König fand Meisterwerk fatal
Schadows berühmtes Doppelstandbild der Prinzessinnen Luise und Friederike kam erst spät zu Ehren



Dem königlichen Gemahl gefiel Schadows anmutige Darstellung seiner Gattin Luise und ihrer Schwester Friederike nicht. Das Modell war in der Friedrichswerderschen Kirche ausgestellt, die allerdings wegen Gefahren durch Baumaßnahmen in der Umgebung bis auf weiteres geschlossen ist. Die Ausführung in Marmor steht in der Alten Nationalgalerie.



Kopien des Doppelstandbildes von Schadow und des von Christian Daniel Rauch geschaffenen Grabmals der 1810 verstorbenen Königin stehen im Vestibül des Neuen Flügels von Schloss Charlottenburg.



Ursprünglich wollte der Bildhauer der schönen Prinzessin ein hübsches Blumenkörbchen in die Hand drücken, doch fand man das am Berliner Hof degoutant, weshalb die spätere Königin ein Tüchlein in der Hand hält.



Die Standbilder von Schadow und Rauch waren viele Jahre in der jetzt wegen Gefahr durch Baumaßnahmen am Werderschen Markt baupolizeilich gesperrten Friedrichswerderschen Kirche ausgestellt.



Die Familie von Friedrich Wilhelm III. und Luise pflegte einen bürgerlichen Lebensstil der gehobenen Klasse und ließ sich gern ohne herrscherliche Insignien darstellen.





Mal als lustiges und hübsches Girl, aber doch auch als Königin der Herzen und der Schmerzen kommt die von Hansi Arnstädt und anderen Schauspielerinnen verkörperte Königin von Preußen daher. (Fotos/Repros: Caspar)

Zu den schönsten Arbeiten der Bildhauerkunst des Klassizismus gehört ohne Zweifel das Doppelstandbild der Prinzessinnen Luise und Friederike von Mecklenburg-Strelitz. Mit weiteren Bildhauerarbeiten ist die von dem Bildhauer Johann Gottfried Schadow im Jahr 1796/7 geschaffene Berühmtheit im zweibändigen Bestandskatalog "Nationalgalerie Berlin. Das 19. Jahrhundert. Bestandskatalog der Skulpturen" verzeichnet und abgebildet. Herausgegeben von Bernhard Maaz, verzeichnet das Nachschlagewerk fast 1500 Objekte, wobei das Spektrum von Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch bis zu Auguste Rodin und Aristide Maillol reicht.

Mit dem lieblichen Porträt der mit den Preußenprinzen Friedrich Wilhelm und Ludwig vermählten Mecklenburgerinnen hatte Hofbildhauer Schadow wenig Glück. Denn Kronprinz Friedrich Wilhelm, der mit der schönen Luise vermählt war und ab 1797 als König Friedrich Wilhelm III. Preußen regierte, tat das Werk mit dem lapidaren Satz "Ist mir fatal!" ab, also peinlich oder unangenehm. Das später als Inkunabel klassizistischer Bildhauerkunst gepriesene Werk hatte in der Tat wenig Majestätisches an sich, dafür aber viel Charme und Liebreiz. Die jungen Frauen sind geradezu bürgerlich aufgefasst. Sie tragen keine Insignien ihres hohen Standes, und man sieht ihnen auch nicht an, dass sie aus einem fürstliche Haus kommen.

Der schon sehr betagte Schadow hat Jahrzehnte später in seinem Erinnerungsbuch die Ablehnung seiner Doppelstatue, die als Vorbild für Figuren der Königlichen Porzellanmanufaktur dienen sollte, nicht näher reflektiert. Er bemerkte lediglich, der Künstler, also er selber, habe an dem Modell "in stiller Begeisterung" gearbeitet. "Der Kopfputz der Kronprinzessin (Luise) und die Binde unter dem Kinn sollte eine Schwellung decken, die am Halse entstanden war, nachmals aber wieder verschwand", schrieb der Bildhauer. Dieses Detail sei von den Damen jener Zeit "als Mode nachgeahmt" worden. Ursprünglich wollte Schadow der Kronprinzessin Luise ein Blumenkörbchen in die Hand drücken. Doch wurde das als unschicklich empfunden, denn die künftige Königin von Preußen durfte unmöglich als Blumenmädchen dargestellt werden. Deshalb wechselte der Bildhauer das als anstößig empfundene Utensil durch ein Tüchlein aus.

Lange der Öffentlichkeit vorenthalten

Schadows Werk blieb lange der Öffentlichkeit verborgen. Erst im späten 19. Jahrhundert hat man es aus einem dunklen Winkel im Berliner Schloss ans Licht geholt und der begeisterten Öffentlichkeit vorgestellt. Heute zieht die marmorne Prinzessinnengruppe in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel bewundernde Blicke auf sich, während das Gipsmodell in der Friedrichswerderschen Kirche wenige hundert Meter entfernt stand. Eine Kopie können im Vestibül des Neuen Flügels des Schlosses Charlottenburg mit weiteren Meisterwerken der klassizistischen Bildhauerkunst betrachtet werden konnte. Der Bestandskatalog der Skulpturen in der Berliner Nationalgalerie Preußischer Kulturbesitz erschien im Verlag E. A. Seemann Leipzig (ISBN-10: 3-86502-119-0). Zusammen kosten die beiden Bände mit je 480 Seiten und über 1500 meist schwarzweißen Abbildungen 49,90 Euro; ergänzend gibt es eine CD-ROM für 14,90 Euro.

Luise von Preußen wurde schon zu Lebzeiten, aber mehr noch nach ihrem frühen Tod am 19. Juli 1810 verehrt. Viele Legenden ranken sich um sie, es gibt zahllose Porträts der Königin, und als um 1900 das Kino populär wurde, wurde ihr Leben ohne Rücksicht auf historische Fakten verfilmt. Mal heroisch-entschlossen, mal tränenüberströmt, mal liebevoll-mütterlich kommt in den Stummfilmen und alsbald auch Tonfilmen die Königin von Preußen als Lichtgestalt, ja als "preußische Madonna" daher, den Helden der Befreiungskriege, die sie nicht mehrt erlebte, als leuchtender Stern vorangehend. Eine beliebte Schlüsselszene ist die Begegnung im Sommer 1807 der Königin von Preußen mit Napoleon I., dem im Krieg von 1806/7 siegreichen Kaiser der Franzosen. Bei den Friedensverhandlungen in Tilsit ging es für Preußen um alles oder nichts. Im den kaiserlichen Aufsteiger freundlich zu stimmen, wurde die schöne Preußenkönigin ins Rennen geschickt, um günstige Friedensbedingungen für ihr Land erwirken. Doch ihre tränenreichen Bitten zogen nicht. Napoleons Entschluss "So muss ich es Preußen unmöglich machen, je etwas gegen die Interessen Frankreichs zu unternehmen" stand fest.

1912 wurde an Originalschauplätzen ein als "historisch-vaterländisches Gemälde in 3 Abteilungen" angepriesener Spielfilm gedreht. Kaiser Wilhelm II., der viel von dem neuen Medium hielt und sich gern in bewegten Bildern ablichten ließ, genehmigte der Deutschen Mutoskop- und Biograph Gesellschaft, Unter den Linden zu drehen, natürlich nur in Schwarz-Weiß und ohne Ton. Der Vorspann erläutert, es gehe in diesem Werk um eine Lichtgestalt, die dem deutschen Volk von Gott in einer schweren Zeit geschenkt wurde und zu der es voll Begeisterung und Bewunderung aufsehen könne. Dem Streifen mit der Schauspielerin Johanna Arnstadt in der Titelrolle lag ein damals populärer Bild-Text-Bandes zugrunde, in dem die Grafiker Carl Röchling, Richard Knötel und Woldemar Friedrich das Leben der zu königlichen Ehren gelangten Prinzessin Luise von Mecklenburg-Strelitz gestaltet hatten. Regisseur Franz Porten brauchte nur die farbigen Bilder herzunehmen und nach ihnen seine Szenen zu arrangieren, etwa die Begegnung des preußischen Kronprinzen und nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm III. mit der jungen, lebenslustigen und klugen Prinzessin Luise und den Einzug des Brautpaars in Berlin. In dem Film fehlte das mehrfach auf Bildern und Grafiken dargestellte Gelöbnis zu ewiger Freundschaft und Bündnistreue nicht, das Friedrich Wilhelm III. und Zar Alexander I. im Luises Beisein Ende 1805 einander an den Gräbern der beiden Preußenkönige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II., des Großen, in der Potsdamer Garnisonkirche abgaben. Analog zu dem illustrierten Volksbuch verherrlichte der Film Luise als nimmermüde Landesmutter, die sich in Preußens schwersten Stunden rührend um ihre Untertanen sorgt. Obwohl sie eine Krone trägt, ist sie doch eine von uns, lautete die Botschaft, ja sie ist es, die als "Königin der Schmerzen" alles tut, um das schwere Los zu lindern, das der französische Kaiser Napoleon den Preußen auferlegt.

Filme konkurrieren untereinander

Ob dieser erste Luisen-Film ein Erfolg war, können wir nicht beurteilen. Die Hommage an seine Urgroßmutter mag Wilhelm II. gefallen haben, der gern in Uniformen seiner Vorfahren posierte und diese durch Denkmäler auf der Berliner Siegesallee ehrte. Nach dem Ende der Monarchie, als republikanischer Geist das Land durchwehte, gab es eine Diskussion über inhaltliche und gestalterische Fragen. Die Filmzensur nahm an den "zum Teil in übelsten Untertanenstil gehaltenen Zwischentiteln", wie sie schrieb, und an franzosenkritischen Sequenzen Anstoß. Aus diesem Grund wurde der Streifen 1922 verboten, man wollte die Siegermacht im Ersten Weltkrieg Frankreich nicht verärgern. Während der Weimarer Republik konkurrierten sechs Luisenfilme miteinander. In der Nazizeit wurde Friedrich der Große in Monumentalfilmen von allen Seiten betrachtet, natürlich auch der Reichsgründer und erste Reichskanzler Otto von Bismarck, zwei historische Gestalten, in denen Adolf Hitler so etwas wie seine Vorgänger sah.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war mit den Hohenzollern zunächst einmal kein Geschäft zu machen, erst 1957 kam unter dem Titel "Luise - Liebe und Leid einer Königin" in der Bundesrepublik ein weiterer Film dieser Art heraus. Unter der Regie von Wolfgang Liebeneiner, der schon in der Nazizeit eine große Nummer in dem vom Propagandaminister Goebbels kontrollierten Filmwesen war, agierten Ruth Leuwerick und Dieter Borsche als ein recht unterschiedlich geartetes Königspaar, Bernhard Wicki trat als Zar Alexander I. und René Deltgen als französischer Kaiser Napoleon I. auf. Die Kritik war von dem Kostümfilm wenig angetan, die Handlung war vorhersehbar, Konflikte am preußischen Hof um Krieg und Frieden wurden ausgespart. Die Protagonisten mühten sich "in Fontanischem Geist" redlich, die Größe und Tragik im Leben der Monarchin zu schildern, hie es. Während in süßlich-kitschiger Weise das verfilmte Leben der tragisch geendeten österreichischen Kaiserin Elisabeth "("Sissi") ein Millionenpublikum begeisterte, geriet der Luisen-Film zu einem Flop. Heute kennt kaum jemand ihn.

Die königliche Bittstellerin hatte nicht mehr lange zu leben. Sie starb am 19. Juli 1810 tief betrauert im Alter von nur 34 Jahren. Es dauerte nicht lange, da begann ihr Nachleben als Heldin kitschiger Romane. Man hat sie sogar als Modedesignern verehrt, weil sie auf diesem Gebiet tonangebend war. Dass sie im 19. und frühen 20. Jahrhundert für nationalistische und militaristische Zwecke missbraucht wurde, kann man ihr nicht anlasten. Ihre Instrumentalisierung als Ikone aufopferungsvollen Preußentums war Thema von Ausstellungen und Publikationen von 2010 anlässlich ihres frühen Todes 200 Jahre zuvor.

26. Juli 2018

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