"Die Natur ist aller Meister Meister"
Albrecht Daniel Thaer, der Begründer der Agrarwissenschaft in Preußen, sowie Beuth und Schinkel stehen auf dem Berliner Schinkelplatz



Die Schinkelsche Bauakademie wartet seit Jahren auf ihren Wiederaufbau. Im Vordergrund erheben sich die Denkmäler von Beuth und Schinkel, das Thaerdenkmal muss man sich rechts hinzudenken.



Während die Beuth-Figur von August Kiß geschaffen und 1861 enthüllt wurde, stammen die weitaus originelleren Sockelreliefs von Friedrich Drake. Sie schildern wichtige Abschnitte in der beruflichen Tätigkeit des Dargestellten - die Förderung von Industrie, Technik und Kunst, symbolisiert etwa durch die Tuchproduktion oder auch durch das damals noch neue Medium Photographie, das in Berlin zu großer Blüte kam.



Schinkels Arbeitsstil war "Gift für die Gesundheit", er gab Arbeit nicht gern an andere ab. So kam es, dass sich Erschöpfungszustände einstellten, Lähmungserscheinungen und 1840 ein schwerer Schlaganfall, dem der agile Künstler und Staatsbeamte, dem ein tadelloses Familienleben nachgesagt wird, ein Jahr später 60jährig erlag. Schinkels Grab befindet sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof an der Chausseestraße neben dem anderer prominenter Künstler, Gelehrter und Politiker.



Daniel Thaer war ein berühmter Agrarwissenschaftler und Experimentator, das Foto links zeigt seine Marmorbüste in der Landwirtschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität, rechts hat ihn Christian Daniel Rauch in dozierender Haltung dargestellt, als ob er seinen Studenten gerade seine Anbaumethoden und Versuche in Möglin erläutern will.





Die Sockelreliefs ehren Thaer als bedeutenden Gelehrten und geduldigen Hochschullehrer im Kreise seiner Schüler. Es fehlt auf den Bronzeplatten auch nicht die Schafzucht und -schur, die dem Gelehrten den Spitznamen "Woll-Thaer" in Anlehnung an Voltaire, den französischen Philosophen, langjährigen Briefpartner Friedrichs des Großen und zeitweiligen Gast in Sanssouci, einbrachte. (Fotos: Caspar)



Auf dem Berliner Schinkelplatz nahe der Straße Unter den Linden, dort, wo irgendwann einmal die Bauakademie aufgebaut werden soll, erheben sich drei Bronzestandbilder. Sie erinnern an Peter Christian Beuth; den Direktor der Technischen Deputation für das Gewerbe und Chef des Gewerbeinstituts, den Architekten und Direktor der Oberbaudeputation Karl Friedrich Schinkel und den Agrarwissenschaftler Albrecht Daniel Thaer. Beuth, der Förderer von Industrie und Gewerbefleiß, nach dem auch eine der ersten preußischen Lokomotiven von Borsig benannt wurde, ist stehend mit dozierender Geste dargestellt. Er erscheint ein wenig steif, sein Temperament und geistige Beweglichkeit, die ihm Zeitgenossen bescheinigten, ist wenig viel zu spüren.

Peter Beuth leitete von 1818 bis 1845 die Abteilung Handel, Gewerbe und Bauwesen im preußischen Finanzministerium und gründete 1821 das Gewerbeinstitut, eine der ersten Fach- und Fortbildungsstätten für Gewerbetreibende in Preußen. Im gleichen Jahr rief er den Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes ins Leben und wurde 1831 Leiter der "Allgemeinen Bauschule", der späteren Bauakademie. In all diesen Funktionen haben Beuth und Schinkel eng zusammengearbeitet, daher ist es nur zu berechtigt, dass die beiden Freunde durch das Denkmalsensemble geehrt werden. Auf den Reliefs des Beuth-Denkmals erscheinen Künstlerkollegen wie Schinkel und Rauch, ja selbst Johann Wolfgang von Goethe, der die Berliner Kunstszene aus dem fernen Weimar interessiert begleitete. Er schrieb die Widmung "Denn die Natur ist aller Meister, / Sie zeigt uns erst den Geist der Geister." Auch Alexander von Humboldt ist zu erkennen, als er gerade das Titelblatt seiner berühmten Schrift "Kosmos" erhält.

Zu den acht Mitgliedern der Technischen Deputation für Gewerbe gehörte Karl Friedrich Schinkel, der Mittlere in der bronzenen Dreiergruppe. Heinrich Drake hat ihn zeichnend dargestellt, den Blick in die Ferne gerichtet. Der Architekt der Neuen Wache, des Schauspielhauses, des Alten Museums, der Friedrichswerderschen Kirche, der Bauakademie, des Kreuzbergdenkmals und vieler anderer großartiger Bauten ging auch als Maler, Stadtplaner, Designer, Gestalter von höfischen Festlichkeiten und als Vater der Denkmalpflege in Preußen in die Geschichte ein.

Baumeister an drei Standorten

Das Denkmal steht auf einem Granitsockel, der vor einigen Jahren nach alten Vorlagen neu gestaltet wurde. Die ihn bewachenden Gebälkträgerinnen, auch Karyatiden genannt, symbolisieren die Baukunst, Bildhauerei, Wissenschaft und Malerei und weisen auf die Vielseitigkeit des großen Künstlers hin. Eine ähnliche Figur aus Bronze schmückt den Eingangsbereich des Schauspielhauses am Gendarmenmarkt, das heute als Konzerthaus bekannt ist. Eine Marmorfassung stand in der neogotisch gestalteten Friedrichswerderschen Kirche, die allerdings seit einigen Jahren wegen Schäden am Bau geschlossen ist. Da in unmittelbarer Nähe der Kirche exklusive Eigentumswohnungen entstehen und sich das Gewicht der Häuser ungünstig auf den traditionell schwankenden Baugrund auswirkt, kommt es zu Rissen im Gemäuer der Kirche. Niemand kann dertzeit sagen, wann das Gotteshaus wieder so standfest und ertüchtigt ist, dass die Staatlichen Museen dort ihren wertvollen Skulpturenschatz wieder aufstellen können.

Zu den herausragenden Agrarwissenschaftlern des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts gehört Albrecht Daniel Thaer. Der Landwirt und Professor der Cameralwissenschaften an der Berliner Universität war ursprünglich Arzt wie sein Vater. Doch entwickelte er schon früh ein Faible für die Landwirtschaft. Nach seiner Übersiedlung nach Preußen, erwarb Thaer 1804, der bereits in Celle ein landwirtschaftliches Lehrinstitut geleitet hatte, das 250 Hektar große Gut Möglin bei Wriezen (Märkisch Oderland), um hier seine Forschungen und Visionen in die Praxis umzusetzen. Dass ein Bürgerlicher das heruntergekommene, aber adlige Rittergut erhielt, war damals noch neu und gewöhnungsbedürftig. Friedrich II., der Große, hatte noch verboten, dass Bürgersleute sich Güter zulegen. Im 19. Jahrhundert stiegen viele Leute ohne adligen Stammbaum in die Landwirtschaft ein und waren erfolgreich, weil sie Thaers in vielen Büchern dargelegten Lehren befolgten. "Ehre deinem Heldentume, / Dreimal Ehre deinem Ruhme, / Aller Taten beste Tat / Ist: Keime pflanzen für den Staat" - mit diesen Worten fasste der Romancier Theodor Fontane sein Lob in den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" für "Vater Thaer" zusammen. Der Gelehrte sei genialisch und exzentrisch gewesen, er habe "etwas Wunderkindartiges an Gaben wie an Unarten" gehabt.

Forderungen fielen auf fruchtbaren Boden

Querdenker und Visionäre wie Thaer wurden vor über 200 Jahren dringend gebraucht. Da um 1800 der Agrarstaat Preußen mit seiner Landwirtschaft der Zeit hinterher hinkte und immer wieder mit Versorgungskrisen und Hungersnöten zu kämpfen hatte, war die Regierung in Berlin an Verbesserungen stark interessiert. Und so fielen Thaers Forderungen, die Landwirtschaft auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen sowie neue Anbau- und Erntemethoden anzuwenden, auf fruchtbaren Boden. Preußen befand sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach dem verlorenen Krieg von 1806/7 gegen Frankreich in einer äußerst schwierigen politischen und wirtschaftlichen Situation. Um sie zu überwinden, waren umfassende Reformen in allen Bereichen nötig. Thaer und andere weitblickende Politiker und Gelehrte erkannten, dass die Gesundung des Staates nur dann gelingt, wenn die Menschen frei sind und auch frei über die Produktionsmittel, also Grund und Boden, verfügen können.

In Möglin setzte er seine Erkenntnisse über Fruchtwechsel und Kleeanbau in die Praxis um und half, mittels handfester Beweise Vorurteile gegen die von ihm als notwendig erkannten Neuerungen abzubauen. Für Thaer war die Entwicklung der Landwirtschaft eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung des Staates. "Der höchste reine Vortheil aus dem landwirthschaftlichen Gewerbe ist auch der höchste Vortheil für den Staat und die allgemeine Wohlfahrt", schrieb er. König Friedrich Wilhelm III. war beeindruckt und sicherte der 1806 gegründeten Mögliner Lehranstalt ausdrücklich "Schutz und Begünstigung" zu. Thaer zeigte, welche erstaunlichen Erträge durch Melioration der Böden und Einsatz neuer Bearbeitungsgeräte, aber auch durch Fruchtwechsel und unkonventionelle Methoden bei der Viehfütterung erzielt werden können. Die von ihm eingeführte Sommerstallfütterung war gewöhnungsbedürftig, weil bis dahin die Tiere auf der Weide und im Wald gehalten wurden, was aber der aufstrebenden und für das Bauwesen so wichtigen Forstwirtschaft schadete. Die Sommerstallfütterung führte zur Leistungssteigerung in der Tierproduktion und hatte den Vorteil, dass der anfallende Stallmist ein willkommener Dünger zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und damit zur Ertragssteigerung auf dem Acker war.

Mitwirkung an neuen Agrargesetzen

Als Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften und zum Geheimen Kriegsrat, später zum Staatsrat im Innenministerium ernannt, war es Thaer möglich, an prominenter Stelle bei der Ausarbeitung der preußischen Agrargesetze mitzuwirken, mit denen nach der Niederlage von 1806 die Bauernbefreiung auf den Weg gebracht wurde. Dabei mussten Widerstände mancher Gutsherren überwunden werden, die an ineffektiven Arbeitsweisen festhielten und auch nicht bereit waren, auf Hand- und Spanndienste ihrer "Untertanen" zu verzichten.

Nach der Gründung der Berliner Universität 1810 stand Professor Thaer ein akademisches Forum zur Verfügung, vor dem er seine Lehren vertreten konnte. Sein Experimental- und Mustergut Möglin wurde europaweit zum Begriff, ein Wallfahrtsort, den man besucht haben musste, um auf dem Laufenden zu sein. Hierher kamen Wissenschaftler und Landwirte aus aller Herren Länder, um die Neuerungen in Augenschein zu nehmen, und wer das nicht konnte, las die stets an der Praxis orientierten Ratschläge in den vielen Büchern nach, die Thaers Wirken wurde durch zahllose Bücher, aber auch Stiche, Gemälde sowie Denkmäler in Berlin, Celle und Leipzig und auch durch Medaillen gewürdigt. Außerdem hat die Weimarer Republik ihm 1929 eine Banknote zu zehn Reichsmark gewidmet. Die 1838 von dem bekannten Berliner Stempelschneider Henri François Brandt geschaffene Thaer-Medaille zeigt das Altersbildnis des "Begründers der rationellen Landwirthschaft" mit leicht eingefallenem Mund, doch wachem Blick. Im Kontrast zu diesem gelungenen Porträt steht die eher langweilige Rückseite mit einem aus Pflanzen gebildeten Kranz mit einer Widmung darin.

9. April 2018

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