Mauerkranz um Doppelstadt an der Spree
Neue Inschrift erinnert an den Festungsbaumeister Johann Gregor Memhardt, der 1652 den ersten Plan von Berlin und Cölln gezeichnet hat



Johann Gregor Memhardts Stadtplan ist ein eindrucksvoller Kupferstich in den Maßen 35,8 mal 26,5 Zentimeter. Die nach Osten ausgerichtete Karte im Maßstab 1:5100 wurde erstmals 1652 im 13. Band der Merian-Zeillerschen Topographie der Mark Brandenburg publiziert.



Die Inschrift an einem Haus in der Berliner Karl-Liebknecht-Straße erinnert an Johann Gregor Memhardt und seinen Stadtplan von 1652.



Auf einer Karte von La Vigne aus dem Jahr 1685 sind der gezackte Festungskranz rund um die Doppelstadt Berlin und Cölln, die Spree sowie kurfürstliche Vorstädte gut zu erkennen.



An barocken Ansichten hat sich Raimund Faltz orientiert, als er die mit dem Bildnis des Kurfürsten Friedrich III. geschmückte Medaille schuf.





Von der mittelalterlichen Stadtmauer stehen Reste in der zum Klosterviertel gehörenden Waisenstraße. Die in die Ziegelwand eingelassene Tafel berichtet über die Geschichte dieses Ortes unweit des Berliner Alexanderplatzes. (Fotos/Repros: Caspar)

Eine lange Inschrift am Haus Karl-Liebknechtstraße 23/Ecke Memhardstraße unweit des Berliner Alexanderplatzes erinnert neuerdings an Gregor Memhardt (auch Memhard oder Memhart geschrieben), der 1652 den ersten Plan der Doppelstadt Berlin-Cölln gezeichnet und veröffentlicht hat und vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm ein paar Jahre später mit dem Bau eines gezackten Mauerkranzes beauftragt wurde. Der auch Großer Kurfürst genannte Landesherr zog mit der "Befestigung" seiner Haupt- und Residenzstadt Lehren aus dem Dreißigjährigen Krieg, der vor genau 400 Jahren mit dem Prager Fenstersturz begann und erst 1648 nach unvorstellbaren Verlusten an Menschen und materiellen Gütern sowie allgemeiner Ausblutung und Kraftlosigkeit in Münster und Osnabrück beendet wurde und daher Westfälischer Frieden heißt. Im Verlauf des bis dahin schlimmsten aller Kriege war die Haupt- und Residenzstadt an der Spree mehrfach überfallen und ausgeraubt worden. Es dauerte Jahrzehnte, bis das vom Krieg besonders betroffene Kurbandenburg, die mecklenburgischen Herzogtümer sowie andere Regionen im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation die Folgen der Zerstörungen ausgeglichen und die Nachwirkungen der Entvölkerung des Landes überwunden haben.

Der Ingenieur und Festungsbaumeister Johann Gregor Memhardt war 1607 in Linz an der Drau im Herrschaftsbereich der katholischen Habsburger geboren worden und erhielt seine Ausbildung in den Niederlanden, wohin seine protestantische Familie geflohen war. Kurfürst Friedrich Wilhelm, der 1640 den brandenburgischen Thron bestiegen hatte, holte den Spezialisten 1650 nach Berlin und übertrug ihm die Aufsicht über alle seine Bauten. 1658 wurde der Baumeister, der seinen Namen stets mit "dt" schrieb, zum Direktor über die Festungsbauwerke ernannt. Nachdem Memhardt im Jahr 1678 gestorben war, vertraute der Kurfürst die Fortführung des Festungsbaues dem Architekten und Ingenieur Johann Arnold Nering an, dem nach Andreas Schlüter wohl wichtigsten Vertreter des Berliner Barock.

Zum Besten des Landes und der Stadt

Die durch einen kurfürstlichen Erlass vom 18. März 1658 befohlene Fortifikation, die auch die neu gegründeten Vorstädte Neukölln am Wasser und Friedrichswerder einschloss, wurde damit begründet, sie sei "zur Versicherung dero hohen Person (des Kurfürsten, H. C.) und zum Besten des Landes und der Stadt". Friedrich Wilhelm verpflichtete die Berliner, sich mit Geld und Arbeit an der Befestigung ihrer Stadt zu beteiligen. Er zwang seine darüber alles andere als begeisterten, ja erbosten Untertanen zu regelmäßigen Schanzarbeiten und Abgabe von Steuergeldern. Im Festungsbau sah er nicht nur ein Mittel, sich und seinen Hof vor Feinden zu schützen, sondern auch seine aufmüpfigen Untertanen zu disziplinieren.

Der von Memhardt geschaffene "Grundriß der Beyden Churf. Residentz Stätte Berlin und Cölln an der Spree" zeigt, wie die Doppelstadt angelegt ist. Die Legende an der Seite des Kupferstichs hebt hervor, dass der Kurfürst bei der Erarbeitung "Hülff und Vorschub gnädigst gethan" und die Veröffentlichung der Karte in der Vogelperspektive genehmigt hat. Durch Buchstaben markiert sind die Marienkirche, Nikolaikirche, Klosterkirche, Gertraudenkirche und Petrikirche sowie das Rathaus. Zu sehen sind auch die zwischen Berlin und Cölln verlaufende Lange Brücke und die Hundebrücke, aus der Anfang des 19. Jahrhunderts die Schlossbrücke wurde. Im Straßenraster fallen die größeren durchgehenden, parallel zur Spree verlaufenden Straßen wie Spandauer Straße sowie die Jüden- und die Klosterstraße auf. Da sie von schmalen Gassen gekreuzt werden, entstehen rechteckige oder quadratische Blöcke. Zu sehen ist auch die mittelalterliche Stadtmauer mit ihren Türmen Wassergräben und außerhalb der Stadt zahlreiche Felder, Gärten und Waldstücke.

Auf dem Kupferstich sind das kurfürstliche Schloss und der Lustgarten mit seinen zierlich gestalteten Beeten besonders hervorgehoben. Das Schloss im unteren Teil des Stadtplans ist noch ein Renaissancebau, der erst ein halbes Jahrhundert später nach Plänen von Andreas Schlüter in einen Barockpalast umgebaut und erweitert wurde und heute seine Wiedergeburt als Humboldt Forum erlebt. Noch nicht zu erkennen sind die sich an die Hundebrücke anschließende Straße Unter den Linden und das barocke, ebenfalls von Schlüter erbaute Zeughaus, in dem heute das Deutsche Historische Museum untergebracht ist. Angedeutet sind hingegen die Anfänge der neuen, unter Memhardts Aufsicht erbauten Stadtmauer gegenüber dem Lustgarten.

Zu Abgaben und Schanzarbeit gezwungen

Nach zeitgenössischen Berichten mussten täglich bis zu 4000 Berliner riesige Erdmassen bewegen, Gräben ausheben und Hügel anzulegen. Sie mussten sumpfiges Gelände trocken legen und Gräben zuschütten, denn Berlin war damals eine von Gräben durchzogene wasserreiche Stadt. Viele zwangsrekrutierte Menschen sahen die Notwendigkeit des Festungsbaus nicht ein und weigerten sich, den Weisungen der Obrigkeit zu folgen. Da sich der Magistrat außerstande sah, Ruhe und Ordnung zu gewährleisten, schritt der Gouverneur der Stadt mit Waffengewalt ein, brachte die Aufrührer zum Schweigen und zwang sie, am Festungsbau teilzunehmen. Nach zeitgenössischen Berichten sollen bis viertausend Soldaten, Bauern und Bürger am Tag zu den Schanzarbeiten herangezogen worden sein. Wer das nicht wollte oder konnte, musste gegen eine Geldleistung einen Ersatzmann stellen.

Außerhalb des Festungsgürtels, der auf Berliner Stadtansichten aus der Vogelperspektive sowie auf einer im Jahr 1700 geprägten Medaille von Raimund Faltz gut zu erkennen ist, ließen der Große Kurfürst und seine Nachfolger Trabantenstädte errichten, die nach Angehörigen des Hauses Hohenzollern benannt wurden, und zwar Dorotheenstadt, Friedrichstadt, Friedrich-Wilhelmstadt und Dorotheenstadt. Unterm Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., der von 1713 bis 1740 regierte, wurden die aus kurfürstlicher Zeit stammenden Wälle und Bastionen zum großen Teil beseitigt, weil sie sich militärisch nutzlos waren und das Leben in der aufstrebenden königlichen Residenz behinderten. Ganz verzichteten die Hohenzollern auf Palisaden, Mauern und Tore jedoch nicht. Die so genannte Akzisemauer hatte eine Länge von 14, später 17 Kilometern und war 4,20 Meter hoch. Erst in den 1860-er Jahren fiel auch dieses Bollwerk. Noch heute kann man die Lage des vor über 350 Jahren errichteten Festungsgürtels am gekrümmten Verlauf der Bahntrasse zwischen Jannowitzbrücke und Hackeschem Markt erkennen, denn das Gleisbett wurde im späten 19. Jahrhundert auf dem zugeschütteten Festungsgraben angelegt. Da sich das Areal in Staatsbesitz befand, musste man keine Grundstücke kaufen und sparte Kosten.

Der Stadtplan des nicht näher bekannten La Vigne aus dem Jahr 1685 bildet die vier Residenzstädte Berlin, Cölln, Friedrichswerder und Dorotheenstadt ab. Vor den Toren erkennt man Vorstädte, und zwar die Spandauer, Georgen-, Stralauer, Köpenicker und die Leipziger Vorstadt. Die Haupt- und Residenzstadt wird von der Spree durchzogen. Zu erkennen ist im Süden ein Entwässerungsgraben, aus dem sich später der Landwehrkanal entwickelte. Wald-, Wiesen-, Acker- und Gartenflächen, die bis an die Stadttore heranreichen, umschließen die Stadt. Angedeutet ist auch die vom Großen Kurfürsten angelegte Straße Unter den Linden sowie der als Jagdrevier angelegte Tiergarten. Es wird vermutet, das La Vigne als Ingenieur am Bau der Berliner Festungsanlage mitgewirkt hat.

2. Mai 2018

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