Der König und die Kartoffel
Friedrich der Große legte seinen Untertanen zwar Erdäpfel ans Herz, aß aber selber keine



Leicht war es für den "Alten Fritz" nicht, seine Untertanen von den Vorteilen der Erdäpfel zu überzeugen, Ausschnitt aus dem Gemälde "Der König ist überall" von Robert Müller aus dem Jahr 1886.



Aus einer exotischen Lustgartenpflanze des 17.Jahrhunderts wurde im 18. Jahrhundert ein wichtiges Volksnahrungsmittel, aus dem sich sogar Schnaps herstellen ließ. Installation in der Kartoffel-Ausstellung 2012 im Potsdamer Haus der Brandenburgischen Geschichte.







Mit historischen Büchern und Schriften, landwirtschaftlichen Geräten, Bildkollagen und weiteren Exponaten schilderte 2012 eine Ausstellung im Potsdamer Haus der Brandenburgischen Geschichte den Weg, den die Kartoffel in Preußen zu einem anerkannten Nahrungsmittel nahm. In einer Serie von Edikten und Verordnungen sorgten Friedrich II. und seine Beamten dafür, dass Kartoffeln gut und reichlich angebaut, geerntet und gelagert werden.



Ein frecher Berliner Bengel stiehlt auf dem Bild von Franz Burchard Dörbeck aus der Biedermeierzeit Kartoffeln, die entsetzte Verkäuferin kann ihn nicht aufhalten.



Der Holzstich von Ludwig Richter aus der Zeit um 1840 schwärmt: "Schön röthlich die Kartoffeln sind / Und weiss wie Alabaster! / Sie däu'n sich lieblich und geschwind / und sind für Mann und Weib und Kind / Ein rechtes Magenpflaster".



Durch kostenlose Verteilung von Kartoffelland und die Anlage von Schrebergärten hat man im 19. Jahrhundert versucht, die Versorgungslage in der ärmeren Bevölkerung zu verbessern. (Fotos/Repros: Caspar)





Friedrich II., der Große, war ein Feinschmecker erster Klasse. Kartoffeln hatten auf seiner mit kostbarem Silber und Porzellan besetzten Tafel keinen Platz, und auch bessere Kreise verschmähten die Erdäpfel, die als Arme-Leute-Essen und Viehfutter geringes Ansehen genossen. Ein großes Anliegen des Königs war es, die ständig wiederkehrenden Missernten und Hungersnöte einzudämmen. In der Förderung des Kartoffelanbaues sah er einen wichtigen Weg dorthin. Schon der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg hatte Kartoffeln im Berliner Lustgarten anbauen lassen, aber nicht um sie zu verspeisen, sondern der schönen Blüten wegen. Erst hundert Jahre später wurde die aus Amerika importierte Frucht ein Volksnahrungsmittel. Selber Kartoffeln verschmähend, kämpfte der König von Preußen dafür, dass die Knollen in seinen Landen heimisch werden. Wie sich die Kartoffeln im 18. Jahrhundert als Volksnahrungsmittel durchsetzten und welchen Druck er machte, dass sie auf Feldern und in Hausgärten angebaut wurden, ist ein von manchen Legenden überfrachtetes Gebiet friderizianischer Kultur- und Wirtschaftspolitik. Zeitgenössische Berichte zeigen, wie schwer es der Monarch hatte, seine Untertanen davon zu überzeugen, dass es nur zu ihrem Besten ist, wenn sie die Erdäpfel anbauen und sie in geschälten, gekochtem und gesalzenem Zustand dann auch essen.

Kostenlose Verteilung von Saatgut

Der König drohte allen, die sich weigern Kartoffeln anzubauen, Ohren und Nasen abschneiden zu lassen. Auf sein Geheiß erhielt die Berliner Charité ein Stück Land zum Kartoffelanbau, um damit mittellose Kranke zu ernähren. Um den Kartoffelanbau zu befördern, verfügte er 1744 die kostenlose Verteilung von Saatkartoffeln, im Juli 1748 befahl er allen kurmärkischen Ämtern, Kartoffeln anzubauen, insbesondere auf "undankbaren", also weniger fruchtbaren Äckern. Er ordnete an, dass ihm über die Erfolge der Kampagne berichtet werden soll. Befriedigt nahm er zur Kenntnis, dass 1749 in Potsdam die Kartoffel den zwölffachen Ertrag aus der Aussaat erbringt, in Brandenburg und Mittenwald waren das der siebenfache, in Zossen das Dreizehnfache und in Beelitz sowie Werder sogar das Vierundzwanzigfache der eingepflanzten Saarkartoffeln.

Indes waren königliche Befehle und Strafandrohungen das eine. Die "Tartüffeln" aber wirklich heimisch zu machen, war etwas ganz anderes. Kaum jemand konnte mit den unscheinbaren Erdäpfeln etwas anfangen, denn die Mehrheit der Bevölkerung ernährte sich einseitig von Mehlspeisen und Brot, während Fleisch und Gemüse die Ausnahme bildeten. Da half es auch nicht, wenn der König in seinen Kartoffelbefehlen zur "Abhelfung des Brodt-Mangels der Bürger und Bauern" versuchte, den Untertanen die ungewohnten Nahrungsmittel schmackhaft zu machen. In einem Zirkularschreiben vom 18. Juli 1748 ordnete er den Kartoffelanbau mit diesen, keinen Widerspruch duldenden Worten an: "Ihr habt als Unserer allerhöchsten Willens-Meynung zu folgen, den Bau der Tartüffeln Euch besonders gelegen seyn zu laßen und die Unterthanen dazu gleichfalß zu encouragieren und Ihnen den darauß zu hoffenden Nutzen recht begleiflich zu machen."

Das isst Preußen, das ist Preußen

Am 24. März 1756 forderte Friedrich II. mit Blick auf die angespannte Versorgungslage und auch schon auf einen kommenden Krieg, der sich zum Siebenjährigen Krieg auswuchs, seine Land- und Steuerräte, die Magistrate und alle seine Beamten auf, notfalls auch Soldaten zur Förderung und zum Schutz des Kartoffelanbaus einzusetzen. "Es ist Uns in höchster Person in Unsern und andern Provintzien die Anpflanzung der sogenannten Tartoffeln, als ein nützliches und so wohl für Menschen, als Vieh auf sehr vielfache Art dienliches Erd Gewächse, ernstlich anbefohlen. [...] Übrigens müßt ihr es beym bloßen Bekanntwerden der Instruction nicht bewenden, sondern durch die Land-Dragoner und andere Creißbediente Anfang May revidieren lassen, ob auch Fleiß bey der Anpflantzung gebraucht worden", ließ der König seine Untergebenen wissen, die die Befehle mündlich weitergaben, weil die überwiegende Zahl der Menschen weder lesen noch schreiben konnte.

Wenn der König mit der Kutsche übers Land fuhr, ließ er in den Dörfern halten und beschimpfte die bei den Kartoffeln noch zögerlich eingestellten Bauern mit den Worten: "Kerls, ihr sollt mehr Kartoffeln anbauen, Preußen soll Kartoffeln essen, das ist was Gutes" und hatte Erfolg. Dass das Militär am Tag die Kartoffelfelder bewachen musste und sie in der Nacht neugierigen Bauern zum Plündern überließ, gehört ins Reich der Legende. Belege für die im 19. Jahrhundert von Friedrich-Verehrern kolportierten Geschichten konnten nicht gefunden werden. Fest steht, dass um 1770 klimatische Veränderungen eine große Hungersnot Preußen und weitere Teile des römisch-deutschen Reichs sowie in Europa bewirkten, weshalb man aus der Not eine Tugend gemacht hat. So stieg die Kartoffel nach und nach zum Volksnahrungsmittel auf.

Knollenprediger ziehen durch das Land

Ende des 18. Jahrhunderts bejubelte der Berliner Aufklärer, Verleger und Buchautor Friedrich Nicolai die durch Rezepte in Kochbüchern und gelehrte Abhandlungen geförderte Sympathie für die Erdfrüchte gejubelt: "Friedrich der Große, die Amerikanische Republik und - die Kartoffel - wären als Tendenzen unseres Zeitalters zu nennen", während Heinrich Heine 1826 mit Blick auf den Import der Kartoffel aus Amerika durch Seeleute spottete: "Luther erschütterte Deutschland - aber Franz Drake beruhigte es wieder. Er gab uns die Kartoffel". 1861 stellte das "Handbuch des preußischen Staates" von Carl Friedrich Wilhelm Dietericis für die preußischen Provinzen Sachsen, Brandenburg, Rheinland und Westfalen "eine unglaubliche Verbreitung der Kartoffel" fest. Mit Recht hieß es damals: "Preußen isst die Kartoffel - die Kartoffel ist Preußen!

Zahlreiche Bilder, Drucke, Handschriften, landwirtschaftliche Geräte und andere Hinterlassenschaften in Museen, Bibliotheken und Archiven belegen den beschwerlichen Weg der Kartoffel vom Futter im Schweinetrog in die Kochtöpfe der Menschen des 18. und 19. Jahrhunderts und, was bei dem Thema auch eine große Rolle spielte, in deren Schnapsgläser. Verschiedene durch Preußen und andere Länder ziehende "Knollenprediger" warben für die Vorteile der Kartoffel, die langsam auch in den Küchen besser gestellter Klassen und Schichten und sogar am königlichen Hof Einzug hielt. Zu einer Ausstellung im Potsdamer Haus der Brandenburgischen Geschichte erschien 2012 anlässlich des 300. Geburtstags von Friedrichs dem Großen im Verlag für Berlin-Brandenburg das lesenswerte Buch "König und Kartoffel" mit vielen Bildern und Dokumenten.

28. Juni 2018

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