"Herrliche Erinnerung an Kampf für Freiheit!
Die nackten Helden auf der Berliner Schlossbrücke gefielen im 19. Jahrhundert nicht jedermann



Die Schlossbrückenfiguren kamen erst in den 1980-er Jahren aus dem Exil in Westberlin in den Ostteil der Stadt zurück. Im Hintergrund ist das Humboldt-Forum zu sehen, dessen Bau 2019 beendet sein soll. (Aufnahme von 2017)







Die Marmorgruppen wurden Mitte des 19. Jahrhunderts von der Crème der Berliner Bildhauerzunft geschaffen. Das empfindliche Material braucht ständige Pflegemaßnahmen.







Die Helden auf der Berliner Schlossbrücke waren nicht jedermanns Sache und mussten sich manchen Spott gefallen lassen.



Der preußische Adler bekämpft die französische Schlange - vielen ist der Hintersinn der Reliefs an den Sockeln auf der als Denkmal für die Helden der Befreiungskriege gestalteten Schlossbrücke nicht bewusst.



Das edel gestaltete Brückengeländer besteht aus gegossenem Eisen und ist wie im 19. Jahrhundert grün angestrichen. (Fotos/Repros: Caspar)





Im frühen 19. Jahrhundert ärgerten sich die Berliner über ein gefährlich desolates Bauwerk - die Hundebrücke. Das Verbindungsstück zwischen Schlossplatz und der Straße Unter den Linden wurde von Karl Friedrich Schinkel zwischen 1819 bis 1824 durch einen repräsentativen Neubau ersetzt und erhielt einige Jahre nach dem Tod des Architekten im Jahr 1841 acht marmorne Figurengruppen als Schmuck. Schinkel hatte sie als "herrliche Erinnerung an den Kampf für Freiheit und Selbständigkeit" konzipiert, um das Bildprogramm der Neuen Wache fortzusetzen. Der sparsame König Friedrich Wilhelm III. indes hatte für derlei Verschönerung wenig übrig. Sein Sohn Friedrich Wilhelm IV., der 1840 den Thron bestieg, vollendete verschiedene Bauten und Denkmalprojekte seines Vaters. Dazu gehörte auch der Marmorschmuck der Schlossbrücke, mit der die als Via triumphalis konzipierte und auf das Stadtschloss zulaufende Straße Unter den Linden großartig abgeschlossen wurde.

Die vier Eckgruppen der Schlossbrücke schildern, wie die geflügelte Siegesgöttin Nike einem Knaben Heldensagen erzählt und ihn auf das Kriegshandwerk vorbereitet (Bildhauer: Emil Wolff, 1847), den Sieger bekrönt (Friedrich Drake, 1853), den Verwundeten aufrichtet (Ludwig Wichmann, 1853) und den gefallenen Krieger zum Olymp trägt (August Wredow, 1847). Zu diesen Gruppen gesellten sich vier Mittelgruppen mit Frauengestalten ohne Flügel: Athena unterrichtet den Jüngling im Waffengebrauch (Hermann Schievelbein, 1853), bewaffnet den Krieger (Karl Heinrich Möller, 1851), führt den Jüngling in den neuen Kampf (Albert Wolff, 1853) und beschützt den jungen Helden (Gustav Blaeser, 1854).

Kampf der Geschlechter mit Besen und Kochlöffel

Ursprünglich waren gusseiserne Heldenfiguren als Brückenschmuck geplant. Das korrosionsanfällige Metall war damals als "patriotischer Stoff" geschätzt, weshalb das 1813 gestiftete und von Schinkel gestaltete Eiserne Kreuz der Befreiungskriege sowie zahlreiche Krieger- und Grabmale und nicht zuletzt filigraner Schmuck aus diesem Metall gefertigt wurden. Allerdings warnte Schinkel davor, die "sehr schönen nackten Jünglings- und Weibergestalten in diesem rauhen und der Farbe nach unerfreulichem Metall ausgeführt zu sehen", weshalb man Marmor nahm, was die Restauratoren heute vor große Herausforderungen stellt.

Man hätte denken können, die Berliner seien über den edlen Brückenschmuck begeistert gewesen. Doch ihr Urteil war eher negativ. Die nackten Kerle da oben mussten sich allerhand Spott gefallen lassen. So gab es bei den Schlossbrückenfiguren manche Verballhornung und humoristische Neuinterpretationen. Der "Kladderadatsch", in solchen Dingen immer vorneweg, riet, man möge den Helden gefälligst "anständigere und wärmere Kleidung" verpassen. Karikaturisten nutzten die Brückenfiguren, um den Kampf der Geschlechter mit Besen und Kochlöffel sowie menschliche Eitelkeiten aufs Korn zu nehmen. Miesepetrige Moralapostel gingen noch einen Schritt weiter. Sie erregten sich über die nackten Muskelmänner und forderten mehr Sittsamkeit. Ein selbsternannter Kunstrichter behauptete, Berliner Mädchen würden angesichts der schamlos präsentierten Nacktheiten auf die schiefe Bahn geraten, weshalb Familienväter gut daran täten, um die Brücke einen Bogen zu machen. Man behauptete, das Volk würde die "griechischen" Götterbilder nicht verstehen, und außerdem würden sie sich, mit Schnee bedeckt, im rauhen Klima des Nordens "curios" ausnehmen. In den Chor der Kritiker stimmte der Historiker Leopold von Ranke ein, als er mit Blick auf die "schamlosen, nichtdeutschen Bildsäulen" forderte: "Endlich muss auch das Nackte, Unsittliche....und alles, was der Geschichte zuwiderläuft, alles das, was mit dem Zustande unserer Bildung nicht in Einklang steht, hinausgeworfen werden". Ranke forderte die Bildhauer auf, nicht mehr "Knechte jener hellenischen Bildhauer" zu sein, sondern in die "Tiefen altdeutscher Kunst" hinabzusteigen.

Der bekannte Berliner Satiriker Adolf Glaßbrenner machte sich Mitte des 19. Jahrhunderts spezielle Gedanken über Sinn und Zweck von Kunst und kam damit auch auf die Berliner Schlossbrückenfiguren zu sprechen. In dem Text "Was von der Kunst zu halten ist" schreibt Glaßbrenner, den mal auch einen Tucholsky des 19. Jahrhunderts kannte, alle Kunst sei keinen Dreier wert, wie denn auch die Künstler gemeiniglich Lotterbuben und Bummler sind, die ihren Beruf verfehlt haben. "Und sind sie eine große Plage für den Staat und die konservativen Bürger, daher es denn am besten wäre, dass man sie alle miteinander über die Grenze schaffte. Besonders scheußlich ist, was man die alte Kunst nennt und was von den alten Griechen und Römern, welche grimmige Helden waren, erfunden ist. Das ist alles gemein und splitternackicht und ist vieles ejusdem generio [gleichartig, H. C.] auch noch in unsern Zeitläuften gemacht worden, so dass ein sittsames Mägdelein, wenn sie über die Schlossbrucken geht, nicht weiß, wo sie die Augen lassen soll und in ihrer Verlegenheit gewöhnlich von den Omnibussen überfahren wird. Alles dergleichen darfst du nicht anschauen, sondern gehe vorüber und schlage ein Kreuzlein."

Rückkehr auf die alten Sockel

Jahrzehntelang musste die Brücke ohne ihren Schmuck auskommen. Erst 1983 und 1984 kamen die im Zweiten Weltkrieg abgebauten und deponierten Figuren im Rahmen eines Kulturgüteraustauschs aus dem damaligen Westteil der Stadt nach Ostberlin zurück. Nachdem die Standbilder restauriert waren, hat man sie auf die Marx-Engels-Brücke gestellt, die seit 1990 wieder Schlossbrücke heißt. Im Wendejahr 1989 erhielten die Sockel ihre runden Reliefs zurück. Sie stellen Adler im Kampf mit Schlangen dar und symbolisieren die Befreiungskriege, in denen die französische Fremdherrschaft beendet wurde.

Umfangreiche Reinigungs- und Restaurierungsmaßnahmen begannen 2006. Dabei wurden dicke Schmutzschichten auf den Marmorgruppen entfernt, außerdem erhielt der helle Stein eine Imprägnierung, die ihn vor saurem Regen, schädlichen Einflüssen durch Mikroorganismen und Anschlägen von Graffitischmierern schützt. Die Arbeiten waren und sind Teil eines vom Landesdenkmalamt auf mehrere Jahre konzipierten Sanierungsprogramms für Skulpturen, die in der Straße Unter den Linden, auf dem Gendarmenmarkt und in angrenzenden Bereichen unter freiem Himmel stehen. Da die Schlossbrücke und ihr Skulpturenschmuck zum Besten gehört, was in Berlin je geschaffen wurde, zerbrechen sich Fachleute den Kopf darüber, wie sie vor allem in der kalten und feuchten Jahreszeit durch eine Art Mantel vor Witterungsunbilden geschützt werden können. Denn unter freien Himmel erleiden die acht Marmorgruppen und viele andere Skulpturen Jahr für Jahr Substanzverluste. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden neben dem Zustand des carrarischen Marmors auch die Standsicherheit und die Statik der Schlossbrückenfiguren untersucht. Dazu gehörte auch die Frage, welche nicht immer geeignete Reinigungs- und Konservierungsmittel früher verwendet wurden. Außerdem führen die Experten Messungen durch, um eine genaue Aussage über den Zustand im Innern der Figuren zu erhalten. Nach Aussagen des Landedenkmalamtes ist es erforderlich, sie im Winter durch eine Einhausung zu schützen, ähnlich wie es bereits bei den Marmordenkmälern von Alexander und Wilhelm von Humboldt und den Standbildern der Generale Scharnhorst und Bülow Unter den Linden geschieht. Das Forschungsprojekt "Entwicklung und Überprüfung von Einhausungssystemen zur Reduzierung umweltbedingter Schädigungen von außenexponierten Marmorobjekten" wird durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt gefördert und zielt darauf ab, in einem Modellvorhaben mit der TU Dresden, der Universität Göttingen und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin ein "innovatives Wintereinhausungssystem für die Schlossbrückenskulpturen" zu entwickeln.

Mit den 1822 beiderseits der Neuen Wache aufgestellten Denkmälern der Generale Bülow und Scharnhorst bildete der tempelartige Bau schon im frühen 19. Jahrhundert eine Erinnerungsstätte für die Gefallenen der Befreiungskriege von 1813 bis 1815. Schinkel hatte sich bei der Gestaltung der zum Schutz des Schlosses bestimmten Soldatenunterkunft an antiken Bauten orientiert. Der Giebelschmuck symbolisiert Heldentum und Untergang im Krieg. "Eine Victoria entscheidet in der Mitte für den rechts kämpfenden Helden; links ist dargestellt: letzte Anstrengung, Aufmunterung zum Kampf, Flucht, Raub und Schmerz der Familie, die ihre Schicksal erwartet; rechts sieht man Überwältigung und Trauer um einen gefallenen Helden", beschrieb der Architekt das Relief. Vervollständigt wurde das Ensemble durch die von Schinkel entworfene Schlossbrücke, deren antikisierender Figurenschmuck ebenfalls die Kämpfer von 1813 bis 1815 ehrt.

13. März 2018

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