Schlafendes Königskind
Johann Gottfried Schadows berühmtes Grabmal des Grafen von der Mark in der Alten Nationalgalerie







Ein besonderes Schaustück in der Alten Nationalgalerie ist das von Johann Gottfried Schadow geschaffene Grabmal des Grafen Alexander von der Mark.



Friedrich Wilhelm II. von Preußen war ein wahrer Lebemann und überließ das Regieren zwielichtigen Machtmenschen. In den Kriegen gegen das revolutionäre Frankreich unglücklich agierend, starb er 1797 nach nur elfjähriger Regierungszeit. Das Foto zeigt ihn und die Gräfin Lichtenau in einer Ausstellung der Preußischen Schlösserstiftung, die im Neuen Palais gezeigt wurde.



Die Grafik feiert den "Vielgeliebten" im Kreise seiner Familie, allerdings sind nur seine legitimen Kinder, die "unschicklichen" Beziehungen entstammenden Kinder des Königs lebten im Verborgenen.



Johann Gottfried Schadow blickt von der Fassade seines Wohn- und Atelierhauses an der Schadowstraße 10 unweit des Brandenburger Tors auf die Passanten herab. (Fotos/Repro: Caspar)

Der preußische König Friedrich Wilhelm II. war ein lebenslustiger Herr, der nichts ausließ. Mit seinen Mätressen hatte er mehrere nicht standesgemäße Kinder, um die er sich liebevoll kümmerte. Ein Sohn war ihm besonders ans Herz gewachsen - Graf Alexander von der Mark. Der mit Wilhelmine Encke-Rietz, der späteren Gräfin Lichtenau, gezeugte Knabe 1787 starb im zarten Alter von fast neun Jahren. Am Berliner Hof wurde gemunkelt, dass er vergiftet wurde, um ihn als möglichen Erben seines königlichen Vaters auszuschalten. Die wahre Todesursache für den Jungen, der kein richtiger Prinz und daher auch den Hohenzollern nicht ebenbürtig war, wird man nie erfahren. Doch steht fest, dass der im Volksmund "dicker Wilhelm" genannte Vater sehr getrauert hat. Zur Erinnerung an seinen Liebling ließ ein aufwändig gestaltetes Grabmal errichten, das in der Dorotheenstädtischen Kirche in Berlin aufgestellt wurde. Schöpfer war der Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow, dem wir unter anderem die Quadriga vom Brandenburger Tor, die Marmorgruppe der aus Strelitz stammenden und mit zwei Preußenprinzen verheirateten Prinzessinnen Luise und Friederike verdanken. Das marmorne Grabmal ist eines der bedeutendsten Werke dieses Künstlers. Umfassend restauriert , befindet sich im dritten Ausstellungsgeschoss der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel.

Der Entwurf für das ungewöhnliche Grabmal geht auf den Berliner Hofbildhauer Tassaert zurück, der 1788 starb. Sein Nachfolger, der erst 24jährige Schadow, wurde vom König mit der Ausführung beauftragt. Es entstand ein wahres, sorgsam bis in die letzten Falten gearbeitetes Meisterwerk. Verwendet wurden weiß-rötlicher und grauer Marmor aus Schlesien, den man als "vaterländisches" Gestein schätzte, sowie weißer carrarischer Marmor. Das dreigeteilte Grabmal zeigt oben in einem Rundbogen drei antike Schicksalsgöttinnen. Zwei dieser Parzen spinnen und durchtrennen den Lebensfaden, die dritte liest im Buch des Schicksals. In der Mitte ruht der kleine Graf von der Mark, ein Schwert in der Hand haltend, als würde er schlafen. Das Relief auf dem Sarkophag zeigt, wie der langbärtige Zeitengott Chronos den Knaben in die Unterwelt entführt. Der aber wehrt sich und möchte im Diesseits bleiben. Vergeblich bittet er die thronende Minerva um Hilfe, die einen Adlerschild hält und daher auch eine Borussia sein kann. Auf den schmalen Seitenflächen sind der Genius des Todes und der Genius des Schlafes als geflügelte Jünglinge dargestellt, kenntlich an einer gesenkten Fackel und einer Mohnpflanze.

Inkunabel klassizistischer Bildhauerkunst

In der Kriegs- und Nachkriegszeit waren vom Grabmal einige Details beschädigt oder ganz verloren gegangen, etwa Finger, Gewandfalten und Blätter der Girlanden. Sie mussten bei der Restaurierung aus Marmor neu gefertigt werden. Die an das Original mit einem reversiblen Kleber angesetzten Details sind als Ergänzungen von heute nicht zu erkennen. Das in acht Teile zerbrochene Schwert, das der kleine Graf hält, wird mit einer für den Betrachter unsichtbaren Stahlschiene zusammengehalten. Kenner loben das 1790 vollendete, 6,20 Meter hohe Grabmal als Inkunabel klassizistischer Bildhauerkunst. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs stand es in der Dortheenstädtischen Kirche in Berlin. Das von Bomben getroffene Gotteshaus wurde 1965 abgerissen, seine Umrisse sind heute im Straßenpflaster an der Neustädtischen Kirchstraße zu erkennen. Es wird erzählt, dass Friedrich Wilhelm II. seinen toten Sohn im Berliner Dom, neben den Hohenzollernsärgen, bestatten lassen wollte. Doch da der Knabe ein illegitimes Kind war, das zudem unter nie ganz geklärten Umständen starb, wurde seinem Sarkophag die Dorotheenstädtische Kirche zugewiesen, die bis zu ihrer Zerstörung auch andere bedeutende Grabmäler barg.

Als das Grabmal des Grafen von der Mark im Jahr 1790 von Schadow vollendet und signiert war, hat man es in einer Nische der Kirche aufgestellt. In seinem Erinnerungsbuch "Kunstwerke und Kunstansichten" erzählt der Bildhauer, dass die Gräfin Lichtenau gekommen sein und die Figur ihres Sohns geküsst habe. Jahre später, nach dem Tod ihres königlichen Geliebten und Beschützers, musste sie allen Hass und Verachtung der Hohenzollernfamilie über sich ergehen lassen. Eine achteckige Schrifttafel über der Liegefigur verkündet, dass hier Alexander Graf von der Mark bestattet ist, "begleitet von den Tränen des Vaters, mit ungewöhnlichen Tugenden geschmückt, in edlen Künsten frühzeitig unterrichtet". Dass der Junge aus dem Weg geräumt wurde, weil er der Hohenzollernclique im Wege stand, bleibt unerwähnt. Da die Inschrift lückenhaft war, hat ein Bronzegießer bei der Restaurierung verschiedene Buchstaben neu gefertigt.

26. Juli 2018

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