Lehrmeister der Menschheit
Die Humboldt-Denkmäler vor der Berliner Universität und in Tegel





Seit 1883 halten Wilhelm und Alexander von Humboldt vor der Berliner Universität Wache. Im Winter werden den empfindlichen Marmorskulpturen Schutzhäuschen übergestülpt.



Mit dem Entwurf für ein Wilhelm von Humboldt gewidmetes Denkmal hatte Reinhold Begas keinen Erfolg. Der Bronzeguss befindet sich im Besitz des Berliner Stadtmuseums. - Vor dem Institut für Normung sind Peter Beuth (links) und Wilhelm von Humboldt in ein angeregtes Gespräch vertieft.



Das Humboldt-Denkmal am Tegeler Hafen verzichtet auf Porträtähnlichkeit, um die sich Künstler im 19. Jahrhundert wie auf dieser Grafik bemühten.



Tafeln an einem Gebäude in der Oranienburger Straße und an der Akademie der Wissenschaften erinnern an Wohn- und Wirkungsorte Alexander von Humboldts.



Ein Relief am Sockel des Beuth-Denkmals auf dem Schinkelplatz bildet Wilhelm von Humboldt im Kreis von Gewerbetreibenden ab. (Fotos: Caspar)

"Wo Wilhelm und Alexander von Humboldt Wache halten, da wird immerdar sein eine Stätte edelsten menschlichen Strebens, freier Forschung und freier Lehre". Mit diesen Worten schloss der damalige Rektor der Berliner Universität, Emil du Bois-Reymond, seine Festrede anläßlich der Einweihung der Marmordenkmäler vor der Alma mater berolinensis an der Straße Unter den Linden. Am 28. Mai 1883 wurde wahr, wofür seit 1869 namhafte Vertreter des Kulturlebens und der Wissenschaft gestritten hatten - die Ehrung zweier Geistesgrößen im Herzen Berlins. Die Humboldts sitzen auf würfelförmigem Postamenten, die mit ihren Namen im Kranz sowie seitlichen Reliefs versehen sind, welche auf die Profession der jeweils dargestellten Person Bezug nehmen.

Zum einhundertsten Geburtstag Alexander von Humboldts im Jahr 1869 hatten der bekannte Berliner Arzt und Abgeordnete Rudolf Virchow und seine Freunde an das Zollparlament appelliert, diesen "Lehrmeister der Menschheit" durch ein großes Nationaldenkmal zu ehren. Die Petition wurde von offiziellen Stellen ignoriert. Die aktuellen kriegerischen Zeiten waren nicht geeignet, Spitzen der Wissenschaft und Kunst Denkmäler zu setzen. Mit Siegessäulen und reitenden Monarchen war man da weniger zurückhaltend. Doch das Denkmalkomitee ließ nicht locker und bewies damit Bürgerstolz vor Fürstenthronen. Ein Aufruf an das deutsche Volk zur Sammlung für das Monument fand ein lebhaftes Echo. Nach einem Jahr konnten bereits einhunderttausend Mark verbucht werden.

Verdienste um die Universität

Der deutsch-französische Krieg 1870/71 brachte allerdings das Projekt zunächst ins Stocken. Man suchte nach einem geeigneten Standort, so im Kastanienwäldchen neben Schinkels Neuer Wache beziehungsweise hinter der Universität. Rektor und akademischer Senat der Universität gaben zu bedenken, dass Alexander von Humboldt "nur" mittelbar mit der Berliner Universität zu tun hatte, beispielsweise durch seine "Kosmos"-Vorlesungen. Deshalb müsse eigentlich noch ein zweites Denkmal für Wilhelm von Humboldt her. Der Gelehrte, Staatsmann, Diplomat und Reformer hatte als Direktor für Cultus und Unterricht im preußischen Innenministerium wesentlichen Anteil an der Gründung der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität im Jahre 1810, die das seit 1802 leer stehende Palais des Prinzen Heinrich zog.

Der Gedanke, den Brüdern je ein Denkmal zu errichten, wurde von Virchow und seinem hochkarätig besetzten Denkmalkomitee aufgegriffen. Das gesammelte Geld indes reichte nicht für ein zweites Monument. So erging am 25. April 1874 die "ehrfurchtsvolle Bitte" an Kaiser Wilhelm I., die Herstellung eines Standbildes Wilhelm von Humboldts parallel zum Nationaldenkmal Alexander von Humboldts aus Staatsmitteln zu befehlen und zu gestatten, die Figuren vor der Universität aufzustellen. Der Standort war problematisch, denn hier prallten Geist und Macht aufeinander. Denn zwischen der Universität und dem von Wilhelm I. bewohnten Alten Palais am Opernplatz stand seit 1851 das von Christian Daniel Rauch geschaffene Reiterdenkmal Friedrichs des Großen. In seinem Schatten huldigte die Menge dem Monarchen, sobald er zur Mittagszeit am Fenster erschien. Das kaiserliche Auge würde nicht nur auf das Reiterdenkmal fallen, sondern fortan auch auf die beiden Humboldts, gab man in der Umgebung des greisen Kaisers zu bedenken, der auch König von Preußen war. Die Hofkamarilla verübelte zudem dem Weltreisenden Alexander von Humboldt Briefe an den regimekritischen Diplomaten und Schriftsteller August Varnhagen von Ense mit abfälligen Urteilen über das Treiben der Hohenzollern und ihre Unwilligkeit, sich drängenden Fragen der Zeit zu stellen und Reformen auf den Weg zu bringen. Hinzu kam, dass Rudolf Virchow ungeachtet seiner Verdienste um die Medizin In "allerhöchsten Kreisen" eine Persona non grata war. Schon deshalb fand die Idee, die Gelehrten durch Monumente zu ehren, am Hof wenig Gegenliebe.

Virchow ließ nicht locker

Doch Virchow ließ nicht locker. Es wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich auch der aus Berlin stammende, aber in Rom lebende Bildhauer Paul Otto beteiligte. Während einer seiner Konkurrenten, der Schöpfer des Schillerdenkmals auf dem Gendarmenmarkt Reinhold Begas, hermenähnliche "Colossalbüsten" entwarf, die von Genien bekränzt werden, bestach Ottos Idee durch Realitätssinn und bürgerliche Einfachheit. Otto modellierte eine Sitzfigur Wilhelm von Humboldts, die von der Jury auf Anhieb angenommen wurde. Mit der Auftragserteilung an den Außenseiter war auch die Frage entschieden, wie die Parallelfigur aussehen sollte. Deshalb sah sich Reinhold Begas genötigt, Alexander von Humboldt ebenfalls sitzend zu modellieren. Das war Anfang 1877. Sechs Jahre später wurden die Denkmäler feierlich enthüllt. Wilhelm I. und seine Familie "stiegen", wie der Universitätsrektor ehrfurchtsvoll formulierte, aus dem Palast hernieder und dokumentierten bei dem Staatsakt durch ihre Anwesenheit herrscherliches Wohlwollen. In der Feierstunde erklärte der Universitätsrektor Emil du Bois-Reymond: "Wo Wilhelm und Alexander von Humboldt Wache halten, da wird immerdar sein eine Stätte edelsten menschlichen Strebens, freier Forschung und freier Lehre".

Fast auf den Tag 50 Jahre später, am 10. Mai 1933, loderten auf dem Opernplatz, der Universität gegenüber, Bücher, und wiederum zwölf Jahre später lag die Reichshauptstadt in Schutt und Asche. Die kostbaren Skulpturen hatten eingemauert den Zweiten Weltkrieg überstanden und wurden schon frühzeitig freigelegt. Saurer Regen und Umweltverschmutzung haben dem empfindlichen Marmor stark zugesetzt. Mehrfach wurden die Figuren restauriert und konserviert, doch konnte das Abschürfungen, Risse und andere Verwundungen nicht verhindern. Sicherheitshalber werden die Figuren in der kalten und feuchten Jahreszeit durch Einhausung geschützt, ein Vorgehen, das man auch anderen nicht minder wertvollen und gefährdeten Figuren wie was man auch anderen, nicht minder wertvollen und gefährdeten Skulpturen unter freiem Himmel wie Friedrich Schiller auf dem Gendarmenmarkt oder den Schlossbrückenfiguren Himmel wünschen möchte.

Erwähnt sei, dass Alexander von Humboldts Verhältnis zu Berlin seines Lebens widersprüchlich war. Er mied die preußische Haupt- und Residenzstadt und ließ sich hier erst als fast Sechzigjähriger dauerhaft nieder - über zwei Jahrzehnte nach seiner großen amerikanischen Reise und nach langen Jahren des Forschens und Schreibens in Paris. Berlin und die Berliner waren oft Zielscheibe seines feinen Spotts. Zugleich jedoch half Humboldt als weltberühmter Gelehrter, Wissenschaftsorganisator und Kammerherr des Königs, die preußische Residenz zu einem europäischen Zentrum der Geisteswelt und Gelehrsamkeit zu entwickeln.

Im Gespräch mit Peter Beuth

Wer durch die Budapester Straße und die Burggrafenstraße unweit des Zoologischen Gartens in Berlin geht, begegnet auf dem Bürgersteig überlebensgroßen Bronzefiguren. In der der Budapester Straße erkennt man den Weltreisenden Alexander von Humboldt und in der benachbarten Burggrafenstraße vor dem Deutschen Institut für Normung und dem Beuth-Verlag seinen Bruder Wilhelm von Humboldt im Gespräch mit dem Chef des preußischen Gewerbeinstituts Peter Christian Wilhelm Beuth, an den auch ein Bronzedenkmal auf dem Schinkelplatz unweit der Straße Unter den Linden erinnert.

Bei den überlebensgroßen Standbildern handelt es sich nicht um Originale aus dem 19. Jahrhundert, sondern um Nachgüsse der Figuren vom Sockel eines von dem Bildhauer Gustav Bläser geschaffenen Reiterdenkmals des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. auf dem Heumarkt in Köln. Die feierliche Enthüllung dieses Monuments fand am 26. September 1878 im Beisein von Kaiser Wilhelm I. und seiner Familie statt. Friedrich Wilhelm III. ist dort im Hermelinmantel nicht mit dem üblichen Feldherrnstab, sondern mit dem adlergeschmückten Zepter als Attribut seiner königlichen Herrschaft dargestellt. Rund um den Sockel haben 16 Persönlichkeiten Aufstellung genommen, die für Preußen und die 1815 von den Hohenzollern annektierte Rheinprovinz bedeutsam waren. Unter den Politikern, Militärs, Gelehrten und Künstlern sind unter anderem die Generale Gebhard Leberecht von Blücher, Hans Daniel Ludwig York von Wartenburg, August Neidhardt von Gneisenau und Friedrich Wilhelm von Bülow zu erkennen, die im Berliner Prinzessinnengarten zwischen Staatsoper und Prinzessinnenpalais an der Straße Unter den Linden begegnen, aber auch Gelehrte wie die Namensgeber der Berliner Universität Wilhelm und Alexander von Humboldt, sowie Ernst Moritz Arndt und die preußischen Reformpolitiker Karl August von Hardenberg und Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein.

Zwei Bronzemänner stehen seit 1997 am Tegeler Hafen, gleich beim Schlosspark an der Karolinenstraße. Der eine hantiert mit einem Sextanten, der andere hält ein aufgeschlagenes Buch in der Hand. Jeder schaut in eine andere Richtung. Zwischen den beiden macht sich ein Affe über Südfrüchte her. Die Figuren ehren die Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt. Der Bildhauer Detlef Kraft hat die Namensgeber der Berliner Universität gleichsam vom Sockel geholt. Volksnähe ist gewollt, blank geriebene Stellen vor allem bei dem Affen deuten darauf, dass die etwas überlebensgroße Bronzegruppe gut angenommen wird. Bei den beiden Humboldts, deren Schloss in Tegel steht, hat der Bildhauer auf Porträtähnlichkeit verzichtet. Der berühmte Weltreisende Alexander beziehungsweise der Kulturpolitiker und Universitätsgründer Wilhelm von Humboldt haben Allerweltsgesichter. Einer kleinen Tafel im flachen Sockel zufolge stammt die Idee von Alfred Gebauer, ein Buchautor über Alexander von Humboldt sowie Sammler von Medaillen und anderen Hinterlassenschaften. Er wunderte sich, dass die Brüder Humboldt auf der ganzen Welt, nicht aber in Tegel geehrt werden, wo sie im späten 18. Jahrhundert aufgewachsen waren. Deshalb stifteten der Reinickendorfer Unternehmer und sein Sohn Steffen das Denkmal. Schrifttafeln im Boden informieren in knappen Worten über das Leben und Schaffen der dargestellten Personen.

Verweile in der Menschlichkeit

Eine Tafel klärt auf: "Die Brüder Humboldt verlebten im Schloss Tegel sehr naturverbundene Jugendjahre, die ihr ganzes Leben prägten. Sie sind in der Familiengrabstätte im Schlosspark beigesetzt". Weitere Tafeln lassen die Betrachter wissen: "Alexander von Humboldt 1769-1859 Universeller Naturwissenschaftler und bedeutendster Geograph der Neuzeit. 1799-1804 unternahm er seine berühmte Forschungsreise durch Süd- und Mittelamerika. In 20-jähriger Arbeit in Paris wertete er die Ergebnisse in seinem umfangreichen ,Reisewerk' aus. Sein Hauptwerk ist der 5-bändige ,Kosmos'. Er war liberaler Berater von zwei preußischen Königen und großzügiger Förderer junger Wissenschaftler. - Wilhelm von Humboldt 1767-1835 Universeller Geisteswissenschaftler. Bildungstheoretiker und -reformer, liberaler Politiker und Diplomat, Begründer von Berliner Universität und Altem Museum. Geprägt durch seinen Aufenthalt als Preußischer Gesandter in Rom 1802-1808 versuchte er, die Humanitätsidee der Antike für die moderne Zeit fruchtbar zu machen. Er begründete die noch heute gültige Sprachwissenschaft." In dem Buch, das Wilhelm von Humboldt in der Hand hält, liest man die Aufforderung an den Betrachter: "Verweile in der Menschlichkeit - Gründe dich auf Gerechtigkeit".

27. Februar 2018

Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"