"Das ganze Eiland soll ein Paradies werden"
Ein Rundgang durch die mit vielen historischen Bauten besetzte Potsdamer Innenstadt







Das beim britischen Bombenangriff vom 14. April 1945 schwer zerstörte und 1960 abgerissene Stadtschloss erlebte vor einigen Jahren seine Wiedergeburt als Sitz des Brandenburgischen Landtags mit originalgetreu wiederhergestelltem Außenbau und modernem Innenleben.



In dem Schaft des Obelisken auf dem Alten Markt in Potsdam sind Köpfe bedeutender Architekten anstelle von Hohenzollernherrschern eingefügt, hier das Porträt von Knobelsdorff.



Der von Dach bis Keller sanierte und restaurierte Kutschstall auf dem Neuen Markt wird heute vom Haus der Brandenburgisch-preußischen Geschichte für wechselnde Ausstellungen genutzt.







Wenn es nach den Vorgaben der Baupolitik der SED gegangen wäre, dann stünden große Teile des Holländischen Viertels heute nicht mehr. Das Modell im Museum zeigt, wie das aus der Zeit des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. stammende Ensemble aus Backsteinbauten ausgesehen hat.



Zeugnis preußisch-russischer Freundschaft ist die aus Holzhäusern bestehende Kolonie Alexandrowka in der Nähe des Neuen Gartens, ehemals Privatbesitz der Hohenzollern. (Fotos/Repro: Caspar)

Bei dem stattlichen Alter, das die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam auf dem Buckel hat, verwundert es, dass kein Gebäude älter als 350 Jahre ist. Lediglich bei Ausgrabungen fanden Archäologen im Zentrum der anno 993 erstmals als Poztupimi erwähnten Stadt mittelalterliche Bau- und Siedlungsspuren. Auf dem Gelände des "aus Ruinen" wieder auferstandenen und seit Anfang 2014 als Sitz des brandenburgischen Landtages genutzten Stadtschlosses konnten Fundamentreste einer Burg aus der Zeit der Renaissance frei gelegt werden. Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) entdeckte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg die Reize der kleinen Stadt an der Havel. An ihrem Ufer ließ er auf den Fundamenten der mittelalterlichen Burg nach holländischem Vorbild ein Residenzschloss errichten. Der Kurfürst ging energisch daran, aus dem verschlafenen Nest eine ansehnliche Residenzstadt zu machen. Sein Ziel war es, das "ganze Eyland" in ein Paradies zu verwandeln. "Mein herr Vatter hat Potsdam sehr lieb. Es ist auch ein lüstiger ohrt; Ich bin gern da und mein bruder auch", schrieb Kurprinz Friedrich, der 1688 als Friedrich III. die Thronfolge antrat und sich 1701 als Friedrich I. zum König in Preußen krönte.

Die Hohenzollern machten mit großem künstlerischem und finanziellem Aufwand aus Potsdam und seiner Umgebung ein preußisches Arkadien. Unter Friedrich II., dem Großen, erhielt das Stadtschloss nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff seine endgültige Gestalt im Stil des Hochbarock. 1990 bekamen die zur Stiftung Preußische Schlösser Berlin-Brandenburg gehörenden Bauwerke und Parkanlagen Sanssouci, Neuer Garten, Babelsberg, Glienicke und Sacrow einen Platz auf die Unesco-Liste des Weltkulturerbes.

Für Hugenotten Schutz und Hilfe

Brandenburg-Preußen war kein reiches Land. Seine Ressourcen waren begrenzt. Da das durch den Dreißigjährigen Krieg stark geschwächte Kurbrandenburg zu den am dünnsten besiedelten Gebieten im Römisch-deutschen Reich gehörte, richteten die Hohenzollern ihr besonderes Augenmerk darauf, aus fremden Ländern gut ausgebildete Handwerker und Manufakturarbeiter, aber auch Künstler und Gelehrte ins Land zu holen. Das in Potsdam ausgestellte "Chur-Brandenburgische Edict, Betreffend Diejenige Rechte / Privilegia und andere Wohlthaten / welche Se. Churf. Durchl. Zu Brandenburg denen Evangelisch-Reformierten Frantzösischer Nation so sich in Ihren Landen niederlassen werden" stellte den Glaubensflüchtlingen Bürgerrechte, eine eigene Gerichtsbarkeit, unentgeltlichen Eintritt in die Zünfte, Hilfe bei der Instandsetzung verfallener und verlassener Häuser und der Einrichtung von Manufakturen, ferner weitgehende Steuerbefreiung, Ländereien zur Urbarmachung und viele anderen Vergünstigungen in Aussicht.

Beim Um- und Ausbau Potsdams in eine barocke Residenz- und Garnisonstadt gingen sämtliche Gebäude aus dem Mittelalter und der Renaissance verloren. So kommt es, dass das 1674 auf der "Kurfürstlichen Freiheit" in der Breiten Straße als Wohngebäude für die Witwen von Pastoren und ihre Kinder erbaute Predigerwitwenhaus das älteste Gebäude der Stadt ist. Nicht weit von der Garnisonkirche stehend, hat es die Bombardierung Potsdams am 14. April 1945 überstanden und steht noch heute, während andere Gebäude einschließlich der Garnisonkirche stark beschädigt und dann im Zuge der "sozialistischen Umgestaltung" Potsdams abgerissen wurden.

Ehrung für bedeutende Architekten

Der Alte Markt war bis zur Zerstörung seiner Randbebauung durch jenen Bombenangriff das Herz der Residenz- und Garnisonstadt. Einer römischen Piazza nachempfunden, galt er als einer der schönsten Plätze weit und breit. Friedrich II. ließ zwischen Stadtschloss, Rathaus und Nikolaikirche von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff nach italienischem Vorbild einen Obelisken aus rotem und weißem schlesischem Marmor errichten. Der hohe Sockel wird durch Sphingen und Philosophenstatuen geschmückt. Ursprünglich besaß der Obelisk Medaillons mit den Brustbildern von vier Hohenzollernherrschern, die nachhaltig das Bild der Residenz- und Garnisonstadt geprägt haben. Dies waren der Kurfürst Friedrich Wilhelm sowie die Könige Friedrich I., Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. Weil sie aber nicht ins kommunistische Geschichtsbild passten, hat man ihre Bildnisse nach 1969 durch Köpfe der Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff sowie Carl von Gontard, Karl Friedrich Schinkel und Ludwig Persius ersetzt und damit den Obelisken in ein Architektendenkmal verwandelt.

Im 18. und 19. Jahrhundert haben diese und weitere Baumeister aus Potsdam ein Kleinod der Architekturgeschichte gemacht. Vieles überstand den Bombenangriff kurz vor Kriegsende und auch die Abrisse in DDR-Zeiten. Eine Gedenktafel an einem dem alten Stadtkanal zugewandten Haus in der Yorckstraße würdigt die Anfänge für den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit, als 1956 und 1957 einige kriegszerstörte Wohnhäuser in traditioneller Bauweise und einer der Umgebung angepassten Fassadengestaltung errichtet wurden. Nach hoffnungsvollen Beginn wurde der Wiederaufbau weiterer "Barockhäuser" beendet. Später hat man renovierungsbedürftige Bauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert in der Potsdamer Innenstadt abgerissen und durch gesichtslose "Platten" ersetzt. Indem Parteiideologen, allen voran SED- und Staatschef Walter Ulbricht, gegen Hinterlassenschaften aus königlich-preußischer Zeit vorgingen, versuchten sie, den "Geist von Potsdam" auszutreiben. Opfer dieser Kampagne wurden das Stadtschloss, die Garnisonkirche und weitere markante Gebäude in der Innenstadt.

Prächtiges Fortunaportal

Das barocke Stadtschloss am Alten Markt wurde in den vergangenen Jahren nach alten Bauplänen, Fotos und erhalten gebliebenen Architekturfragmenten als Sitz des brandenburgischen Landtages neu erschaffen. Das Treppenhaus ist mit vier Figuren geschmückt, die den Abriss des nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff erbauten Schlosses in der Ulbricht-Zeit überstanden haben, wenn auch lädiert. Die kräftig gebauten Gebälkträger lassen die barocke Pracht ahnen, mit der das Stadtschloss ursprünglich ausgestattet war. Aufgrund der hervorragenden Quellenlage war der authentische Wiederaufbau möglich, und begonnen wurde mit dem anno 1701 zum Einzug des frisch gekrönten Königs Friedrich I. erbauten Fortunaportal. Es erinnert an die Krönung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. am 18. Januar 1701 in Königsberg zum König Friedrich I. in Preußen. Als der Monarch zurück in sein Stammland reiste, errichtete man ihm überall Triumphtore und Denkmäler.

Solche Ehrenpforten waren in der Regel schnell zusammen gezimmert und verschwanden bald wieder. Erhalten blieb das nach Plänen von Jean de Bodt gebaute und mit Kronen, Adlern und Säulen geschmückte Fortunaportal, durch das der Monarch im Frühsommer 1701 feierlich in das Potsdamer Stadtschloss einzog. Friedrich der Große, der Enkel des prunkliebenden Preußenkönigs, fand das mit der vergoldeten Glücksgöttin auf der Kuppel geschmückte Tor so bemerkenswert, dass er es bei der Um- und Neugestaltung des Stadtschlosses durch Knobelsdorff stehen ließ. Dass das Fortunaportal neben seiner Funktion als Eingangstor zum Stadtschloss auch die Eigenschaft eines Hohenzollerndenkmals besitzt, unterstreicht die vergoldete Widmung von 1701, die Friedrich I. als großen Bauherren und Vater des Vaterlandes feiert.

Dem Stadtschloss schließt sich, durch eine Straße unterbrochen, der Marstall an. Bei der Umgestaltung des ehemaligen königlichen Pferdedepots in das Filmmuseum der DDR hat man Sandsteinplatten angebracht, die den Bildhauer Friedrich Christian Glume und den Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff ehren. Wie durch ein Wunder haben verschiedene Gebäude rund um den Neuen Markt im Herzen von Potsdam den Bombenangriff vom 14. April 1945 überstanden. Fast originalgetreu blieb dort eine städtebauliche Perle aus dem 18. Jahrhundert erhalten, der königliche Kutschstall. In DDR-Zeiten als Lagerhalle für Lebensmittel benutzt und in seinem historischen und künstlerischen Wert verkannt, bot das 1787 bis 1789 auf Befehl Friedrich Wilhelms II. nach Plänen von Andreas Ludwig Krüger errichtete Bauwerk Jahrzehnte lang ein Bild des Jammers.

Seit einigen Jahren zeigt sich das Haus der Brandenburgisch-preußischen Geschichte genutzte Gebäude restauriert und in frischen Farben. Die Bestimmung des Kutschstalls als Garage der Kutschen, Sänften und Schlitten des königlichen Hofes sowie als Pferdestall wird weithin durch die spätbarocke Quadriga aus Sandstein über dem Eingangsportal sichtbar. Die Figurengruppe besteht aus vier Pferden, die eine königliche Kalesche mit einem Kutscher auf dem Bock ziehen. Diese Quadriga, die sich in ihrer spätbarocken Üppigkeit ganz und gar von der etwa zeitgleich von Johann Gottfried Schadow geschaffenen streng-klassizistischen Quadriga aus Kupferblech auf dem Brandenburger Tor in Berlin unterscheidet, wurde in den vergangenen Jahren sorgfältig restauriert.

Holländisches Viertel als Touristenmagnet

Wie durch ein Wunder blieb beim Bombenangriff vom 14. April 1945 im Wesentlichen auch das Holländische Viertel erhalten, ein aus etwa 150 Backsteinhäusern bestehendes Quartier, das der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und sein Sohn Friedrich II., der Große, im Rahmen der zweiten Stadterweiterung zwischen 1734 und 1742 errichten ließen. Das in vier Karrees unterteilte Wohngebiet ist die einzige Anlage im "holländischen Stil" außerhalb der Niederlande. Da zur Entstehungszeit nicht genug holländische Handwerker nach Potsdam kamen, siedelten sich hier auch französische und preußische Händler, Handwerker und Künstler an. Außerdem dienten die Stuben im Giebel als Unterkünfte für Soldaten, solange es noch nicht die später in großer Zahl in und um Potsdam erbauten Kasernen gab.

Der am Rand des Holländischen Viertels gelegene Bassinplatz erinnert daran, dass das ehemals sumpfige Areal vor den Baumaßnahmen entwässert werden musste. Zu diesem Zweck wurde ein großes Bassin ausgeschachtet, in dem sich das Wasser sammelte, bevor es zum Heiligen See abgeleitet wurde. Die meisten "Holländerhäuser" sind von schlichter Gestalt, da und dort sieht man aufwändig dekorierte Fassaden, bei denen weiß gestrichene Stuck- und Schnitzelemente zum Rot der Backsteine kontrastieren, aus denen die Häuser häufig noch mit originalem Innenleben aus der Erbauungszeit bestehen. An den aus den Niederlanden stammenden Architekten Johann Boumann, der mit Kollegen das Holländische Viertel plante und den Bau überwachte, erinnert eine Ausstellung in der Mittelstraße 8. Im Haus Benkertstraße 3 hat das Potsdam-Museum seinen Sitz.

Solange die DDR existierte, befand sich das Holländische Viertel noch in einem beklagenswerten Zustand. Zwar waren in den achtziger Jahren erste Sanierungsarbeiten begonnen worden, doch standen wegen Baufälligkeit und des immensen finanziellen und materiellen Aufwandes zahlreiche zu Halbruinen verkommene Bauten zur Disposition, und es gab schon erste Abrisse. Der Verfall konnte durch die Wiedervereinigung 1990 verhindert werden, inzwischen hat sich das Viertel zu einem Touristenmagnet der Extraklasse gemausert. Hier Läden, Galerien oder Restaurants zu betreiben, ist wegen der hohen Mieten teuer, wohl aber auch einträglich, denn Besucher und Käufer aus allen Weltengegenden kommen in großen Mengen.

Zeugnis preußisch-russischer Freundschaft

Weitgehend im Original erhalten ist im Norden der Landeshauptstadt die Russische Russische Kolonie Alexandrowka. König Friedrich Wilhelm III., einer der Sieger der Befreiungskriege von 1813 bis 1815, ließ die aus zwölf Gehöften bestehende Siedlung 1826/27 für die letzten zwölf Sänger eines ehemaligen russischen Soldatenchores anlegen. Damit setzte der mit Monarch der preußisch-russischen Freundschaft und Waffenbrüderschaft ein eindrucksvolles Denkmal. Benannt ist die aus Blockhäusern bestehende Siedlung nach dem russischen Zaren Alexander I., eines Schwiegersohns Friedrich Wilhelms III., der 1825 starb und nach dem auch der Berliner Alexanderplatz benannt ist. In einer Ordre bestimmte preußische König am 10. April 1826: "Es ist Meine Absicht, als ein bleibendes Denkmal der Erinnerung an die Bande der Freundschaft zwischen Mir und des Hochseeligen Kaisers Alexander von Russlands Majestät, bei Potsdam eine Colonie zu gründen, welche ich mit den, von Seiner Majestät mir überlassenen Russischen Sängern als Colonisten besetzen und Alexandrowka benennen will." Ein Jahr später bereits zogen die neuen Bewohner in die Häuser ein. Die Grundstücke durften von den Kolonisten aber weder verkauft, verpachtet noch verpfändet, jedoch an männliche Nachkommen vererbt werden.

Die Kolonie Alexandrowka war bis zur Fürstenenteignung 1926 Privatbesitz des Hauses Hohenzollern, wurde allerdings militärisch durch das 1. Garderegiment zu Fuß verwaltet. Bis 1945 blieben die ehemals königlichen Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Bewohner in Kraft. Grundlegende Änderungen im Rechtsstatus der Kolonie und ihrer Bewohner erfolgten nach dem Zweiten Weltkrieg, heute befinden sich die meisten Häuser in Privatbesitz. Im Januar 2005 wurde im Haus Nr. 2 der Russischen Kolonie das Museum Alexandrowka eröffnet, in dem aus der Geschichte der weltweit einmaligen Siedlung und dem Leben ihrer Einwohner berichtet wird.

2. August 2018

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