Der Schritt vom Sprung zum Flug
Tafeln und Denkmäler ehren in Berlin, Derwitz und Anklam den Fabrikanten und Flugpionier Otto Lilienthal



Wo einst an der Köpenicker Straße in Berlin die Lilienthalsche Maschinenfabrik stand, erinnert heute eine Stele aus Metall an den Flugpionier.



Das Ikarus-Denkmal in Berliner Ortsteil Lichterfelde ehrt Otto Lilienthal mit der Figur des Fliegers aus der antiken Mythologie.





Viel Symbolik steckt in dem Denkmal, das sich im Steglitzer Lilienpark über einem kleinen See erhebt.



Das Stahlskelett auf einem Hügel im brandenburgischen Derwitz zeigt, wie der Lilienthalsche Flugapparat ausgesehen hat.



Die DDR ehrte Otto Lilienthal 1971 mit einer Gedenkmünze zu fünf Mark, daneben würdigt das Zehn-Mark-Stück von 1978 den gemeinsamen Weltraumflug von Sigmund Jähn am 26. August 1978 in der sowjetischen Sojus 31 zusammen mit Waleri Fjodorowitsch Bykowski. (Fotos: Caspar)

Eine Gedenktafel in der Köpenicker Straße im Berliner Ortsteil Mitte-Kreuzberg erinnert an den Flugpionier Otto Lilienthal. Der Ingenieur war ab 1881 Inhaber einer Maschinenfabrik, deren Bauten schon lange nicht mehr existieren wie viele andere Häuser in der von Bomben im Zweiten Weltkrieg schwer zerstörten Gegend. Lilienthal stellte unter anderem Dampfkessel und Dampfmaschinen her, doch mehr noch trieb ihn die Frage um, wie sich der Mensch die dritte Dimension erobern kann. Zwar hatten Menschen seit der Antike versucht und wie der legendäre Ikarus viele Opfer gebracht, sich in die Lüfte zu erheben. Erst im ausgehenden 18. Jahrhundert war dies mit Hilfe von Ballons, den nach ihren Erfindern benannten Montglofièren, möglich.

Lilienthal erkannte, dass die von manchen Erfindern konstruierten künstlichen Flügel, die mit menschlicher Muskel- oder durch Motorkraft bewegt werden, zu keinen Erfolg führen. Deshalb beschritt er auf Grund der Beobachtung von Vögeln andere Wege. 1889 veröffentlichte er, seit 1886 Mitglied im Deutschen Verein zur Förderung der Luftschifffahrt, sein Buch "Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst". Zeitgleich begann er mit Versuchen mit selbstgebauten "manntragenden" Flugapparaten, mit denen er immerhin Entfernungen bis zu 250 Meter bewältigte. Er experimentierte in seinem Garten auf dem Fliegerberg in Lichterfelde bei Berlin, den er hatte aufschütten lassen, und an Orten außerhalb von Berlin.

Fabrikant und Theaterleiter

Otto Lilienthals Übungen, die als "Schritt zum Sprung und vom Sprung zum Flug" beschrieben wurden, erregten großes Aufsehen. Fotografien vom Gleitflug eines Menschen gingen um die Welt. Am 9. August 1896 stürzte Lilienthal in den Rhinower Bergen bei Neustadt/Dosse ab und starb einen Tag später in Berlin an den Folgen dieses tragischen Unfalls. Dass sich Otto Lilienthal, der mit seinem Bruder Gustav auch Erfinder der später so genannten Anker-Steinbaukastens und Inhaber von 20 Patenten war, darunter auch solchen für Flugapparate, den Musen zugehörig fühlte, ist kaum bekannt. Er war Leiter des Ostend-Theaters in der Großen Frankfurter Straße in Berlin, trat als Schauspieler auf und schrieb Theaterstücke, die aber kaum einer mehr kennt.

In einem Park an der Bäkestraße in Lichterfelde steht auf einer Steinpyramide die Figur des antiken Ikarus. Das Denkmal ehrt Otto Lilienthal und erinnert mit der überlebensgroßen Figur mit den ausgebreiteten Flügeln an den Sohn des Daidalos, des mythischen Erbauers des Labyrinths auf Kreta. Er wollte mit seinem Vater von der Insel fliehen und soll dazu aus Federn und Wachs gefertigte Flügel benutzt haben. Als sich Ikarus, so die Legende, der Sonne näherte, schmolz das Wachs. Der kühne Flieger stürzte ins Meer und starb. Das von Peter Breuer geschaffene Denkmal würdigt den unerschrockenen Konstrukteur und Experimentator Lilienthal. Sein Bildnis schmückt die Vorderseite des Sockels mit der Widmung "Zu Ehren des ersten Fliegers Otto Lilienthal gestaltete Peter Breuer im Auftrag Lichterfelder Bürger dieses am 17. 6. 1914 eingeweihte Denkmal". Auf der Rückseite des Sockels wird der italienische Maler, Techniker und Experimentator Leonardo da Vinci (1452-1519), der sich wie Lilienthal mit der Konstruktion von Flugapparaten befasst und welche gezeichnet hat, mit diesen etwas kryptischen Worten zitiert: "Es wird seinen ersten Flug nehmen der große Vogel vom Rücken des Hügels aus das Universum mit Verblüffung. Alle Schriften mit seinem Ruhme füllend und ewige Glorie dem Ort wo er geboren ward".

Im südlichsten Zipfel des Berliner Ortsteils Steglitz gibt es im Lilienthal-Park ein weiteres dem Flugpionier gewidmetes Denkmal. Es wurde 1932 enthüllt und steht auf dem so genannten Fliegerberg, auf dem Otto Lilienthal seine Versuche unternommen hat. Geschaffen von Fritz Freymüller, besteht die Anlage aus einem ringförmigen Laubengang um eine Weltkugel aus Bronze. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Globus eingeschmolzen und durch einen solchen aus Beton ersetzt. Die Kugel wiederum wurde 1990 durch einen weiteren Globus, jetzt wieder aus Bronze, ersetzt.

Gleitapparat auf dem Windmühlenberg

Auf dem Windmühlenberg in Derwitz (Landkreis Potsdam-Mittelmark) steht seit 1991 eine Stahlskulptur, die dem von Lilienthal benutzten Gleitflugapparat nachempfunden ist. Der Bildhauer Wilfried Statt hat eine Konstruktion in den Maßen und Konturen des Lilienthalschen Fluggeräts geschaffen und sie in einen Würfel auf der Bergkuppe aufgehängt. Eine Stufenpyramide in diesem luftigen Gebilde symbolisiert den steinigen Weg, den Lilienthal zurück legen musste, bis er sich gleitend und die Kräfte des Windes ausnutzend vom Boden erheben und Distanzen bis zu 300 Metern überwinden konnte. Das zur Hundertjahrfeier der Lilienthalschen Flugversuche aufgestellte Denkmal ist gut an der Ortsverbindungsstraße zwischen Derwitz und Krielow zu finden. Das Lilienthaldorf Derwitz besitzt ein dem Flugpionier gewidmetes Museum.

Otto Lilienthal wurde am 9. August 1896 bei einem seiner spektakulären Flugübungen auf dem Gollenberg bei Stölln (Landkreis Havelland) von einer starken Windböe erfasst und stürzte ab. Er wurde so stark verletzt, dass er am Tag darauf in Berlin starb. Ein kleiner Gedenkstein bezeichnet die Unglücksstelle, auch in Derwitz findet man einen solchen Hinweis auf die tragisch geendeten Versuche. Stölln übt bis heute große Anziehungskraft auf Segelflieger aus und blickt als Ausbildungsstätte für sie auf eine in die Kaiserzeit zurück reichende Tradition.

Hommage an Bruder Gustav Lilienthal

Das Lilienthal-Museum in Anklam erinnert an den großen Sohn der Stadt in Mecklenburg-Vorpommern und schildert anhand von Flugapparaten, Modellen, Zeichnungen und Beschreibungen, wie Menschen seit dem Altertum versuchten, sich in die Luft zu erheben und die Schwerkraft zu überwinden. Das Museum verfügt über ein Archiv, in dem sich Interessenten über die Geschichte der Luftfahrt und natürlich über den Flugpionier selbst in Bild und Schrift informieren können.

Otto Lilienthal ist in Anklam mehrfach durch Büsten, Denkmäler und Gedenktafeln vertreten. Eine riesige Stele auf dem Pferdemarkt ist schon von weitem zu sehen. Ein weiteres, von Eckhart Herrmann gestaltetes Denkmal aus Bronze an der Keilstraße ehrt die Brüder Lilienthal, und zwar Otto ganz oben mit seinem Flugapparat und Gustav zu seinen Füßen in ein Buch schreibend. Das 2014 zur Siebenhundertjahrfeier von Anklam feierlich enthüllte Standbild ist zu Recht auch eine Hommage an den Architekten, Erfinder und Sozialreformer Gustav Lilienthal (Bild rechts). Der jüngere Bruder unterstützte Otto durch Forschungen über den Vogelflug und tritt nun in Anklam aus dem Schatten des Älteren heraus.

7. Mai 2018

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