Zerschlagen, ausgeraubt, ermordet
Berliner Gewerkschafter gedachten am 2. Mai 2018 der Erstürmung ihrer Häuser vor 85 Jahren durch Nazischläger







Die Tafeln am Haus der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie in der Ecke Inselstraße/Wallstraße unweit des U-Bahnhofs Märkisches Museum erinnern an Theodor Leipart und die Zerschlagung der freien Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten am 2. Mai 1933.



Nach getaner "Arbeit" posieren SA-Leute vor einer Berliner Gewerkschaftsbank. Als Hilfspolizisten im Dienst der Reichsregierung mussten sie für ihre Verbrechen keine Konsequenzen befürchten. Sie hatte den Schlägern Straffreiheit und Belohnungen zugesichert.



Die Nazipresse jubelte, als die KPD, SPD, die freien Gewerkschaften und alle anderen Oppositionsgruppen niedergeknüppelt und ausgeschaltet waren. Die Schautafel ist in der Topographie des Terrors an der Niederkirchnerstraße in Berlin-Kreuzberg zu sehen. (Fotos: Caspar)



Der Deutsche Gewerkschaftsbund Berlin-Brandenburg gedachte am 2. Mai 2018 der Erstürmung aller Gewerkschaftshäuser im Deutschen Reich vor 85 Jahren durch die nationalsozialistischen Machthaber. SA-Schläger hatten am 2. Mai 1933 schlagartig Büros, Banken und Redaktionen besetzt und viele Gewerkschaftsfunktionäre verhaftet. Das Vermögen der Gewerkschaften wurde enteignet, und zahlreiche Gewerkschaftsmitglieder wurden vom NS-Terrorregime verfolgt und in die Konzentrationslager verschleppt, wo eine unbekannte Zahl ermordet wurde. Zwei Gedenktafeln an der Fassade eines Gewerkschaftsgebäudes an der Inselstraße unweit des U-Bahnhofs Märkisches Museum halten die Erinnerung wach. Die eine Tafel erinnert daran, dass Theodor Leipart, der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), an jenem 2. Mai 1933 bei der Zerschlagung der Gewerkschaften verhaftet wurde. Die andere, von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie angebrachte Tafel erinnert unter dem Motto "Der Zukunft verpflichtet - Für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität" an die Zerschlagung der freien Gewerkschaften durch die Nazis und ehrt jene Menschen, die damals Freiheit und Leben verloren haben.

Dass der 1. Mai als Kampftag der Arbeiter begangen wird, geht auf einen Beschluss der II. Internationale von 1889 zurück. Die Initiative bezog sich auf die USA, wo am 1. Mai 1886 Arbeiter zum Generalstreik aufgerufen haben. Das Datum war nicht zufällig gewählt, denn bereits am 1. Mai 1856 fanden in Australien Massenproteste für den Achtstundentag statt. Die Antwort der Unternehmer waren Aussperrungen der Streikenden, und die Regierungen setzten Militär ein, um die Aktion im Keim zu ersticken, was aber nicht gelang. Die Ausrufung des 1. Mai 1890 als Protest- und Kampftag geschah, um an die mutigen Amerikaner zu erinnern, die sich gegen die unhaltbaren Zustände in den USA wehrten und dabei Opfer zu beklagen hatten.

Auch im deutschen Kaiserreich verliefen die Protestmärsche im Zeichen der roten Nelke am 1. Mai nicht ohne Komplikationen. Kaiser Wilhelm II. und die Reichsregierung sowie die deutschen Bundesfürsten und natürlich die Wirtschaftsbosse sahen in den Protestmärschen eine Gefahr und drohten den Teilnehmern mit Sanktionen, denn der 1. Mai war noch weit von einem gesetzlichen Feiertag entfernt. Ihn einzuführen scheiterte 1919, nach dem Ende der Monarchie, am Widerstand bürgerlicher Kräfte.

Bezeichnenderweise haben die Nationalsozialisten den 1. Mai 1933 zum "Tag der nationalen Arbeit" erhoben und gesetzlich festgeschrieben. Propagandaminister Joseph Goebbels befand in seinem Tagebuch angesichts von eineinhalb Millionen zum Tempelhofer Feld gekommenen Menschen, ein "toller Rausch" habe sie erfasst. Unterschiede seien verwischt, "nur ein deutsches Volk marschiert". Und dann fügte er seiner euphorischen Beschreibung die Ankündigung hinzu: "Morgen werden wir nun die Gewerkschaftshäuser besetzen. Widerstand ist nirgends zu erwarten. Der Kampf geht weiter!" Das alles geschah mit dem klaren Ziel, ihn für eigene Zwecke und zur Festigung der Volksgemeinschaft nach dem Motto "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" zu nutzen.

Die zeitliche Nähe der Nazi-Maßnahmen gegen die freien Gewerkschaften zum 1. Mai 1933 war beabsichtigt, Hitler und seine Leute setzten damit ein Zeichen für die Gleichschaltung aller Deutschen unter dem Hakenkreuz. Den von Verbot, Terror und Mord betroffenen Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaften und anderen oppositionellen Gruppen war die Teilnahme an den Maifeiern untersagt. Die unter Vormundschaft der Nazis stehenden Medien verteufelten sie als Volksschädlinge und Volksfremde, warben aber für den Eintritt der Mitglieder in die eigenen Organisationen, was dann auch massenhaft mehr oder weniger freiwillig geschah.

Die Gleichschaltung der Gewerkschaften wurde vom "Aktionskomitee zum Schutz der deutschen Arbeit" mit Robert Ley an der Spitze in die Wege geleitet, der sich alsbald zum Führer der Deutschen Arbeitsfront mit 25 Millionen Mitgliedern aufschwang. Betriebsratswahlen im März 1933, bei denen die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) nur ein Viertel der Stimmen erhielt, hatten verdeutlicht, dass die NSDAP bei den Arbeitern in städtischen Großbetrieben wenig Rückhalt besitzt. Daher war für die Sicherung ihrer Herrschaft die Zerschlagung der gewerkschaftlichen Strukturen der Arbeiterschaft ein Gebot der Stunde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der von den Nazis diskreditierte 1. Mai nicht abgeschafft, sondern in beiden deutschen Staaten unter anderen Vorzeichen gefeiert.

3. Mai 2018

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