Fortuna krönt das Alte Stadthaus
Antike Göttin auf der Turmspitze spendet den Berlinern aus ihrem Füllhorn Wohlstand und Glück



Auf die Turmkuppel des Alten Stadthauses kehrte vor einigen Jahren die nach historischen Vorlagen neu gefertigte kupferne Fortuna zurück.



Die steinernen Bürgertugenden schmücken, wegen ihrer Riesenhaftigkeit von weitem gut sichtbar, den Fuß des Turms.





Das Neue Stadthaus gehört zu den markanten Denkmälern der Berliner Kommunal- und Architekturgeschichte. Der nach dem Berliner Wappentier benannte Bärensaal konnte zu großen Teilen wiederhergestellt werden, und auch die in Stein gemeißelten Lebensweisheiten über dem Umgang sind wieder lesbar.



Die Berliner Gedenktafel aus der Königlichen Porzellanmanufaktur ehrt am Eingang des Neuen Stadthauses gleich beim U-Bahnhof Klosterstraße Stadtbaurat Ludwig Hoffmann und erwähnt einige seiner wichtigen Schöpfungen vom Märkischen Museum bis zum Friedhof der Märzgefallenen. (Fotos: Caspar)

Als 1869 das Rote Rathaus in Berlin eingeweiht wurde, zeigte sich sehr schnell, dass die Stadtverwaltung mit dem Platz nicht auskommt. Ein neuer Verwaltungsbau musste her. Geschmückt durch einen riesigen Turm, avancierte das Alte Stadthaus zu einem besonders markanten Wahrzeichen der Hauptstadt. Um Platz für den nach Plänen des Stadtbaumeisters Ludwig Hoffmann errichteten Monumentalbau und die dort tätigen Kommunalbeamten zu schaffen, wurden zahlreiche historische Gebäude abgerissen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, den das Alte Stadthaus beschädigt überstanden hatte, zog der Ostberliner Magistrat ein. Das Haus avancierte nach 1949 zum Sitz des DDR-Ministerpräsidenten. Noch heute kann man an einem Fleck über dem Eingang sehen, wo das DDR-Wappen befestigt war. Aus der wechselvollen Geschichte des Stadthauses ist überliefert, dass während der Nazizeit eine couragierte protestantische Hausmeisterfamilie verfolgte Juden in den unübersichtlichen Kellerbereichen versteckt und ihnen zur Flucht ins Ausland verholfen hat.

Als nach der Wiedervereinigung von 1990 das nunmehr von der Senatsinnenverwaltung genutzte Stadthaus umfassend saniert wurde und auch sein monumentales Dach zurück erhielt, hat man den Bärensaal entkernt und ihm so Reste seiner edlen Innenausstattung einschließlich einer bronzenen Bärenfigur zurückgegeben. Krönender Abschluss der Arbeiten war vor einigen Jahren die Installierung einer überlebensgroßen Fortuna-Figur auf der Kuppel des Stadthausturms sowie von monumentalen Kalksteinfiguren, die so genannte Bürgertugenden wie Kraft, Stärke, Mut und Bürgersinn symbolisieren. Der Figurenschmuck war 1976, als das Stadthaus Sitz des DDR-Ministerpräsidenten Stoph war, wegen seines schlechten Zustandes abgebaut und ins Depot verbannt worden. Bei dem 80 Meter hohen Turm, auf dem die Glücksgöttin ihr Füllhorn auf die Stadt entleert, hat sich Ludwig Hoffmann an den aus dem späten 18. Jahrhundert stammenden Kuppeltürmen des Deutschen und Französischen Doms auf dem Gendarmenmarkt orientiert.

Nach alten Vorlagen neu geschaffen

Für die Wiederherstellung des Kuppelschmucks spendete der Berliner Unternehmer Peter Dussmann 125 000 Euro. Letztmalig ist die Existenz der originalen Treibarbeit aus dünnem Kupferblech für das Jahr 1962 bezeugt, danach verliert sich ihre Spur. Da die 3,25 Meter hohe Glücksgöttin des Bildhauers Ignatius Taschner verloren war, wurde sie nach historischen Fotos und einem kleinen Modell in der Werkstatt des Adlershofer Metallrestaurators Bernd-Michael Helmich in Kupfertreibarbeit neu geschaffen. Heute teilen sich das Alte Stadthaus die Senatsverwaltung für Inneres und das Landesdenkmalamt Berlin, das die Erneuerung des Hauses fachlich begleitet und dafür gesorgt hat, dass dieses herausragende Zeugnis der Berliner Architektur- und Kulturgeschichte fast so aussieht wie vor hundert Jahren.

Für die stadträumliche Wirkung des Turms war die Wiederherstellung des aus Helden des alten Troja bestehenden Figurenschmucks von herausragender Bedeutung. Der marode Zustand der von Wilhelm Wiedemann und Josef Rauch aus empfindlichem Kirchheimer Muschelkalk gemeißelten Bürgertugenden machte es erforderlich, die Figuren aufwändig zu festigen. Das Bildprogramm der Plastiken vereint antike und christliche Themen, und wenn man sich den reichen Schmuck genau anschaut, erkennt man in ihm auch die Aufforderung zu Humanität und Toleranz.

Das 1902 bis 1911 nach Plänen des Berliner Stadtbaurats Ludwig Hoffmann als Vierflügelanlage auf leicht trapezförmigem Grundriss zwischen Jüdenstraße, Parochialstraße, Klosterstraße und Stralauer Straße errichtete Bürogebäude der Berliner Stadtverwaltung war mit repräsentativen Festsälen ausgestattet. Prunkstücke sind die Große Festhalle, besser bekannt als Bärensaal, sowie die Vestibüle an der Jüdenstraße und an der Klosterstraße. In DDR-Zeiten ging man mit diesen kostbar dekorierten Räumen wenig pfleglich um. Der Bärensaal wurde ein im Stil der fünfziger Jahre gestalteter öder Versammlungsraum des Ministerrates. Die edel dekorierten Wände und Decken verschwanden hinter Verkleidungen und Einbauten verschwunden. Verloren gingen prunkvolle Kandelaber, bronzene Portalgitter und der Marmorfußboden, während ein von dem Bildhauer Georg Wrba geschaffener Bär aus Bronze in den Tierpark Friedrichsfelde abgeschoben wurde. Das Berliner Wappentier kehrte 2001 nach 42jähriger Abwesenheit wieder an seinen Stammplatz zurück.

Fromme Sprüche an der Wand

Nach Beseitigung der Einbauten aus DDR-Zeiten und der Entfernung von Eisenträgern, Pappen und Spanplatten bei der von dem Architekten Gerhard Spangenberg geleiteten Generalsanierung des Stadthauses zeigte sich, dass die Gesimse und der plastische Schmuck beschädigt, aber nicht beseitigt waren. Sichtbar wurden auch die aus dem Alten Testament entnommenen Sprüche auf den Wandreliefs. Da zum Glück mehr verbrettert als vernichtet wurde, können Besucher wieder die ursprüngliche Feierlichkeit und Würde dieser Räume erleben und sich in Spruchweisheiten wie "Mancher ist arm bei großem Gut, und mancher ist reich bei seiner Armut" oder "Es ist besser ein Gericht Kraut mit Liebe, denn ein gemästeter Ochse mit Hass" vertiefen. Das Ergebnis der Restaurierung der Innenräume gilt als gelungenes Beispiel für den behutsamen, im Hoffmannschen Sinne zur "Nachachtung" empfohlenen Umgang mit diesem bedeutenden und vielfach geschundenen Baudenkmal. Die Originalsubstanz ist mit ihren Verletzungen erhalten, die Spuren der Geschichte bleiben sichtbar. Nicht geschlossen hat man die Löcher für die Träger einer ehemaligen Zwischendecke. Die Köpfe über einzelnen Türen, denen man die Gesichter abgeschlagen hatte, um Wandverkleidungen anbringen zu können, behalten, demoliert wie sie sind, ihren Zeugnischarakter.

19. September 2018

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