Der falsche Kleber ist schuld
Im Berliner U-Bahnhof Klosterstraße musste die BVG lockere Fliesen von den Wänden abnehmen



Der heutige U-Bahnhof Klosterstraße hieß ursprünglich Inselstraße. Seine Wände erzählen in farbigen Bildern aus der bewegten Geschichte des Berliner Verkehrswesens und zeigen auf humorvolle Art, womit man sich vor und nach 1900 fortbewegt hat. Zu wünschen ist, dass die Reparatur der Wände nicht lange auf sich warten lässt.



Der auf dem Bahnsteig Klosterstraße aufgestellte Förderwagen, auch Hunt genannt, war bis in die 1970er Jahre im VEB Bergbauerkundung Oeslnitz bis in die 1970er Jahre im Einsatz. Da es solche Transporter auch im Kalksteintagebau Rüdersdorf gab, erinnert er daran, dass Berlin ohne Rüdersdorfer Rohstoffe nicht das geworden wäre, was es heute ist - eine Millionenmetropole.



Da der Verkehr auf der stark frequentierten Strecke nicht leiden darf, kann sie nur in verkehrsarmer Zeit erfolgen. Die bunten Wandbilder wurden im VEB Schilderwerk Beutha gefertigt und 1985 angebracht.



Die Tafel ehrt den jüdischen Menschenfreund und Mäzen James Simon, dessen Firmensitz sich in der Klosterstraße befand. Ihm ist unter anderem zu verdanken, dass die berühmte Büste der altägyptischen Königin Nofretete vor dem Ersten Weltkrieg ausgegraben wurde und nach Berlin gelangte.



Die U-Bahn fuhr zumeist oberirdisch und auf Stelzen. Im U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Straße wird gezeigt, wie sie durch die Lothringer Straße (heute Torstraße) fahren sollte, aber nicht fuhr.



Der von Jo Doese mit historischen Pflastersteinen in Beton besetzte Stadtplan im U-Bahnhof Märkisches Museum zeigt Berlin um 1900 und seine damaligen Bahnlinien.



Die Szene auf dem Dönhoffplatz mit einer Postmeilensäule am rechten Bildrand nach 1800 kann mit weiteren farbigen Darstellungen aus dieser Zeit im U-Bahnhof Hausvogteiplatz betrachtet werden.



In den Böschungsbögen des U-Bahnhofs Eberswalder Straße kann man historische Fotos aus der Berliner Eisenbahngeschichte betrachten. (Fotos: Caspar)

Viele Wände Berliner U-Bahnstationen sind mit historischen Darstellungen von Straßen und Plätzen der Stadt und anderen Bildern geschmückt, bei deren Anblick die Wartezeit auf den nächsten Zug wie im Flug vergeht. Im Bahnhof Märkisches Museum wird auf Mosaiken gezeigt, wie sich in den vergangenen Jahrhunderten die Doppelstädte Berlin und Kölln nach und nach entwickelt haben und in der Barockzeit einen Festungskranz bekamen, dessen Verlauf noch an der gekrümmten S-Bahnstrecke zwischen Alexanderplatz und Friedrichstraße zu erahnen ist. Während farbige Bilder im U-Bahnhof Hauvogteiplatz schildern, wie es am Dönhoffplatz und in der weitern Umgebung im 18. und 19. Jahrhundert ausgesehen hat, kann man am U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz anhand von Fotografien und Grafiken gedanklich in das städtische Leben rund um den damaligen Bülowplatz mit der Volksbühne vor und nach 1900 eintauchen. Die stadt- und kulturgeschichtlich interessanten Vorlagen stammen aus dem Berliner Landesarchiv, aus der Kunstbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und aus anderen Quellen. Doch gibt es auch Wandbilder, die von zeitgenössischen Künstlern und Designern speziell für verschiedene Bahnhöfe geschaffen wurden.

Wer im U-Bahnhof Klosterstraße zwischen Alexanderplatz und Märkisches Museum auf und ab geht, sieht, dass überall an den Wänden die hellen Fliesen rund um farbige Bilder von alten und neuen Verkehrsmitteln wie Omnibusse mit und ohne Pferden davor, ferner Straßen-, U- und S-Bahnen und Bahnhofszenen abgefallen sind. An den Eingängen zeigen Reproduktionen historischer Fotografien, wie es vor vielen Jahrzehnten auf dem Bahnhof Klosterstraße zugegangen ist, der damals noch Inselstraße hieß, und welche Reklame an den Wänden angebracht war. Solche Bilder findet man auch in anderen Bahnhöfen, ganz gleich ob dort S- oder U-Bahnen fahren.

Sanierung langfristig geplant

Eine Frage nach den Ursachen für die Beschädigungen an den Wänden ergab bei der BVG, den Berliner Verkehrsbetrieben, dass die Fliesen nicht irgendwie abgefallen sind, sondern vorsorglich entfernt wurden, weil sie sich gelockert hatten. "Für die Sicherheit des Zugverkehrs ist das notwendig. Nach einer Analyse hat sich herausgestellt, dass bei der Sanierung des Bahnhofs in der Mitte der 80er-Jahre offenbar ein nicht dauerhaft geeigneter Kleber verwendet wurde. Die Fliesen jetzt teilweise zu ersetzen, ist daher auch nicht sinnvoll", teilt BVG-Sprecher Markus Falkner mit. "Langfristig ist daher die Sanierung der gesamten Hintergleisflächen geplant. Dafür laufen derzeit die ersten Vorplanungen, sodass wir noch keine konkreten Aussagen zu Terminen etc. machen können."

Für den Bahnhof Klosterstraße sind die Vorplanungen angelaufen. Konkrete Aussagen zu Terminen und Zeitplänen kann die BVG nicht machen. Sie sagt aber, bei dem größten deutschen U-Bahnnetz und 173 Bahnhöfen, die zum Teil älter als einhundert Jahre sind und teilweise schon einmal umgebaut oder saniert wurden oder eben nicht, werde ständig an mehreren Stellen gebaut und saniert. Denn auch in den kommenden Jahrzehnten soll der U-Bahnbetrieb überall sicher und zuverlässig rollen. "Weil diese Arbeiten in der Regel mit Einschränkungen in der Nutzbarkeit verbunden sind, beispielsweise weil die Hintergleiswände nicht bei laufendem Betrieb saniert werden können, müssen einzelne Bauvorhaben aufeinander abgestimmt und entsprechend der Abhängigkeiten im Netz und des jeweiligen baulichen Zustands eingetaktet werden. Schließlich sollen Einschränkungen für die Fahrgäste insgesamt so gering wie möglich ausfallen." Die BVG bitten daher um Verständnis dafür, dass sie aktuell noch keine konkreteren Angaben über die Arbeiten im U-Bahnhof Klosterstraße machen können.

Siemens kam erst spät zum Zug

Als sich am 15. Februar 1902 ein Konvoi vom Bahnhof Warschauer Straße in Richtung Zoologischer Garten in Bewegung setzte, begann in Berlin das U-Bahnzeitalter. Die kaiserliche Reichshauptstadt hinkte, was Untergrundbahnen betrifft, anderen Metropolen erheblich nach. Den Anfang hatte London gemacht, wo bereits 1863 eine Tunnelverbindung zwischen den Bahnhöfen Paddington und Farringdon Street geschaffen wurde. Da hier Dampfloks mit ihren stinkenden Rauschwaden hindurch fuhren, war die Strecke nicht sehr populär. 1879 hatte Werner (von) Siemens auf der Berliner Gewerbeausstellung sein elektrisch betriebenes Schienenfahrzeug vorgestellt und ein Jahr später erste Pläne für eine damit "sauber" betriebene Bahn vorgestellt. Dem genialen Konstrukteur schwebte eine Art Tram vor, die durch die Stadt schwebt, aber auch in die Tiefe zu gehen vermag, wo es die Verkehrsverhältnisse verlangen. Da Siemens in Berlin nicht zum Zuge kam, baute seine Firma zwischendurch die U-Bahn in Budapest. Der Name der Unterpflasterbahn oder, wie wir heute sagen, der Untergrundbahn signalisiert, dass die Züge tatsächlich untertage durch die kaiserliche Metropole fuhren. Das ist allerdings ein Irrtum, denn die U-Bahn war weitgehend eine Hochbahn, die sich auf Stelzen oberirdisch durch die Reichshauptstadt schlängelte. Nur ein kleiner Streckenabschnitt der U 1 fuhr unterirdisch.

Der Erfolg in der ungarischen Metropole gab den Bestrebungen an der Spree den nötigen Schwung, und so fand 1896 der erste Spatenstich in der Gitschiner Straße in Höhe des Patentamtes statt. Es vergingen noch sechs Jahre, bis der Bau der rund zehn Kilometer langen Stammstrecke vollendet war. Viel Zeit war verstrichen, weil die Berliner Behörden erhebliche Einwände gegen die Neuerung hatten. Sie befürchteten, die unterirdischen Abschnitte könnten das eben erst fertig gestellte Netz für die Wasserversorgung und Wasserentsorgung gefährden. Hinzu kam, dass sich die damals selbstständigen Städte Berlin, Charlottenburg und Schöneberg erst nach langen Verhandlungen über die Gewinnbeteiligung an der U-Bahn, Streckenverlauf, Grundstücksverkäufe und andere Probleme einigten. Außerdem warnte man vor einer "Verschandelung" der Stadt durch die auf Stelzen gebauten oberirdischen Trassen.

Novität wurde schnell populär

Eröffnet wurde die Strecke mit einer Sonderfahrt des preußischen Ministers für öffentliche Arbeit sowie von Abgesandten der damals selbständigen Gemeinden Berlin, Charlottenburg und Schöneberg und von Vertretern der beteiligten Betriebe und der Banken. Der U-Bahnbau verschlang pro Kilometer die damals ungeheure Summe von 2,5 Millionen Mark. Darin waren auch Kosten für Grundstücksankäufe, ober- und unterirdische Bahnhöfe und Durchbrüche durch Häuser einbegriffen. Das Gemeinschaftsunternehmen der Firma Siemens & Halske und der Deutschen Bank schaffte bis 1913 ein Streckennetz von 36 Kilometer, heute verfügt die U-Bahn über 147 Kilometer mit 173 Bahnhöfen. Entgegen allen Unkenrufen eroberten sich die Berliner vor das neue Verkehrsmittel schnell. Dabei half, dass in der Presse kräftig Reklame für die Novität gemacht wurde. Da man anfangs einen nicht zu bewältigenden Ansturm befürchtete, wurden die Fahrpreise mit 30 und 50 Pfennigen für zwei unterschiedliche Klassen recht hoch angesetzt. Schon bald kostete das Ticket 10 und 15 Pfennige, was damals immer noch viel Geld war.

Bereits im Eröffnungsjahr 1902 zählte man 19 Millionen und 1903 bereits 30 Millionen Fahrgäste. Gegen die Beliebtheit der U-Bahn kamen Nörgler wie der Theaterkritiker und Schriftsteller Alfred Kerr nicht an. Er empfand Unbehagen und rang sichtlich nach Worten, als er schrieb: "Die Bülowstraße hat sich verändert. Welcher verblüffender Anblick: das Eisengestell einer Überbahn, rot lackiert und grau gestrichen, steigt in plumper Scheußlichkeit empor zwischen den Häusern, zwischen den Bäumchen, barbarischer, ekliger, gottverlassener, blöder, bedauernswerter, mickriger, schändlicher, gerupfter, auf den Schwanz getretener sieht nichts in der Welt aus".

Ganz schnell von hier nach dort

Mit den Jahren entstand ein modernes Verkehrsnetz sowohl unter der Erde als auch oberirdisch. So haben Benutzer der U-Bahn das Vergnügen, sich die Stadt auch von oben anzuschauen. Bequem ist es heute wie damals, unterhalb der auf Stelzen fahrenden Bahn zu laufen. Der "längste Regenschirm" der Welt oder auch "Magistratsregenschirm" erlaubt es, trockenen Fußes lange Strecken durch die Stadt zurückzulegen. Beschädigung durch Bombentreffer und Artilleriebeschuss legten die U-Bahn im Zweiten Weltkrieg zeitweilig lahm, doch nachhaltiger wirkten sich die Sperrmaßnahmen nach dem Bau der Mauer am 13. August 1961 aus. Brutal wurde das ausgeklügelte Verkehrsnetz unterbrochen. An und unter der Mauer endete auch die U-Bahn, und wo es sich nicht vermeiden ließ, rauschten die Züge ohne Halt durch die dunklen Geisterbahnhöfe. Erst nach dem Fall der Mauer wurden die Transitstrecken mit großen Kosten reaktiviert, so dass heute die U-Bahn das wohl schnellste und sicherste Mittel ist, von der Warschauer Straße nach Krumme Lanke, von Spandau nach Pankow, von Alt Tegel nach Alt-Mariendorf und in andere Stadtviertel zu kommen.

Obwohl ursprünglich nur eine sehr einfache und kostensparende Bauweise geplant war, hat man sie doch schon in der Kaiserzeit prächtig ausstaffiert. Da sich Berlin gerade zur Weltmetropole mauserte, wollte man anderen Hauptstädten auch in dieser Beziehung nicht nachstehen, und so setzten sich jene Künstler und Architekten durch, die nach "ansprechender Wirkung der Bahn auf das Stadtbild" verlangten, wie man damals sagte. Dabei hat man manchen Stilmischmasch zugelassen. Die Station Warschauer Straße und die sich anschließende Oberbaumbrücke, die Friedrichshain und Kreuzberg verbindet, ahmt märkische Backsteingotik nach. Neorenaissance, Neobarock, Neue Sachlichkeit und Schick der fünfziger Jahre präsentieren sich in anderen Bahnhöfen. So kann man mit der U-Bahn auch eine Reise durch die Baustilkunde unternehmen, ohne einen Fuß bewegen zu müssen. Der unter Denkmalschutz stehende U-Bahnhof Heidelberger Platz ist mit seinem reichen Skulpturenschmuck im Originalzustand erhalten.

6. Dezember 2018

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