"Euer Denkmal habt Ihr Euch selbst gesetzt"
Märzrevolution von 1848 lehrte den König von Preußen und seine feudale Kamarilla das Fürchten





Friedrich Wilhelm IV. ließ seine Soldaten 1844 mit Waffengewalt gegen hungernde Menschen in Schlesien und 1848 gegen aufrührerische Berliner vorgehen. Nach der Schießerei vergoss der König von Preußen Krokodilstränen und schwor Rache.





Mehr als zwei Drittel der Barrikadenkämpfer vom März 1848 war jünger als 24 Jahre alt, der Jüngste auf dem Friedhof der Märzgefallenen bestatteten Berliner war erst zwölf Jahre alt. Die Bilder zeigen oben die Trauerfeier und Beerdigung der Toten im März 1848, darunter zeigt die farbige Postkarte, wie der Friedhof in der Kaiserzeit ausgesehen hat.



Auf dem Friedhof der Märzgefallenen finden alljährlich am 18. März Ansprachen und Kranzniederlegungen statt.



Tafeln und Kreuze aus Gusseisen sowie Gedenksteine und die Figur eines Roten Matrose erinnern auf dem Friedhof der Märzgefallenen an die Opfer der Revolutionen von 1848 und 1918.



Im Ausstellungsgebäude wird unter dem einem Lied von Ferdinand Freiligrath entnommenen Motto "Trotz alledem und alledem" an den Verlauf und die Ergebnisse der Revolution von 1848/49 sowie ihr Nachwirken bis in unsere Zeit erinnert. (Fotos/Repro: Caspar)

Vierhundert Jahre hielten die Berliner still, bis sie am 18. März 1848 zu den Waffen griffen und die Hohenzollern, allen voran König Friedrich Wilhelm IV., das Fürchten lehrten. Anno 1448 ging beim "Berliner Unwillen" ein Ahnherr des auch "Romantiker auf dem Thron" genannten Preußenkönigs, Kurfürst Friedrich II., mit Rittern und Landsknechten gegen die aufmüpfigen Bewohner der Doppelstadt Berlin-Cölln vor, die die Festigung der Landesherrschaft und die Errichtung einer Zwingburg auf einer Insel zwischen den beiden Spreearmen verhindern wollten. Dem "Berliner Unwillen" folgten Zeiten der Unterwerfung und Anpassung. Ehemals bürgerstolze Handwerker und Händler wurden Hoflieferanten oder machten im Beamtenstaat Karriere. Diejenigen, die im März 1848, vor nunmehr 170 Jahren, unter den Augen ihres erschrockenen Königs und seiner Kamarilla Barrikaden errichteten, werden an die Ereignisse in grauer Vorzeit kaum gedacht haben. Ihnen ging es nicht mehr darum zu verhindern, dass sich ein fremder Fürst in ihren Mauern breit macht. Es ging um die Frage, längst herangereifte Veränderungen in der Politik, Wirtschaft, auf sozialem Gebiet sowie im Bildungs- und Pressewesen endlich zu verwirklichen, das alte Feudalsystem abzuschaffen und dem Volkswillen durch freie Wahlen mehr Gehör zu verschaffen.

Viele Menschen verließen das Land

In den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 hatte Friedrich Wilhelm III. noch versprochen, an die er sich nach Beseitigung der napoleonischen Fremdherrschaft nicht mehr erinnern wollten. Im Gegenteil: Das politische Klima hatte sich seit Erlass der "Karlsbader Beschlüsse" 1819 erheblich verschärft. Burschenschaftler, Demokraten, Liberale, Turner und andere vom Feudalsystem als feindlich eingestufte Personen wurden verfolgt, mundtot gemacht und aus akademischen Ämtern vertrieben. Ab jetzt war es verboten, seine Meinung über die Verhältnisse frei zu äußern, dies verhinderten die verhassten Zensurbehörden. Wer sich nicht an die Vorschriften hielt, riskierte seine Freiheit und in einigen Fällen auch sein Leben. Wer es in Preußen und dem Deutschen Bund nicht mehr aushielt, wanderte aus. Viele Deutsche erreichten die Vereinigten Staaten von Amerika und trugen Ideen der Freiheit und Demokratie dorthin. Noch heute werden in den USA Köpfe der deutschen und europäischen Freiheitsbewegung vor und nach 1848 als Vorbilder verehrt, hierzulande sind die wenigsten Vorkämpfer von damals noch bekannt.

Vor 170 Jahren gab es am Vorabend der Märzrevolution von 1848 Volkserhebungen in Frankreich, Österreich, Süddeutschland, Oberitalien, Ungarn, Polen und anderen Staaten. Die Gründe waren vielfältig - politische Unterdrückung, Verweigerung demokratischer Rechte, die Herrschaft fremder Mächte im eigenen Land, Hunger und Not und alles in allem Perspektivlosigkeit. Während es höfischen Kreisen, Großgrundbesitzern, reichen Fabrikanten und anderen "gehobenen" Personen an nichts fehlte, litt die Masse der Bevölkerung an Hunger, Bildungsnot und miserablen Behausungen. Wer Arbeit hatte, wurde schlecht bezahlt und behandelt. So kam es 1848 zur Revolution, ausgehend von Frankreich, in mehreren deutschen Monarchien und im Ausland. p m5euchepuilehem, e54scherfaFrherruielKaiser und Könige verkrochen sich in sicheren Provinzen oder dankten ab. Der Not gehorchend versprachen sie liberale Gesetze und Verfassungen, gaben sich volksnah, steckten wie König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen sogar schwarz-rot-goldene Kokarden an, entließen besonders verhasste Minister. Die Nachrichten von den Aufständen und Rebellionen erreichten auch Berlin. Noch nie hatten die Drucker von regimekritischen Flugblättern so viel zu tun, noch nie wurden die Zeitungen in Lesecafés und auf der Straße so eifrig nach politischen Neuigkeiten durchgesucht. Radikale soziale und politische Forderungen wurden in jenen Tagen laut: Presse- und Versammlungsfreiheit, Aufstellung einer Bürgerwehr als Äquivalent für das verhasste stehende Heer, Zulassung demokratischer Parteien sowie freie, gleiche und geheime Wahlen. Laut wurde nach der Abschaffung der Privilegien des Adels gerufen. Weitere wichtige Forderungen waren die Überwindung der Kleinstaaterei und die Herstellung der Reichseinheit unter einem deutschen Kaiser.

Traum vom mittelalterlichen Ständestaat

Friedrich Wilhelm IV., als "Romantiker auf dem Thron" ein Freund der Architektur und der Künste, reagierte in der Machtfrage unter dem Einfluss seiner um ihre Privilegien bangende Kamarilla glashart. Zwischen ihm und "seinem" Volk werde sich nie ein Fetzen Papier drängen, sagte er mit Blick auf Forderungen nach einer Verfassung, die es schon in einigen anderen deutschen Staaten gab. "Wenn die revolutionäre Partei ihr Programm durchführt, wird meine verhältnismäßig kleine Krone zerbrochen sein", schrieb der standesbewusste König von an Königin Victoria von England. Dass die Hohenzollern sehr gut auch in einer konstitutionellen Monarchie hätten regieren können, vergleichbar mit den Befugnissen heutiger gekrönter Staatsoberhäupter, kam dem von seinem Gottesgnadentum überzeugten Preußenherrscher nicht in den Sinn. Sein Traum war ein mittelalterlicher Ständestaat, in dem jeder einen festgelegten Platz ausfüllt und niemals die ihm zudiktierten Schranken überschreitet. Über allem thronte in diesem Staatsmodell der angeblich mit der Gnade Gottes ausgestattete König.

Nachdem sich die Berliner im Zeughaus Unter den Linden bewaffnet und sich hinter eilig aufgetürmten Barrikaden verschanzt hatten, ließ der König am 18. März 1848 das Militär marschieren. Als die ersten Schüsse gefallen und die ersten Toten zu beklagen waren, behauptete Seine Majestät in seinem Aufruf "An meine lieben Berliner", es hätten sich zwei Gewehre der Infanterie "von selbst" entladen. Und schon wurde die Schuld an dem Aufruhr einer "Rotte von Bösewichtern, meist aus Fremden bestehend" zugeschrieben. "Meine Truppen, Eure Brüder und Landsleute, haben erst dann von der Waffe Gebrauch gemacht als sie durch viele Schüsse aus der Königsstraße dazu gezwungen wurden. Das siegreiche Vordringen der Truppen war die nothwendige Folge davon". Scheinheilig appellierte der Herrscher an seine Untertanen, das Geschehene zu vergessen. "Eure liebreiche Königin und wahrhaft treue Mutter und Freundinn, die sehr leidend darnieder liegt, vereint ihre innigen, thränenreichen Bitten mit den Meinigen", endet der Aufruf an die Berliner, die Barrikaden und Straßen zu verlassen und den Kampf einzustellen. Um seine friedfertigen Absichten zu unterstreichen, steckte sich der König eine schwarz-rot-goldene Kokarde an die Uniform und vollführte unter der deutschen Nationalflagge mit seinen Höflingen einen Ritt durch seine Haupt- und Residenzstadt.

Mit Waffengewalt Friedhofsruhe hergestellt

Die Berliner haben die Proklamation des Königs zerrissen und zertrampelt. Überall gingen regimekritische Zeitungen und Karikaturen von Hand zu Hand, in denen die hilflosen Mühen der Majestät als unglaubwürdig und scheinheilig gebrandmarkt wurden. Die aufgebrachten Berliner konnten sich die Kritik am Landesherrn leisten, denn das Militär hatte sich nach den ersten Straßenkämpfen zurückgezogen, stand aber Gewehr bei Fuß, um beim ersten günstigen Moment zurückzukehren und mit Waffengewalt die alte Ordnung wiederherzustellen. Bald schon sollte sich der bittende Ton des von Depressionen befallenen Königs verändern, und wenige Monate nach seiner spektakulären Ehrerweisung vor den Toten der Märzrevolution waren es preußische Truppen, die mit Waffengewalt nur in Berlin und anderen preußischen Städten, sondern auch in süddeutschen Fürstentümern für Friedhofsruhe sorgten. Hierbei ging Prinz Wilhelm, der jüngere Bruder Friedrich Wilhelms IV., unrühmlich durch die blutige Niederschlagung der Aufstände vor allem im süddeutschen Raum in die Geschichte ein. Dem "Kartätschenprinzen" und späteren König und ab 1871 deutschen Kaiser Wilhelm I. errichtete Friedrich Wilhelm IV. nahe Schloss Sanssouci einen Triumphbogen. Eine auf dem Berliner Invalidenplatz errichtete Siegessäule zu Ehren der auf königlicher Seite kämpfenden Soldaten und ihrer Toten wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als verachtenswertes Erinnerungszeichen der Konterrevolution abgerissen.

Der Friedhof der Märzgefallenen, auf dem am 170. Jahrestag der Revolution von 1848 Kränze niedergelegt und Politikerreden gehalten wurden, war lange der preußischen Obrigkeit ein Dorn im Auge. Erst nach Ende der Monarchie wurde der Begräbnisplatz würdig gestaltet. Die unscheinbare Grünfläche auf dem Lindenbergs am Rand des Volksparks Friedrichshain ist schlecht zu finden. Eine kleine Tafel weist den Weg von der Landsberger Allee, nicht weit vom Platz der Vereinten Nationen (dem früheren Leninplatz), und der Zufahrt zum Krankenhaus Friedrichshain zu der Gedenkstätte, der das sonst bei Friedhöfen übliche pompöse Portal mit Inschriften, Engeln und Kreuzen fehlt. Solange die Hohenzollern herrschten, haben die Behörden die Aufstellung eines würdigen Denkmals und die Errichtung eines großen Eingangsportals mit einer auf die hier bestatteten mehr als 250 Märzgefallenen hinweisenden Inschrift verhindert. Das Gräberfeld draußen vor den Toren der preußischen Haupt- und Residenzstadt war für zunächst 183 Opfer, meistens Arbeiter, Handwerker und Studenten, angelegt worden. Im Laufe des Jahres 1848 kamen weitere Tote hinzu, die ihren schweren Verletzungen erlegen waren. Während auf dem Friedhof der Märzgefallenen Opfer christlichen Glaubens bestattet wurden, hat man solche jüdischer Herkunft auf jüdischen Friedhöfen beerdigt.

Ehrendes Gedenken für die Märzgefallenen

Noch in den Revolutionstagen rief ein Bürgerkomitee zu einer Sammlung für ein Denkmal zur Erinnerung an den Aufstand gegen die Königsherrschaft auf und bat um Gestaltungsvorschläge. Nach der blutigen Niederschlagung der Revolution und der Wiederherstellung der alten Machtverhältnisse wurde der Plan für einen würdigen Gedenkort vereitelt. In der Kaiserzeit hat man den Friedhof zeitweilig durch einen hohen Bretterzaun abgeriegelt, und man versuchte auch, die Angehörigen der hier Bestatteten dazu zu bewegen, ihre Toten auf andere Friedhöfe umzubetten. Weil ihnen der Zutritt verwehrt wurde, haben viele Hinterbliebene eingewilligt. Offenbar befürchteten der kaisertreue Magistrat eine Aufwertung des Friedhofs als Gedenkstätte und Ort politischer Veranstaltungen. Verweigert wurde auch die Aufstellung eines Denkmals oder Inschriftensteins, weil "das Bauwerk eine Ehrung der dort begrabenen ,Märzgefallenen' bezwecke, mithin eine politische Demonstration zur Verherrlichung der Revolution, die aus allgemeinen ordnungsgemäßen Gründen nicht gestattet werden kann". Die für das Denkmal gesammelten 2658 Taler versickerten in "allgemeinen" Kassen.

Auf Dauer aber konnte die Erinnerung an die Toten der Revolution nicht gelöscht werden, und so wurden die von den Sozialdemokraten zu Jahrestagen der Revolution immer wieder organisierten Umzüge und Kundgebungen an den blumengeschmückten Gräbern und den kleinen Tafeln mit den Namen der Todesopfer von 1848 zwar von der Polizei nicht verhindert, aber misstrauisch beobachtet. Programmatisch waren die Worte auf Kranzschleifen wie "Euer Denkmal habt Ihr Euch selbst gesetzt". Nach dem Ende der Monarchie gestaltete Stadtbaumeister Ludwig Hoffmann, dem wir unter anderem den Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain verdanken, den Friedhof um und umschloss die Grabsteine an drei Seiten durch eine Umfassungsmauer. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits zahlreiche Gedenksteine und gusseiserne Kreuze verschwunden.

Die Nationalsozialisten haben den Friedhof und die Gräber zwar nicht eingeebnet, aber sie haben ihn auch nicht gepflegte. Verwahrlost wie er war, sollte er nicht an das Aufbegehren der Berliner ein Jahr zuvor gegen ein menschenfeindliches Regime erinnern. Aus diesem Grunde wurden die Gräber der von rechtsextremen Offizieren ermordeten Begründer der Kommunistischen Partei Deutschlands, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde geschändet und das von Ludwig Mies van der Rohe gestaltete Revolutionsdenkmal zerstört. Wer sich auf dem Friedhof der Märzgefallenen oder am Denkmal für Liebknecht und Luxemburg aufhielt, heimlich Blumen niederlegte oder sich schweigend verbeugte, wurde bei der Gestapo angezeigt und hatte schwere Konsequenzen zu erwarten.

Zur Jahrhundertfeier der Revolution 1948 wurde der Friedhof erneut verändert. Jetzt wurde berücksichtigt, dass hier Ende Dezember 1918 auch Tote der Novemberrevolution bestattet worden waren, weshalb drei große Grabsteine mit Inschriften verlegt wurden. Eine zitiert den damals allmächtigen SED-Chef und späteren DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht, der sich persönlich als Vollender der Novemberevolution von 1918 betrachtete, mit diesen Worten: "Die Vorhut der Arbeiterklasse hat in der Novemberrevolution heroisch gekämpft." An die Opfer beider Revolutionen erinnern in der Mitte des Friedhofs ein Stein mit den Namen der Märzgefallenen sowie die bronzene Figur eines Roten Matrosen, geschaffen von dem Bildhauer Hans Kies im Jahr 1960. Die gartendenkmalpflegerischen Arbeiten der letzten Jahre respektieren diese Fassung aus DDR-Zeiten, bei einigen Grabsteinen wurde auch die verblasste Farbe erneuert. Außerdem bekam die ganze Anlage vor Vandalismus und Missbrauch einen Schutz durch ein Gitter, das über Nacht abgeschlossen wird.

18. März 2018

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