In begeistertem Aufblick, sinnend
Ehrungen aus Marmor für die Dichterfürsten Schiller und Goethe in Berlin







Ohne Assistenzfiguren ging es im 19. Jahrhundert überhaupt nicht, wie das Schiller-Denkmal auf dem Gendarmenmarkt vor dem Schauspielhaus und das Goethe-Denkmal am Rand des Tiergartens demonstrieren.



Der Karikaturist Olaf Gulbransson machte sich Gedanken, wie ein Schillerdenkmal nach den Vorstellungen berühmter Künstler aussehen könnte. Die Vorschläge reichen von lyrisch bis schwer bewaffnet in dem von Kaiser Wilhelm II. bevorzugten Stil der Berliner Siegesallee.



Goethe mit Lessing verwechselt, so kann man sich beim Anblick der Denkmäler irren!



Am Berliner Schiller-Denkmal sind Polizisten dabei, dem Dichter die Luft abzuschnüren. Die Karikatur meint die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in der Kaiserzeit.



1936 wurde das Schiller-Denkmal vom Gendarmenmarkt entfernt. Die Nazis brauchten Raum für ihre Aufmärsche und Feiern. Abgebaut und verlagert, überstand das Monument den Zweiten Weltkrieg im Westteil Berlins. 1941 wurde von dem Monument samt Sockel, Brunnenschalen und Assistenzfiguren einen Bronzeabguss hergestellt, wobei man das Metall aus dem eingeschmolzenen Rathenaubrunnen im Volkspark Rehberge verwendete. Der Bronzeabguss steht im Schillerpark (Wedding) in einer aus der Kaiserzeit stammenden festungsartigen Kulissenarchitektur. (Fotos/Repros: Caspar)

Auf dem Berliner Gendarmenmarkt wurde Ende 1988 das marmorne Denkmal von Friedrich Schiller wieder aufgestellt. Möglich wurde dies durch einen Kulturgüteraustausch zwischen West- und Ostberlin zwei Jahre zuvor. Er erfolgte mit Blick auf die Siebenhundertfünfzigjahrfeier, die 1987 in beiden Teilen der Stadt begangen wurde und auch zum Austausch von Figuren und Architekturteilen des Ephraimpalais gegen das Archiv der Königlichen Porzellanmanufaktur führte. Die Inschrift auf der Rückseite des Schillerdenkmals "Dem Dichterfürsten die Stadt Berlin MDCCCLXIX" bezieht sich auf die Fertigstellung der Skulptur durch Reinhold Begas im Jahre 1869, nicht aber auf die Aufstellung, die erst am 10. November 1871, dem 112. Geburtstag des Dichters, im Beisein von Kaiser Wilhelm I. erfolgte. Der deutsch-französische Krieg hatte die Enthüllung des Monuments verzögert.

Zum einhundertsten Geburtstag des Dichters (1859) hatte es überall in Deutschland Schillerfeiern gegeben. Progressive Kräfte nutzten das Jubiläum, ihre demokratischen Forderungen an die Regierungen zu bekräftigen und bürgerliche Freiheiten einzufordern. Des Dichters Werk war bestens geeignet, Front gegen Fürstenwillkür, Kleinstaaterei, geistige Enge und Untertanengeist zu machen, was bei der Obrigkeit auch im Lichte der Ereignisse der Revolution von 1848/49 mit großem Argwohn betrachtet wurde. Die Grundsteinlegung für das Berliner Schillermonument am 10. November 1859 vor Schinkels Schauspielhaus wurde von der preußischen Regierung in eine Demonstration für die Erhaltung der Monarchie umfunktioniert.

Weibliche Figuren von hoher Schönheit

Als der Berliner Magistrat zum 102. Geburtstag Schillers eine "Concurrenz-Ausschreibung" für ein Schillerdenkmal aus Bronze veröffentlichte, meldeten sich 25 Bildhauer. Schiller sollte stehend dargestellt werden; die Maße der Figur hatten sich an den "architektonischen Verhältnissen" von Schinkels Schauspielhauses dahinter zu orientieren. Den Zuschlag erhielt 1864 der erst 33jährige Reinhold Begas, der in Weimar lebte und später Berlin mit zahllosen Denkmälern und Freiplastiken beglückte. Er entwarf eine Standfigur, umgeben von allegorischen Personen, die auf einer Brunnenschale sitzen. Der in den 1980-er Jahren wiederhergestellte Sockel entbehrt heute leider des sprudelnden Wassers. Die Jury bestimmte das Monument zur Ausführung nicht in Bronze, sondern in Marmor. Während der Dichter in die imaginäre Ferne blickt, richten die Personifikationen der Lyrik (mit Harfe), Dramatik (mit Dolch), Philosophie (mit Pergamentrolle) und Geschichte (mit den Namen Herder und Schiller auf einer Schrifttafel) die Augen aufs Publikum. Anders als mit solchen Assistenzfiguren konnte man sich im 19. Jahrhundert keinen Künstler dieser Größenordnung vorstellen. Vor allem die schweigsamen Damen hatten es der Jury angetan: "Diese vier weiblichen Figuren sind von hoher Schönheit und ihre allegorische Bedeutung so tief empfunden, dass niemand, selbst der Ungebildete, nicht zweifeln wird, was der Künstler mit ihnen hat aussprechen wollen." Auch Schiller, der ernsten Gesichts, den Dichterlorbeer ums Haupt gelegt, mit Schriftenrolle und langem Mantel dargestellt ist, fand Beifall.

Bei den Restaurierungsarbeiten Mitte der 1980er Jahre leistete diese Kopie gute Dienste. Denn die im Tierpark Friedrichsfelde verwahrten Sockelfiguren waren stark beschädigt und verstümmelt, während der Sockel samt Reliefs verschollen war. Die Bildhauer des damaligen VEB Stuck und Naturstein hatten alle Hände voll zu tun, die fehlenden Teile analog zu jener Bronzekopie sowie nach Fotos und Zeichnungen neu zu fertigen. Da das Schillerdenkmal auf dem Gendarmenmarkt im Winter nicht eingehaust wird, zeigte es sich bald nach seiner Aufstellung in einem wenig ansehnlichen Zustand, denn Moos und Schmutz bedecken den Marmor. Bisher ist es nicht gelungen, den Dichter und die Brunnenfiguren in der kalten und feuchten Jahreszeit einzuhausen und so vor den Unbilden der Witterung zu schützen. Sollte das Original eines Tages wegen mangelnder Pflege vergehen, hat man immer noch den Abguss im Schillerpark.

Hässliche Nachbildung aus Beton

Die Ausführung des Schiller-Denkmals "in begeistertem Aufblick, sinnend" - so ein Zitat aus der Entwurfsbeschreibung - war anfangs gefährdet. Denn es hatten sich Goethe-Verehrer gemeldet, die ein Denkmal ihres Idols am gleichen Ort vor dem Schauspielhaus forderten. Dafür gab es gute Gründe, denn die Werke der Weimarer Klassiker standen dort auf dem Spielplan, und sie gehörten zum allgemeinen Bildungsgut und Zitatenschatz vieler Deutscher. Außerdem hatten Schiller im Frühjahr 1804 und Goethe im Mai 1778 der preußischen Haupt- und Residenzstadt kurze Besuche abgestattet. Doch das Projekt, dem Denkmal für Schiller noch eines für Goethe oder gar als weitere Variante ein Lessing-Denkmal an die Seite zu stellen, zerschlug sich. Es kam anders, und so steht seit 1880 im Tiergarten nicht weit vom Brandenburger Tor das von Fritz Schaper geschaffenes Goethe-Denkmal und ein paar Steinwürfe entfernt der marmorne Lessing, ein Werk von Otto Lessing, eines Großneffen des Dichters.

Angetan mit einer Hoftracht des ausgehenden 18. Jahrhunderts und geschützt durch einen langen Mantel, schaut der auf hohem Sockel stehende und in der Blüte seines Lebens porträtierte Goethe hinüber auf das Holocaust-Denkmal und die Neubauten in den ehemaligen Ministergärten, in der rechten Hand eine Schriftenrolle haltend. "Das edle, geistvolle Antlitz mit der freien, mächtigen Stirn, auf welcher Hoheit des Geistes thront, stolz und freimütig erhoben - so bringt das Standbild die machtvolle Persönlichkeit des Dichters zu vollendeter Darstellung", beschreibt ein Buch von 1905 über Berliner Denkmäler Schapers im Jahre 1880 enthülltes Werk. Der Sockel des Goethe-Denkmals ist nicht eckig, wie üblich, sondern rund. Auf den Stufen haben weibliche Personifikationen der lyrischen und dramatischen Dichtkunst sowie der Wissenschaft Platz genommen, womit die wichtigsten Tätigkeiten des Weimarer Klassikers symbolisiert werden.

Das Denkmal hatte den Zweiten Weltkrieg mit einigen Schäden überstanden und wurde 1959/60 restauriert. Um es vor aggressiven Witterungsbedingungen zu schützen, hat man es abgebaut und in das Lapidarium im alten Wasserwerk am Landwehrkanal gebracht, wo auch andere Skulpturen, allen voran die Reste der Berliner Siegesallee Asyl fanden. An seiner Stelle ersetzte eine Kopie aus Beton den originalen Goethe. Da diese hässliche Nachbildung massiv durch Luftverschmutzung, Witterungseinflüsse und Materialfehler litt und unansehnlich war, hat man sie 2010 durch das weitaus besser erhaltene, durch Steinkonservierungsmittel geschützte Original ausgetauscht. Da sich inzwischen die Qualität der Luft im Tiergarten verbessert hatte, hat die Denkmalbehörde diese Maßnahme guten Gewissens realisiert.

23. Februar 2018

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