Im Schatten des großen Bruders
In Rheinsberg werden auf unterschiedliche Weise Friedrich der Große und sein Bruder Prinz Heinrich geehrt



Bald nach seinem Tod war der Schlossherr von Rheinsberg vergessen, erst zu seinem zweihundertsten Todestag 2002 hat man ihn, sein Leben und sein halbes Jahrhundert in der Residenz am Grienericksee umfassend gewürdigt und das lange vernachlässigte Schloss und den Park instandgesetzt.





Friedrichs Bronzedenkmal steht vor dem Schloss, die Heinrich-Pyramide im Park.





Als das Schloss Rheinsberg in DDR-Zeiten noch Diabetikersanatorium war, ist man mit der kostbaren Substanz wenig pfleglich umgegangen. Die Nutzung des Gebäudes für Heilzwecke hat es aber davor bewahrt, dass es ganz und gar zur Ruine verkam oder gar abgerissen wurde wie andere Bauwerke dieser Art im deutschen Osten. Prinz Heinrich hat die Pyramide im Schlosspark ausdrücklich seinem 1758 verstorbenen Bruder August Wilhelm gewidmet. Im Schloss ist er mit Bildern und Büsten präsent. .



Zeitgenossen lobten den auch auf Medaillen geehrten Prinzen Heinrich als Mann großer Weitsicht, ja als militärisches Genie. Groß waren seine Verdienste als Diplomat, Bauherr und Mäzen. Aber da er "nur" der kleine Bruder Friedrichs II. war, hat man ihm geringere Wertschätzung zukommen lassen.



Restauratoren und Bauleute haben im Auftrag der Preußischen Schlösserstiftung das Schloss und seine kostbar gestalteten Innenräume, das Theater, die Grabespyramide mit der abgebrochenen Spitze und weitere Bauwerke nach alten Plänen und Befunden sorgsam wiederhergestellt. Hier das Treppenhaus mit einem Porträt des Prinzen, der das Schloss über ein halbes Jahrhundert bewohnt hat.



Die französische Inschrift am zugemauerten Eingang der Grabpyramide im Schlosspark ist eine einzige Eloge, die der Prinz auf sich selbst verfasst hat.(Fotos: Caspar)

Zeit seines Lebens stand Prinz Heinrich von Preußen im Schatten seines älteren Bruders, des preußischen Königs Friedrich II., des Großen. Dabei war der Prinz ein bedeutender Militär, Denker und Diplomat, Bauherr, Kunstfreund und Sammler. Obwohl Heinrich über fünfzig Jahre in Rheinsberg lebte und die kleine märkische Residenz nachhaltig prägte, hat man nicht ihm, sondern seinem Bruder Friedrich II. vor dem Schloss ein Denkmal errichtet. Nach dem glücklichen Ausgang des Zerwürfnisses mit seinem Vater, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm II., ließ Kronprinz Friedrich (II.) am Rheinsberger Grienericksee nach Plänen von G. W. von Knobelsdorff eine Wasserburg aus der Renaissancezeit zu einem barocken Schloss umbauen und einen mit vielen Skulpturen und Bauwerken bestückten Garten anlegen.

Das Bronzedenkmal vor dem Schloss ist ein Werk von Gottlieb Elster aus dem Jahre 1903 und zeigt nicht Friedrich als König, gar als Alten Fritzen, sondern als Kronprinz, der in Rheinsberg seine wohl schönsten, zumindest aber friedlichsten Jahre verlebt hat. Barhäuptig dargestellt ist er, die rechte Hand ist in die Seite gestemmt, die linke Hand stützt sich auf einen Baumstamm, der der Figur Halt und zusätzliche Kontur gibt. Der Degen an der Seite weist ihn als Person vornehmen Standes aus. Das Denkmal war nach dem Zweiten Weltkrieg abgebaut worden, als im Schloss ein Diabetikersanatorium eingerichtet wurde. Das führte zu massiven Umbauten und Substanzverlusten, die nach der deutschen Wiedervereinigung (1990) nach und nach behoben wurden. 1995 kehrte das Kronprinzendenkmal aus dem Potsdamer Exil zurück und schmückt seither den Platz vor dem Schloss.

Pyramide mit abgebrochener Spitze

1744 übereignete König Friedrich II. Schloss und Park seinem 14 Jahre jüngeren Bruder Heinrich, der in Rheinsberg fast sein ganzes Leben verbrachte und 1802 hier auch starb. Sein luxuriös ausgestattetes Palais Unter den Linden in Berlin wurde 1810 Sitz der neu gegründeten Universität. Heinrich ist in einer Pyramide in der Nähe des Schlosses bestattet. Die französische Inschrift am zugemauerten Eingang fasst das Leben des, wie es heißt, durch seine Geburt in jenen Wirbel von eitlem Dunst gestürzten, durch die Leidenschaften anderer gequälten und die eigenen beunruhigten, oftmals verleumdeten und ungerecht behandelten Toten zusammen. Der Prinz hatte Grund, seinem Bruder und der ganzen Hohenzollern-Sippe zu grollen, fühlte er sich doch verkannt und unter seinem Wert behandelt. Als Friedrich II. 1786 starb, versuchte "Onkel Henry", wie man ihn in der Familie nannte, vergebens bei dessen Nachfolgern, Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III., jene Stellung am Berliner Hof einzunehmen, die ihm der große Bruder verweigert hatte. Alt geworden und als Ratgeber und Mahner nicht benötigt, zog sich der Prinz endgültig nach Rheinsberg zurück. Als er starb war es, als sei ein Fossil aus einer längst vergangenen Epoche dahin gegangen.

Es sei sein Schicksal, keine Anerkennung zu finden, "wie es das Schicksal Friedrichs ist, gelobt zu werden, selbst für Dinge, die er nicht getan hat", ließ Heinrich seinen jüngeren Bruder Ferdinand wissen, den er zu seinem Testamentsvollstrecker machte. Friedrich II. ertrug es offenbar nicht, dass er seinen Ruhm manchen Helfern zu verdanken hat, unter denen Heinrich ganz oben stand. Das gelegentlich geäußerte königliche Lob gipfelte in der lapidaren Feststellung, Heinrich habe nie einen Fehler begangen. Damit spielte der König auf die unglückliche Rolle an, die ein anderer Bruder im Generalsrang, Prinz August Wilhelm, zu Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) unterlaufen waren. Die diesem daraufhin vom königlichen Oberbefehlshaber zugefügten Kränkungen waren offenbar so groß, dass August Wilhelm bald starb. Da August Wilhelm nicht mehr als Nachfolger des kinderlosen Friedrich II. zur Verfügung stand, bestieg 1786 dessen ältester Sohn als Friedrich Wilhelm II. den preußischen Thron, ein Mann, für den der Friedrich der Große nur Verachtung übrig hatte.

Spannungen zwischen ungleichen Brüdern

Jeder der miteinander rivalisierenden, ungleichen Brüder hatte seinen eigenen Kopf, beide waren talentierte Heerführer, doch mit dem Unterschied, dass der eine Oberbefehlshaber war und der andere parieren musste. Das führte zu großen Spannungen, und so trug sich Heinrich 1760 mit dem Gedanken, vom Kommando über die ihm unterstellten Truppen zurückzutreten. Immer wieder versuchte er, den König zur Umkehr zu bewegen, weil die militärische Lage Preußens aussichtslos war. Friedrich II. trug sich zeitweilig mit Selbstmordgedanken und dachte daran, nach dem frühen Tod des Prinzen August Wilhelm die Regentschaft an Heinrich abzutreten, solange August Wilhelms ältester Sohn Friedrich Wilhelm (II.) noch unmündig ist. Das Kriegsglück wendete sich 1762 durch den Tod der Zarin Elisabeth, worauf Russland als Gegner ausschied und Preußen spürbar entlastet wurde.

Da Heinrich für eine milde Behandlung des Kurfürstentums Sachsens eintrat, das Friedrich II. abgrundtief hasste, wurde er kurzerhand seines Kommandos über die dort stationierten Besatzungstruppen entbunden. Heinrichs Gesuch, ihn gleich ganz aus der Armee zu entlassen, wurde von seinem Bruder abgelehnt, was dieser als weitere Demütigung empfand. Zwar belohnte der König Heinrich im und nach dem Siebenjährigen Krieg für seine militärischen Leistungen mit den üblichen Gratifikationen - Geld, Brillanten und Ländereien - , ernannte ihn aber nicht zum Generalfeldmarschall. Denn in diesem Rang hätte Heinrich eine stärkere Position gehabt als in der Eigenschaft eines bloßen Generals der Infanterie. Dabei lag dem Prinzen die Würde eines Feldmarschalls besonders am Herzen. Ihn dürfte geärgert haben, dass man ihn nur "Prince Henri Louis, frère du Roi" auf Porträtstichen und Medaillen titelte - Prinz Heinrich Ludwig, Bruder des Königs, mehr aber auch nicht.

Eigenartiges Lob aus königlichem Mund

In den Erinnerungen von Diedonné Thiébault über 20 Jahre seines Aufenthalts in Berlin aus dem Jahr 1828 findet sich ein eigenartiges, für den König aber typisches Lob für seinen 14 Jahre jüngeren Bruder: Heinrich war "bald nach dem Hubertusburger Frieden bei einem großen, seiner Generalität gegebenen Gastmahle, während dessen man die Ereignisse des beendigten großen Krieges besprach und der König dabei über alle in diesen Feldzügen theils unter ihm, theils gegen ihn commandirende Generale, sich selbst nicht ausgenommen, ein strenges, unpartheiisches Urtheil ihrer Verdienste und Fehler aussprach, plötzlich nach dieser Musterung ausrief: ,Meine Herren! Lassen Sie uns jetzt auf die Gesundheit des einzigen Generals trinken, der während dieses ganzen Krieges keinen Fehler beging. Mein Bruder, es gilt Ihnen.'"

Prinz Heinrich, der nach eigenem Bekunden an elf Feldzügen seines Bruders teilgenommen hatte und seinen Gipfel als Befehlshaber in der Schlacht von Freiberg gegen die Reichsarmee und österreichische Truppen (1762) erklomm, rächte sich für mangelnden Respekt und Zurücksetzung durch seinen Bruder, indem er 1791, fünf Jahre nach Friedrichs Tod, im Rheinsberger Schlosspark eine Pyramide zum Gedenken an preußische Militärs errichten ließ, die wie er unter der Despotie des Großen Friedrich zu leiden gehabt hatten. Das "Denkmal, allen preußischen Helden gewidmet, die durch Tapferkeit und Kenntnisse verdient haben, dass man sich ihrer ewig erinnere", so der Beginn der ins Deutsche übersetzten langen französischen Inschrift, erwähnt zahlreiche Offizieren und hebt dabei an erster Stelle August Wilhelm mit einem Porträtbildnis besonders hervor. Pikanterweise ist auf dem Monument der Name Friedrichs II. nicht erwähnt. Bei der Weiherede bemerkte Heinrich ironisch, dessen selbst verfasster Lebensgeschichte und den Elogen anlässlich seines Todes sei nichts mehr hinzuzufügen. Friedrich-Verehrer haben es dem Prinzen angekreidet, dass er seinen königlichen Oberbefehlshaber auf der Säule nicht erwähnte, und schalten ihn, ein undankbarer Querulant zu sein. Viele auf der 2002, zum 200. Todestag des Prinzen Heinrich, restaurierten und durch Anbringung der verlorenen Buchstaben nun wieder kompletten Gedenksäule genannten Offiziere unterstanden im Siebenjährigen Krieg Heinrichs Befehl.

Viele auf der 2002 anlässlich des 200. Todestags des Prinzen Heinrich restaurierten und durch Anbringung der verlorenen Buchstaben nun wieder kompletten Gedenksäule genannten Offiziere unterstanden im Siebenjährigen Krieg Heinrichs Befehl. Indem der Prinz sie ehrte, setzte er sich selber ein eindrucksvolles Denkmal. Solche Ehrungen hatte Friedrich II. für sich stets abgelehnt, weil er der Meinung war, sie sollten errichtet werden, wenn die betreffende Person nicht mehr am Leben ist. Beide in Liebe und Abneigung verbundenen Brüder sind auf dem von Christian Daniel Rauch geschaffenen und 1851 eingeweihten Friedrich-Denkmal Unter den Linden in Berlin reitend dargestellt - der König überlebensgroß hoch zu Ross, Prinz Heinrich zu seinen Füßen als einer von vier ebenfalls reitenden Sockelwächtern.

Bin nicht der beste Mann gewesen

Bestattet wurde der Prinz in einer Pyramide unweit seines Schlosses. Nur in Resten blieb der von dem Berliner Zinngießer Sierks geschaffene, ursprünglich reich verzierte Paradesarg erhalten. Seine Bestandteile wurden im vergangenen Jahr in der Berliner Metallrestaurierungswerkstatt Haber & Brandner zusammengesetzt. Die Wände des Sargs waren stark verbeult, weil er irgendwann von Unbekannten aufgebrochen worden war. Dabei gingen verschiedene künstlerische Details verloren. In aller Stille wurde der Sarg mit den sterblichen Überresten des Prinzen in die Grabpyramide nicht weit vom Rheinsberger Schloss geschafft. Anschließend hat man den Eingang zugemauert. Der Verzicht auf jegliche Zeremonie war ein Wunsch der Preußischen Schlösserstiftung, die die in das Mausoleum eingelassene Inschriftentafel erneuern ließ. Auf ihr charakterisiert sich der Prinz in französischer Sprache als ein Mann, der "durch seine Geburt in die Wirbel jener eitlen Dünste hineingeschleudert (wurde), die der große Haufen Ruhm und Größe nennt". Die Inschrift beklagt, dass der hier Bestattete oftmals Ziel von Verleumdung und Opfer von Ungerechtigkeit war und zu alledem durch den Tod geliebter Angehöriger und treuer zuverlässiger Freunde gebeugt wurde. Die selbst verfasste Eloge endet mit den Worten "Bin ich nicht der beste Mensch gewesen, so gehöre ich doch nicht zur Zahl der Schlechten. Lob und Tadel können dem im Grabe nichts mehr anhaben".

Zeit seines Lebens stand Prinz Heinrich, der sich als Freund alles Französischen Henri Louis nannte, im Schatten seines Bruders. Dabei war Heinrich ein bedeutender Feldherr und Diplomat, gern gesehener Gast an den Höfen in Paris, Sankt Petersburg und Stockholm, ein Förderer der Künste und mehr als ein halbes Jahrhundert Herr über den Rheinsberger Musenhof war und um ein Haar König von Polen geworden wäre, hätte Friedrich II. dagegen nicht sein Veto eingelegt, während Heinrich von dem Anerbieten, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, selber Abstand nahm. Zwar wurde der Prinz, der Friedrich Wilhelm II., den Nachfolger Friedrichs des Großen, vor einem Feldzug gegen das revolutionäre Frankreich gewarnt hatte, in Friedensverhandlungen mit dem Gegner einbezogen, hatte aber in der preußischen Politik nichts zu melden. Die Spitzen, die er als "Frondeur von Rheinsberg" in Richtung Berlin abfeuerte, blieben wirkungslos. Nach seinem Tod wurden seine großartigen Sammlungen von Gemälden, Antiken, Büchern von den Erben versteigert und in alle Winde verstreut. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg hat mit viel Geschick und Geld das eine oder andere Stück zurück gekauft und mit großer Akribie Schloss und Park Rheinsberg in historischer Schönheit und Authentizität wiederhergestellt.

2. März 2018

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