Wer den Babelsberger Park besucht, trifft auch auf die aus Backsteinen gefügte Gerichtslaube. Eine Bronzetafel an der Fassade informiert darüber, dass die gotische Halle über Jahrhunderte im Herzen Berlins stand. Als man dort Mitte des 19. Jahrhunderts das alte, zu klein gewordene Rathaus abbrach, um Platz für das neue, wegen der Backsteinfassade auch Rotes Rathaus genannte Verwaltungsgebäude mit dem hohen Turm zu schaffen, sollte der mittelalterliche Gerichtssaal beseitigt werden. Er hatte schon lange ausgedient und stand dem Neubau im Wege. Das Haus sah, zur Kloake verkommen, erbärmlich aus und roch nach Urin. Der Abbruch wurde damals kontrovers diskutiert. Es war die Zeit, als man sich auf "vaterländische Denkmäler" besann und auch mittelalterliche Kunst sowie Zeugnisse uralter Handwerkstechnik weitere Hinterlassenschaften sammelte und sie in Heimat- und anderen Museen zur Schau stellte.
Prügel, Hohn und Spott
Von Berliner Denkmalpflegern und Heimatfreunden auf einen großen Verlust für die Berliner Kulturlandschaft aufmerksam gemacht, intervenierte preußische König Wilhelm I. und rettete den Bau. Als er Anfang 1871 als frisch gebackener deutscher Kaiser aus Versailles nach Berlin zurückgekehrt war, ließ er sich das Bauwerk vom Berliner Magistrat schenken. Damit fanden jahrelange Querelen um ein bemerkenswertes Zeugnis mittelalterlicher Architektur- und Kulturgeschichte ein glückliches Ende. In Einzelteile zerlegt und sorgsam dokumentiert, wurde der Backsteinbau im Babelsberger Schlosspark wieder aufgebaut. Die nicht mehr ganz historisch authentische Rekonstruktion der in früheren jahrhunderten immer wieder umgebaute und veränderte Gerichtslaube erfolgte nach Plänen des für Wilhelm I. tätigen Architekten Johann Heinrich Strack.
In der Halle fanden einst Gerichtsverhandlungen statt, sie war aber auch Treffpunkt von Kaufleuten. Auf der Straße davor hat man Verbrecher unter Zulauf neugieriger Berliner hingerichtet, und an einer Ecke der Gerichtslaube wurden Bösewichter an den Pranger gestellt. Ein gräuliches Mischwesen aus Vogel und Menschenkopf mit Eselsohren, auch "Kaak" genannt, bezeichnet die Stelle, wo die angeketteten Delinquenten öffentlichem Spott preisgegeben wurden. Wer wollte, durfte seine Wut an den angeketteten Übeltätern auslassen. Wer die Prügel am Pranger überlebte, war in der bürgerlichen Gesellschaft untragbar und tat gut daran, sich einen anderen Wohnort zu suchen.
Wer heute durch das Berliner Nikolaiviertel geht, sieht im Schatten der Nikolaikirche eine Kopie der zur Restaurant umfunktionierten Gerichtslaube sowie der Nachbildung des "Kaak" an der früheren Pranger-Ecke. Das Haus war 1987 zur 750-Jahrfeier Berlins nach alten Plänen mit einem Giebel aus der Renaissance erbaut worden. Im Märkischen Museum am Kölnischen Park gibt es eine Nachbildung des überwölbten Innenraums. Ein Relief auf der mächtigen Rundsäule in der Mitte nimmt menschliche Schwächen wie Hochmut und Genusssucht, versinnbildlicht durch Affen und Schweine, kritisch aufs Korn.
Archäologen fanden Münzen
Im Bereich des ehemaligen Berliner Rathauses haben Archäologen unter anderem Münzen gefunden. Sie wurden nicht wie üblich in einem Topf verborgen, sondern waren über eine größere Fläche verstreut. Es wird angenommen, dass sich die Geldstücke in den Ritzen der Holzdielen verkrümelt haben, mit denen die Fußböden der von Kaufleuten und anderen Personen genutzten Gerichtslaube und anderer Räumlichkeiten bedeckt waren. Viele bei den Grabungen entdeckten Pfennige und Groschen sind mit dem kurbrandenburgischen Zepter beziehungsweise dem Adlerwappen geschmückt.
Da man damals bei solchen Geldstücken am Silber sparte, hat man es mit Kupfer gestreckt. Entdeckt wurde eine numismatische Rarität in Gestalt eines Groschen der Stadt Berlin von 1667. Er erinnert daran, dass es der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm zwischen 1661 und 1666/7 seiner Haupt- und Residenzstadt erlaubte, eigenes Geld herzustellen. Da die Berliner Münze 1666 geschlossen wurde, existieren nur wenige Probeabschläge mit der Jahreszahl 1667. Die Fundstücke spiegeln Aufschwung und Krisen im Münz- und Wirtschaftssystem Brandenburg-Preußens wider, und sie zeigen, dass die Herstellung von Geld oftmals als bequeme Einnahmequelle genutzt und missbraucht wurde. Das führte zu fallenden Wechselkursen und Preissteigerungen und beeinträchtigte in starkem Maße auch Handel und Gewerbe, was wiederum die meist sehr arme Bevölkerung in wirtschaftliche Schwierigkeiten stürzte.
11. April 2018
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