"Wir können nichts machen"
Im Streit um die Neugestaltung der Hedwigskathedrale setzt sich das Erzbistum Berlin durch / Deutsche Stiftung Denkmalschutz protestiert



Beim Wiederaufbau in den 1960er Jahren hat man auf die Rekonstruktion der Laterne mit dem Kreuz auf der Kuppel der Hedwigskirche am Bebelplatz verzichtet.







Die Medaille von 1773 und der Titel des Katholischen Kirchenblatts zeigen, wie die Hedwigskathedrale zur Zeit Friedrichs II. und im 20. Jahrhundert bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ausgesehen hat.



Berlins Mitte ist eine einzige Baustelle, da bleiben auch manche denkmalpflegerischen Standards auf der Strecke. Dass nicht auch der Innenraum der unter Schutz gestellten Hedwigskathedrale am Bebelplatz modernisierendem Bauwahn zum Opfer fällt, ist das Anliegen eines wohlbegründeten Protests der Wissenschaftlichen Kommission der Deutschen Stiftung Denkmalschutz mit Sitz in Bonn.



Beim Streit zwischen dem Erzbistum und der Denkmalpflege geht es um die geplante Schließung der Öffnung im Gottesdienstraum, durch die man über eine Treppe in die Krypta gelangt.



Das Erzbistum Berlin will den Gottesdienstraum der Hedwigskathedrale radikal umbauen. Gegen die Pläne und gegen die kompromisslerische Haltung der Landesregierung und des Berliner Denkmalschutzes richtet sich Widerstand. Das Foto oben zeigt den aktuellen Zustand, darunter ist am Modell zu sehen, wie sich die Spitzen des Erzbistums den Gottesdienstraum vorstellen. Danach sollen die Plätze sollen rund um den Altar im Kreis angeordnet werden.



Die Sankt-Josephs-Kirche an der Mülerstraße ist zentral gelegen und auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln wenige Schritte vom S- und U-Bahnhof Wedding entfernt gut zu erreichen und hat auch die nötige Größe. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Oberste Denkmalschutzbehörde des Landes Berlin sieht sich außerstande, die radikalen Umbau- und Neugestaltungspläne des Erzbistums Berlin für die denkmalgeschützte St. Hedwigs-Kathedrale auf dem Bebelplatz sowie das Bernhard-Lichtenberg-Hauses in Berlin-Mitte zu unterbinden. Entsprechende Pläne waren beim Bezirksamt Mitte von Berlin, Untere Denkmalschutzbehörde, eingereicht worden. Nach Prüfung der Unterlagen wollte das Bezirksamt dem Vorhaben teilweise entsprechen. Allerdings konnte das für die Erteilung der denkmalrechtlichen Genehmigung erforderliche Einvernehmen mit dem Landesdenkmalamt nicht erreicht werden, heißt es in einer von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa herausgegebenen Pressemitteilung. Aus ihr geht klar hervor, dass der Berliner Senat nach dem Motto "Wir können nichts machen" vor der Kirche kapituliert und sich mit Hinweis auf die "Rechtslage" aus der Affäre zieht, statt sich an die Spitze einer Bewegung f ü r den Erhalt der nach dem Zweiten Weltkrieg gefundenen und allgemein als vorbildlich gelobten Fassung der Kirche einzusetzen.

In einem solchen Fall entscheidet laut Senatskulturverwaltung nach dem Berliner Denkmalschutzgesetz die Oberste Denkmalschutzbehörde zwischen dem Bezirksamt und dem Landesdenkmalamt Berlin. Nach Betrachtung des Denkmals und intensiver Prüfung des Vorhabens kam die Oberste Denkmalschutzbehörde zu dem Ergebnis, dass die denkmalrechtliche Genehmigung für die Vorhaben weitgehend erteilt werden muss. "Die geplante Um- und Neugestaltung des Innenraums der St. Hedwigs-Kathedrale ist denkmalrechtlich weitgehend zulässig, weil das denkmalrechtliche Erhaltungsinteresse gegenüber dem kirchlichen Selbstorganisationsrecht zurücktreten muss", stellt Senator Klaus Lederer in der Mitteilung fest. Bei der umfangreichen Prüfung des Vorhabens sei aus verfassungsrechtlichen Gründen zu berücksichtigen gewesen, dass die Bestimmung der gottesdienstlichen Belange allein durch die Kirche erfolgt und die Denkmalbehörden nur noch übrig bleibt, den Sachverhalt festzustellen und die Baupläne in Bezug auf die geltend gemachten liturgischen Belange auf Plausibilität zu überprüfen."

Notwendigkeit nicht nachgeprüft

Die geplanten Veränderungen im Innenraum des Gotteshauses seien nicht nur für die Berliner Denkmalpflege äußerst bedauerlich, räumt die Senatsverwaltung ein, müssten aber aus verfassungsrechtlichen Gründen hingenommen werden. "Die diversen denkmalrechtlichen Schutzgründe und der damit einhergehende Denkmalwert der St. Hedwigs-Kathedrale sind unbestritten. Eine massive Veränderung eines Denkmals wie in diesem Fall, insbesondere beim Verlust einer vollständigen Zeitschicht, ist tragisch. Allerdings ändert dies im vorliegenden Fall nichts an der rechtlichen Zulässigkeit des vom Antragsteller verfolgten Begehrens. Soweit jedoch keine liturgischen Erfordernisse für die beantragten Veränderungen von Seiten der Antragstellerin schlüssig dargelegt werden konnten, war dem Antrag nicht zu entsprechen."

Eine Nachprüfung der theologisch-dogmatischen beziehungsweise liturgischen Richtigkeit oder der Berechtigung der liturgischen Forderungen hinsichtlich des kirchlichen Kulturdenkmals in gottesdienstlicher Funktion könne laut Kulturverwaltung von den Denkmalbehörden nicht vorgenommen werden. Die liturgischen Belange könnten nicht von den Denkmalbehörden hinterfragt werden, denn sie allein seien Angelegenheit der Kirche und lägen in der Kompetenz und im Ermessen des Bischofs des Erzbistums Berlin. Im Fall der St. Hedwigs-Kathedrale habe die Schlüssigkeitsprüfung ergeben, dass die überwiegende Zahl der Maßnahmen in Bezug auf die vorgebrachten gottesdienstlichen Zwecke plausibel ist. Somit verlangen die beantragten Maßnahmen Beachtung und Berücksichtigung, um Forderungen an Kirchenbau und Kirchenraum mit entsprechender Ausstattung aufgrund von liturgischen Erfordernissen zu erfüllen. "Schutzgründe und der damit einhergehende Denkmalwert der St. Hedwigs-Kathedrale sind unbestritten. Eine massive Veränderung eines Denkmals wie in diesem Fall, insbesondere beim Verlust einer vollständigen Zeitschicht, ist tragisch. Allerdings ändert dies im vorliegenden Fall nichts an der rechtlichen Zulässigkeit des vom Antragsteller verfolgten Begehrens. Soweit jedoch keine liturgischen Erfordernisse für die beantragten Veränderungen von Seiten der Antragstellerin schlüssig dargelegt werden konnten, war dem Antrag nicht zu entsprechen."

Weiter erklärt der Senator für Kultur und Europa: "Bei der St.-Hedwigs-Kathedrale handelt es sich um ein bedeutendes Denkmal und baukulturelles Erbe unserer Stadt Berlin, zugleich aber um den zentralen Sakralbau des Erzbistums Berlin. Vor diesem Hintergrund werden die Für und Wider eines Umbaus, die Tragweite des Denkmalschutzes und theologischer Notwendigkeiten, öffentlich und im Erzbistum mit großer Intensität und hohem Engagement diskutiert. Es ist aber Ausdruck des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts der Kirchen, Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften, die für die Nutzbarkeit ihrer Sakralräume erforderlichen kultisch-liturgischen Belange selbst festzustellen. Diese Feststellungen der obersten Kirchenbehörden sind durch den Staat zu respektieren. Die Oberste Denkmalschutzbehörde hat im ihr verbliebenen Rechts- und Entscheidungsrahmen die für die Sachverhaltsfeststellungen erforderlichen Informationen zum geplanten Umbau des Denkmals St.-Hedwigs-Kathedrale mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt und auf deren Grundlage die Plausibilitätsprüfung für die einzelnen geplanten Maßnahmen anhand der vom Erzbistum festgestellten Belange in nachvollziehbarer und überzeugend begründeter Weise vorgenommen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist die getroffene Entscheidung zwingend."

Beispiellose Solidaraktion von Ost und West

Entschieden wendet sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) und ihre Wissenschaftliche Kommission gegen die Genehmigung des Bauantrags für den Umbau des denkmalgeschützten Innenraums der St. Hedwigs-Kathedrale durch die Berliner Kulturverwaltung. Über 50 Jahre nach seiner Entstehung und Nutzung soll nun ein weltweit einzigartiger Sakralraum, der als herausragende Raumschöpfung der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg gilt, aus angeblich liturgischen Gründen zerstört werden, heißt es in einer Erklärung. Die aus namhaften Experten aus Denkmalpflege, Architektur und Kunstgeschichte bestehende Kommission befürchtet, dass mit dieser nicht im Einzelnen belegten Begründung nicht nur ein einzigartiges Gesamtkunstwerk und Geschichtszeugnis beseitigt wird, sondern auch ein völlig falsches Zeichen für die denkmalpflegerische Verantwortung der Kirchen gesetzt wird. "Wertvolles Kulturgut aus neuen Nutzungserwägungen zur Disposition zu stellen ist nicht akzeptabel. Es ist ein Dammbruch in derDenkmalpflege zu befürchten, wohingegen bisher die respektvolle Orientierung der Nutzung an den Originalbestand des Denkmals unbestrittene Priorität hat."

Die Wissenschaftliche Kommission der DSD zeigt sich über das mangelnde Gespür der Verantwortlichen im Berliner Erzbistum für ihre Vorbildfunktion zutiefst enttäuscht. Die nicht unerheblichen öffentlichen Fördermittel müssten dem Erhalt des Denkmals dienen, nicht seiner Zerstörung. Die Kommission verweist auch darauf, dass sich erhebliche Teile der Kirchengemeinde und der Öffentlichkeit bis heute stark mit diesem besonderen Kirchenraum identifizieren. Auch nach der Liturgiereform des vergangenen Jahrhunderts hätten die Berliner Erzbischöfe die Gottesdienste in der Hedwigs-Kathedrale gefeiert, ohne dass liturgische Mängel geltend gemacht wurden. Der Innenraum des im Zweiten Weltkrieg ausgebrannten Kirchengebäudes sei zwischen 1958 und 1963 in einer beispiellosen Solidaraktion von Ost und West mit dem Besten entstanden, was Deutschland damals zu bieten hatte. Der Architekt Hans Schwippert, auf den in Bonn der Umbau des Gebäudes des Deutschen Bundestages und des Palais Schaumburg als Bundeskanzleramt zurückgeht, hatte die Pläne dazu in enger Abstimmung mit seinen Berliner Auftraggebern ausgearbeitet und mit einem hochkarätigen Team von Bauleuten und Handwerkern verwirklicht. "Dabei schufen ost- und westdeutsche Künstler die Ausstattung, deren Werke ansonsten in Museen zu sehen sind. Zentrale Bestandteile der Gestaltung sind die Confessio der Unterkirche, die über einen offenen Treppenabgang erreichbar ist, und die miteinander über eine Stele verbundenen Altäre von Unter- und Oberkirche. Der ursprünglich barocke Bau erhielt damit eine Zeitschicht, die mit der Einbeziehung der Grablege des Märtyrers und Dompropsts Bernhard Lichtenberg auf die jüngste Geschichte verweist und die die bereits sich abzeichnenden liturgischen Veränderungen des II. Vatikanischen Konzils vorwegnahm." Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz erinnert ausdrücklich an ihre Stellungnahme vom Juli 2017. Darin spricht sie sich für die Erhaltung des Innenraums der St.-Hedwigs-Kathedrale, "in der eine ungewöhnliche Komplexität architektonischer, kunst-, kirchen- und liturgiehistorischer Ideen erreicht wurde."

Wenn im September 2018 die Sankt Hedwigs-Kathedrale für die ersten vorbereitenden Baumaßnahmen geschlossen wird, wird die Kathedralliturgie in der Sankt Josephs-Kirche an der Müllerstraße im Bezirk Wedding gefeiert. Dompropst Prälat Tobias Przytarski ist der Gemeinde Sankt Joseph Sankt Aloysius und ihrem Pfarrer dankbar, dass sie dem Metropolitankapitel und dem Erzbischof für die Feier der Kapitels- und Pontifikalämter Obdach gewähren. .

3. März 2018

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