgemäß und politisch nicht opportun eingestufte Denkmäler und Bauten zum Opfer fielen. Nur wenige historische Schlossräume wurden damals in der ursprünglichen Form wiederhergestellt, sonst aber atmete das Haus den kargen Stil der fünfziger Jahre. Einige Säle wurden 1986 bis 1987 in klassizistischem Stil neu gestaltet.

Da der Bau all die Jahre nur notdürftig repariert und modernisiert wurde, wurden Sanierungsmaßnahmen dringend notwendig und schließlich vom damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau in Angriff genommen. Da das Haus in dieser Zeit nicht bewohnt und auch für repräsentative Zwecke nicht genutzt werden konnte, diente das Schloss Charlottenburg als Ausweichquartier für Staatsempfänge. In dieser Zeit hat man überlegt, ob nicht das ehemalige Kronprinzenpalais Unter den Linden oder Schloss Schönhausen im Pankower Ortsteil Niederschönhausen zur Residenz des Bundespräsidenten erhoben werden können. Doch wurden diese Überlegungen einmal aus Sicherheitsgründen und zum anderen wegen der Kosten und der Entfernung zur Mitte der Hauptstadt und zu den obersten Organen der Bundesrepublik Deutschland verworfen. Regelmäßig sind das Schloss Bellevue von außen und einige seiner Innenräume im Fernsehen zu sehen, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Orden und Preise verleiht, Minister ernennt oder entlässt, Staatsgäste, Botschafter und das diplomatische Corps empfängt oder zu Tagen der offenen Tür und zu Festlichkeiten einlädt oder die Weihnachtsansprache hält.

Präsidentenresidenz und Gästehaus der DDR-Regierung

Das schon erwähnte Schloss Schönhausen hat wie das Schloss Bellevue viele Besitzer gesehen und die unterschiedlichsten Nutzungen gehabt. Hier spielte sich wie in kaum einem anderen Gebäude in der Hauptstadt königlich-preußische, deutsche und DDR-Geschichte ab. Die im Stil des Rokoko gestaltete Residenz von Elisabeth Christine, der Gemahlin König Friedrichs II., des Großen, wurde im 19. Jahrhundert von den Hohenzollern gemieden, in der Nazizeit als Depot für so genannte entartete Kunst missbraucht und in DDR-Zeiten als Präsidentensitz und Regierungsgästehaus genutzt. Das Schloss ist weitgehend Teil im originalen Zustand erhalten. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg ließ es in den vergangenen Jahren umfassend sanieren und restaurieren und würdigt darin die wechselvolle Geschichte des Schlosses und Parks vom frühen 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Eigentlich hatte der zweite deutsche Staat mit preußischen Schlössern nichts gemein. 1950 wurden die Ruinen des Berliner und zehn Jahre später des Potsdamer Stadtschlosses gesprengt und beseitigt. Auch sonst fielen zahlreiche Landschlösser und Gutshäuser aus ideologischen Gründen der Spitzhacke zum Opfer. Die SED-Spitze befand, dass das "Volk der DDR" keine Schlösser brauche, um den Sozialismus aufzubauen. Dessen ungeachtet fanden im edlen Ambiente des Schlosses Schönhausen Staatsakte, Ordensverleihungen, Empfänge und weitere Festlichkeiten statt, bei denen es an nichts fehlte. Es wurde alles getan, um den Gästen und ihrer Entourage den Aufenthalt in Schloss und Park Schönhausen so angenehm wie möglich zu machen. Fidel Castro rauchte in den Räumen der Königin Elisabeth Christine dicke Havannas und stählte seinen Körper in einem extra für ihn eingerichteten Sportraum. Als der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow am 7. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR, mit seiner Frau Raissa als letzter Staatsgast der DDR in Schönhausen dinierte und sich selbstkritisch über die Verhältnisse im eigenen Land äußerte, entgegnete sein von sich selbst unerschütterlich überzeugte Gastgeber Erich Honecker mit beschwichtigenden Floskeln, was von Teilnehmern der festlichen Runde als peinlich registriert wurde. Wenige Tage später nach diesem in eisiger Atmosphäre verlaufenden Treffen war Honecker entmachtet, und die von seinem Nachfolger Egon Krenz ausgerufene so genannte Wende nahm mit den bekannten Folgen ihren Lauf.

Perle der preußischen Schlossbaukunst

In den weitgehend original erhaltenen Schlossräumen stehen Rokokomöbel, die es hier schon zur Zeit der Königin Elisabeth Christine gab. Zum Zimmerschmuck gehören Porträts der Monarchin, die von ihrem Gemahl Friedrich II. von Preußen getrennt lebte, weshalb sich dieser hier nicht blicken ließ, sowie von geputzten und gepuderten Hofdamen. Gezeigt werden edles Porzellangeschirr und Silberbesteck, aber auch Bücher und andere über 250 Jahre alte Ausstattungsstücke. Auf diese Weise wird eine lange vergessene Monarchin gewürdigt und ihre Residenz als Perle der preußischen Schlossbaukunst ins öffentliche Bewusstsein gehoben. Besucher sehen, dass Schönhausen stilistisch zwischen dem Schloss in Rheinsberg und dem Schloss Sanssouci steht.

Eine Ausstellung ging 2016 der Frage nach, wie die ehemalige königliche Residenz zum Sitz des DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck und ab 1966 zum Regierungsgästehaus gemacht wurde und wer es sich dort gut gehen ließ. Da auch das weitaus prächtiger gestaltete Schloss Augustusburg in Brühl bei Bonn Ort repräsentative Empfänge der bundesdeutschen Politik war, gestalteten die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und die Verwaltung der zum Weltkulturerbe gehörenden Schlösser Augustusburg und Falkenlust eine gemeinsame, mit vielen bisher kaum gezeigten Exponaten bestückte Ausstellung. 2. Januar 2018

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