Das Unglück lag auf der Lauer
Münzturmdebakel kostete 1706 Andreas Schlüter die Stellung, und es folgten noch manch andere Baukatastrophen



Der von Andreas Schlüter so kunstsinnig entworfene Münzturm ganz im Stil des Hochbarock misslang vor allem wegen des schwankenden, unsichereren Berliner Baugrunds, der bis heute Bauleute und Statiker die Arbeit schwer macht.



Ein authentisches Porträt von Schlüter ist nicht bekannt, dessen ungeachtet erscheint der Bildhauer und Schlossbaumeister mit Künstlerkollegen vor Friedrich I. auf einem Relief im Treppenhaus der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel. Im Hintergrund ist ein Modell von Schlüters Meisterwerk, das Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten, zu erkennen.



Als König Friedrich I. 1713 starb, ging eine Zeit des Glanzes und der Baufreude zu Ende. Nachfolger war der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., der sich aufs "Sparen und Plusmachen" verlegte und aus Spreeathen ein Sparta des Nordens machte.



Als 1781 der Turm der Deutschen Kirche auf dem Gendarmenmarkt während der Bauarbeiten einstürzte, schob König Friedrich II., der Große, die Schuld an dem Unglück unfähigen Bauleuten zu. Diese wiederum gaben schlechtes Baumaterial und sumpfigen Untergrund. In den 1980er Jahren erlebten der Deutsche und der Französische Dom sowie das Schauspielhaus ihre Wiedergeburt.



Die imposante Petrikirche auf dem gleichnamigen Platz stand auf ältestem Berliner Siedlungsgebiet. Im Zweiten Weltkrieg zerstört und 1964 abgerissen, sind von ihr nur Beschreibungen und sowie historische Bilder übrig geblieben. Die Gemeinderäume befinden sich in einem Gebäude in der Neuen Grünstraße, wo auch die Gottesdienste abgehalten werden. Die Grafik aus der Zeit um 1800 zeigt das bunte Treiben auf der Brüderstraße, die zur Petrikirche führt.



Die Französische Kirche (Foto) und die Deutsche Kirche, volkstümlich auch Dom genannt, sind besondere Highlights in der Berliner Innenstadt.



Der Bildhauer Gorch Wenske modellierte nach alten Vorlagen die vergoldete Figur der triumphierenden Religion, die 1982 noch ohne Kopf mit einem Kran auf den Kuppelturm der Französischen Kirche gehoben wurde.



Die vergoldete Kuppel der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße ist von vielen Stellen der Innenstadt zu erkennen. (Fotos/Repro: Caspar)

Mit dem Plan, dem in einen prächtigen barocken Palast verwandelten ehemaligen Renaissance-Schloss an der Spree einen großen, weit sichtbaren Glockenturm anzufügen, sind König Friedrich I. von Preußen und sein Schlossbaumeister Andreas Schlüter vor über dreihundert Jahren grandios gescheitert. Eigentlich war Schlüter Bildhauer, doch was der bauwütige Monarch von ihm verlangte, nämlich einen Turm an der nordwestlichen Ecke des Schlosses "zum Schmucke der Stadt und zu öffentlichem Nutzen" zu errichten, wie Schlüter 1702 schrieb, überstieg offenbar seine Fähigkeiten. Der schlanke Campanile sollte an Stelle der früheren Wasserkunst zur Versorgung der Brunnen und Fontänen im Lustgarten errichtet werden. Da hier auch eine Münzwerkstatt untergebracht war, hieß der aus der Renaissance stammende, recht kompakte Bau auch Münzturm.

Friedrich I. wollte in den neuen Münzturm ein Glockenspiel einbauen lassen, außerdem sollte er die Wasserspiele auf dem Lustgarten gegenüber dem unterhalten. Als Schlüter im Jahr 1706 den Münzturm bis zur Höhe von 70 Metern aufgeführt hatte, brach er in sich zusammen. Der König war außer sich vor Wut. Er ließ nicht den Einwand gelten, dass die Planungen gut, das Erdreich aber instabil ist, ein Umstand, der bis auf den heutigen Tag auch andere Bauprojekte gefährdete oder unmöglich machte.

König war außer sich vor Wut

Schlüter musste den Versuch wiederholen. Er verstärkte die Fundamente und versuchte, dem Turm durch seitliche Anbauten zusätzlichen Halt zu geben und die Lasten aufzufangen. Erneut wurde der Campanile gebaut, doch zeigten sich schon bald neue Risse und Absenkungen. Das Bauwerk war nicht mehr zu retten und musste abgebrochen werden. Wutschnaubend entließ der König Schlüter als Schlossbaumeister, beschäftigte ihn jedoch weiter als Hofbildhauer. "Es hat mein Unglück bei diesem meinem Vornehmen auf mich gelauert […], indem bey meiner fleißigen und mühsamen Arbeit wider aller mein Vermuthen bey dem Thurm ein Eckpfeiler zu sinken […] sich angefangen", versuchte sich der unglückliche Baumeister seinem Herren zu erklären.

Friedrich I. gab seine Vision nicht auf, beauftragte Schlüters Nachfolger und Kontrahenten Eosander von Göthe, das Schloss mit einem repräsentativen, über hundert Meter hohen Kuppelbau zu bekrönen und damit der Stadt die ersehnte Höhendominante zu schenken, wiederum ausgestattet mit Glockenspiel und Wasserbehälter. Der Plan wurde nicht verwirklicht, weil es an Mut und Geld fehlte. Nach dem Tod des ersten Preußenkönigs (1713) stellte sein Sohn und Nachfolger, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., die kostspieligen und in seinen Augen auch nutzlosen Bauten seines prunkliebenden Vaters ein. In veränderter Form wurde die Idee der Schlosskuppel erst unter Friedrich Wilhelm IV. Mitte des 19. Jahrhunderts verwirklicht. Die eisernen Konstruktionsteile lieferte der Berliner Eisenbahnbauer August Borsig. Pech hatte der Soldatenkönig mit dem Turm der Petrikirche nach Plänen des Hofbaumeisters Johann Friedrich Grael. Er sollte mit 108 Metern das höchste Bauwerk Berlins werden. Allerdings stürzte er 1734 während des Baues ein. Erst 1852 wurde unter Friedrich Wilhelm IV. ein neuer Versuch gestartet - und hatte Erfolg. Der nunmehr 111 Meter hohe Petriturm nach Entwürfen von Johann Heinrich Strack und die dazu gehörige Kirche wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Danach wurde die Ruine abgetragen. Erhalten blieb als Zeugnis barocken Strebens nach Höhe und Wirkung der von Grael im frühen 18. Jahrhundert gebaute Turm der Sophienkirche. Ihr schlanker Turm prägt, zusammen mit der vergoldeten Kuppel der Neuen Synagoge an der Oranienburger Straße das Bild der Spandauer Vorstadt.

Unsicherer Baugrund war Schuld

Konstruktive Probleme gab es in der Spätzeit Friedrichs II., des Großen, mit den Kuppeltürmen auf dem Gendarmenmarkt. Sie sollten auf Wunsch des Königs der Deutschen und der Französischen Kirche (auch Dome genannt) angefügt werden und damit zur Verschönerung der Residenz beitragen. Das ehrgeizige Projekt brachte dem Architekten Karl von Gontard wenig Glück. Am 28. Juli 1781 stürzte der schon zur Hälfte aufgerichtete Turm der Deutschen Kirche ein, und auch beim Mauerwerk des Turms der benachbarten Französischen Kirche zeigten sich bedrohliche Risse. Fuchsteufelswild entließ der König Gontard und betraute seinen Kollegen Georg Christian Unger mit dem Neubau. Eine Untersuchung ergab, dass der Deutsche Turm, wie man sagte, auf Grund von Materialmängeln, schlechtem Baugrund und nachlässiger Ausführung zusammengebrochen war. Beide Turmreste wurden abgetragen und unter Vermeidung der alten Fehler noch einmal errichtet und 1785 vollendet. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, erlebten die mit vergoldeten Figuren gekrönten Türme in den 1980er Jahren ihre Wiedergeburt.

In der älteren Berliner Baugeschichte hat es in weitere Versuche gegeben, durch Türme und Kuppeln zu prunken. Der Ende des 18. Jahrhunderts neogotisch umgestaltete Turm der Marienkirche ist ein solches Beispiel. Nach den Befreiungskriegen wurde Karl Friedrich Schinkel beauftragt, auf dem Spittelmarkt einen hoch aufragenden, den Helden der Befreiungskriege gewidmeten Dom zu errichten, doch blieb es bei dem Plan, denn die Kosten waren zu hoch, und Preußen musste sparen. Ausgeführt wurde später unter Leitung von nach Plänen von Hermann Friedrich Waesemann das 1869 eingeweihte Rote Rathaus an Stelle eines Konglomerats von uralten Verwaltungsgebäuden, in denen es sich mehr schlecht als recht arbeiten ließ. Sein repräsentativer Mittelturm bestimmte lange die Silhouette der sich nach dem deutsch-französischen Krieg (1870/71) stark entwickelnden Reichshauptstadt. Erwähnt sei der 1905 eingeweihte Dom am Lustgarten, dessen mächtige Kuppel die Innenstadt beherrscht. Beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die schlanke Laterne durch ein Kreuz auf vergoldetem Postament ersetzt.

Auch das 1904 auf der Spitze der Museumsinsel eingeweihte Kaiser-Friedrich-Museum, seit 1956 Bodemuseum, besitzt überm Eingangsraum eine riesige Kuppel, die im Zusammenhang mit der Generalsanierung des Museums seine Goldkrönchen zurück bekam. Während diese Kuppel denkmalgerecht saniert und restauriert wurde, erhielt die Kuppel des Reichstagsgebäudes nach Plänen des britischen Stararchitekten Sir Norman Foster eine ungewöhnliche Form, die von den Berlinern sofort mit einer Zitronenpresse verglichen wurde. Was alle übrigen Kuppeln in Berlin nicht können, bietet die gläserne Reichstagskuppel - man kann sie von innen begehen und hat, je höher man kommt, einen immer besseren Überblick auf Berlin. Für alle Berliner und Besucher der Hauptstadt ist sie ein "Muss".

Seit Jahren wird auf dem Petriplatz im Herzen Berlins gegraben. Auf dem im ausgehenden 12. Jahrhundert besiedelten Terrain sollen neue Wohn- und Geschäftshäuser entstehen. Dass hier bis zum Zweiten Weltkrieg urbanes Leben pulsierte, dass hier schon im Mittelalter die Petrikirche, einen Friedhof und eine Lateinschule gab, wissen eigentlich nur Fachleute. Der als archäologische Sensation deklarierte Fund eines etwa 800 Jahre alten Holzbalkens erhärtet einmal mehr, was Historiker und Archäologen bereits wissen, dass nämlich Berlin weitaus älter ist als es die ersten urkundlichen Erwähnungen von 1237 für Cölln und 1244 für Berlin glauben machen.

18. September 2018

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