Eine Insel nur für Nazibonzen
Wie eine Säule vom Pariser Palais des Tuileries nach Schwanenwerder kam und jüdische Villenbesitzer rücksichtslos enteignet wurden







Restauriert und vor einigen Jahren neu aufgestellt wurde die aus der Renaissance stammende Tuilerien-Säule an der Inselstraße 8 auf der Insel Schwanenwerder.





Den kleinen Doktor Goebbels zog es zu den Großen; Reichen und Schönen. Mit einer demagogischen Rednergabe ausgestattet, ließ er sich von Zeit zu Zeit im Radio vernehmen, doch wehe, wenn sich jemand über ihn lustig machte und der Gestapo angezeigt wurde. Da verstand der Propagandaminister keinen Spaß.



Pausenlos hämmerte die Nazipropaganda den "Volksgenossen" ein, dass der Krieg gewonnen werden kann, wen sie nur fest an den Sieg glauben und ihr Letztes im Endkampf geben.



Als alles in Trümmern lag, brachte sich das Ehepaar Goebbels mit seinen sechs kleinen Kindern am 1. Mai 1945 um. Vor seinem Selbstmord am 30. April 1945 hatte Hitler seinen Propagandaminister noch zum Reichskanzler ernannt. (Fotos/Repros: Caspar)

Auf der von Havelwasser umspülten Berliner Insel Schwanenwerder fand vor vielen Jahren die so genannte Tuilerien-Säule Asyl, ein eindrucksvolles Fragment vom Palais des Tuileries in Paris. Das etwa 440 Jahre alte Relikt gehörte zu einem berühmten Bauwerk, das für Königin Katharina de Medici, die Gemahlin Heinrichs II. von Frankreich, errichtet wurde, jedoch in der Zeit der Pariser Kommune (1871) einem Brand zum Opfer fiel. Zugleich erinnert die Säule an den Fabrikanten Friedrich Wilhelm Wessel, der im späten 19. Jahrhundert eine Villenkolonie auf der Insel Schwanenwerder gegründet hat. Die 1884 von ihm dorthin gebrachte Säule sollte die Siedlung künstlerisch und architektonisch aufwerten. Eine Inschriftenplatte verkündet "Dieser Stein vom Seinestrande / Hergepflanzt in deutsche Lande, / Ruft dir, Wandrer, mahnend zu: / Glück, wie wandelbar bist du."

Zwar wurde die Säule mit einer kleinen Bank davor, von der aus man hinüber zum Grunewaldturm blicken kann, schon 1956 unter Denkmalschutz gestellt. Doch hat man sich lange nicht um ihre grundlegende Restaurierung gekümmert, weshalb sich ihr Zustand zusehends verschlechterte. Erst 2002 konnten denkmalpflegerische Sicherungsmaßnahmen in Angriff genommen werden. Die Kosten von 78 000 Euro teilten sich das Land Berlin und die 1993 zum Gedenken an den preußischen Polizeipräsidenten von Berlin, Carl-Ludwig Friedrich von Hinckeldey, gegründete von-Hinckeldey-Stiftung. In einem kleinen Festakt dankte der damalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann den Sponsoren und allen Helfern und lobte die Restaurierung und Neuaufstellung der Säule als Akt bürgerschaftlichen Engagements für das kulturelle und bauliche Erbe in Berlin. Jetzt stehe ein kulturhistorisch wichtiges Monument aus dem 16. Jahrhundert gereinigt, gefestigt und gesichert wieder an seinem angestammten Platz. Die Säule gehört wie die Sacrower Kirche, die Schlösser und Gärten von Babelsberg und Glienicke sowie die Pfaueninsel zur berühmten Havellandschaft zwischen Potsdam und Berlin, weshalb es ein besonderes Anliegen der Berliner Gartendenkmalpflege war, auch das Umfeld in einen ihrer Bedeutung entsprechenden würdigen Zustand zu versetzen.

Zeichen der Erinnerung und des Gedenkens

Was auf der Insel geschah und wer da wohnte, wird auf sieben Informationstafeln berichtet. Im Zusammenhang mit dem Themenjahres 2013 "Zerstörte Vielfalt" erinnerte der frühere Kulturstaatssekretär André Schmitz an die Vertreibung und Verfolgung der jüdischen Villenbesitzer und Grundeigentümer durch die Nationalsozialisten nach 1933. Mit der Übergabe der Tafeln an die Öffentlichkeit werde nun "ein Zeichen der Erinnerung und des Gedenkens an die Opfer der unmenschlichen Politik der Nationalsozialisten gesetzt" und ein Beschluss des Abgeordnetenhauses umgesetzt. Im Auftrag der Senatskulturverwaltung wurde das Aktive Museum mit der Realisierung des Projektes betraut.

Ursprünglich hieß die rund 250.000 Quadratmeter große Insel nur Sandwerder. Nachdem der Lampenfabrikant Wilhelm Wessel, der durch die Erfindung des Petroleum-Rundbrenners reich geworden war, 1882 die Insel für 9.000 Mark erworben hatte, ließ er eine Brücke und eine Straße zur Erschließung des Eilandes bauen. Die Insel wurde parzelliert und stückweise verkauft. Das erste Gebäude auf der Insel war die Villa Schwanenhof der Familie Wessel. Kaiser Wilhelm II. genehmigte 1901 den Namen Schwanenwerder. Nach und nach siedelten sich auf der Insel reiche Berliner auf der Insel an und bauten prachtvolle Landsitze, so die Warenhausbesitzer Berthold Israel und Rudolph Karstadt, die Bankdirektoren Schlitter, Goldschmidt, Salomonssohn und Solmssen, der Bankier und Besitzer der Schultheiss-Patzenhofer Brauerei Walter Sobernheim und der Inhaber der Schokoladenfabrik Trumpf, Richard Monheim. Gebaut wurde bis in die zwanziger Jahre im damals beliebten Landhausstil, den man mit barocken Zierelementen versah. Unter den Architekten und Gartengestaltern waren Bruno Paul und Ludwig Späth. Wichtig war allen eine glückliche Verbindung von Bauwerken und umgebender Natur.

Stolz wie ein König

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die jüdischen Eigentümer gezwungen, ihre Anwesen zugunsten von Nazibonzen zu veräußern. Von diesem Raubzug profitierte unter anderem Propagandaminister Joseph Goebbels, der 1935 das Grundstück Inselstraße 8-10 des Bankdirektors Oscar Schlitter weit unter seinem Wert kaufte. Später brachte Goebbels das Nachbargrundstück des emigrierten Bankier Samuel Goldschmidt für einen Spottpreis an sich und ließ es pompös ausbauen. Über seine Ankäufe ließ sich der Minister in seinen geradezu manisch verfassten Tagebüchern enthusiastisch aus. "Unser Hauskauf auf Schwanenwerder scheint zu klappen. Das wäre wundervoll". Als Hitler das Gehalt seines Chefpropagandisten aufstockte, schrieb dieser "Mit dem Geld kommen wir jetzt klar". Nach dem Einzug in die Bankiersvilla war Goebbels nach eigenen Worten "restlos glücklich". Er konnte das auch sein, nachdem er die Rechte an seinen Tagebüchern an Max Ammann, dem Direktor des Franz-Eher-Verlags und Präsidenten der Reichspressekammer verkauft und dafür 250 000 Reichsmark (RM) und für jedes laufende Jahr weitere 100 000 RM verkauft hatte mit der Auflage, sie 20 Jahre nach seinem, Goebbels' Tod, zu veröffentlichen. Im Verlag der NSDAP zu publizieren, konnte sehr einträglich sein, Hitler brachte es mit den vielen Auflagen seines Buches "Mein Kampf" zum mehrfachen Millionär. Dagegen waren die Honorare des Propagandaministers ziemlich armselig, gestatteten ihm und seiner Frau Magda, die von dem schwereichen Industriellen Günther Quandt mit fetten Abfindungsgeldern geschieden war, mit weiteren Zuwendungen und Einahmen ein luxuriöses Leben. "Stolz wie ein König" fühlte sich Goebbels, als er sich einen neuen Sportwagen Mercedes 5,4 l zulegte, und auch mit einem neuen, etwas zu teuren Motorboot ließ sich der kleine Doktor auf den Berliner Gewässern bewundern.

Von seinen weiblichen Besucherinnen hatte er keine gute Meinung. Die Schauspielerinnen tat er als "merkwürdiges Völkchen. Politisch ohne Schimmer" ab. Sich von schönen Frauen hofieren zu lassen, war eine Methode, mit der sich Goebbels größer vorkam als er wirklich war. Als er eine Liebesbeziehung mit seiner Inselnachbarin Lida Baarova einließ und die Ehe mit Magda zu zerbrechen drohte, schritt der um Vermittlung angerufene Hitler und verdonnerte Goebbels 1938, seine Finger von der schönen Schauspielerin zu lassen. Eine Ohrfeige, die der Schauspieler Gustav Fröhlich dem Minister wegen der Affäre mit der Baarova erteilt haben soll, ist wohl eine Legende. Aber sie war Anlass zu einem frechen Wortspiel des zeitweilig zur "Mäßigung" ins Konzentrationslager Esterwegen geworfenen Kabarettisten Werner Finck, er möchte "heute Fröhlich" sein.

Grundstücke und Häuser unter Wert verkauft

In seinem Refugium weitab von der Reichshauptstadt veranstaltete "Humpelstielzchen beziehungsweise Bock von Babelsberg", so zwei interne Spottnamen für den sexbesessenen, nach außen sich aber tugendhaft gebende Propagandaminister mit dem Hinkefuß, rauschende Feste unter Beteiligung von willigen Schauspielerinnen der Ufa. Doch Goebbels war nicht er Einzige, der Gefallen an der Insel fand. So riss sich Hitlers Leibarzt Theodor Morell 1939 durch "Arisierung" die Villa und das Grundstück des jüdischen Bankiers Georg Solmssen unter den Nagel. Das von der Reichskanzlei erworbene Grundstück Inselstraße 20-22 soll für Hitler reserviert gewesen sein, der laut Goebbels "restlos begeistert" war und versprach, recht oft zu Besuch zu kommen. 1939 musste die Baronin Goldschmidt-Rothschild ihr Grundstück Inselstraße 7 für lediglich 150.000 RM an Hitlers Stararchitekten und späteren Rüstungsminister Albert Speer weit unter Wert abtreten. Ähnlich erging es anderen Villen- und Grundstücksbesitzern, die nach dem Verkauf ihres Besitzes froh sein konnten, wenn sie emigrieren konnten und dem Holocaust entkamen.

Den Zweiten Weltkrieg hat die Insel weitgehend unbeschadet überstanden, allerdings litten ihre Bauten und Gärten nach dem Auszug und Tod der Nazigrößen unter Vernachlässigung. Im Wiedergutmachungsverfahren wurden die Anwesen und das, was von ihren übrig geblieben war, an die rechtmäßigen Besitzer beziehungsweise ihre Erben zurückgegeben. Da die meisten die unter staatlicher Zwangsverwaltung stehenden Grundstücke und Häuser nicht behalten wollten oder konnten, verkauften sie diese an das Land Berlin, das fast die Hälfte der Grundstücke besitzt. Nachdem in den fünfziger bis siebziger Jahren viele Villen abgerissen und Neubauten errichtet wurden, erinnert heute nur noch wenig an die noblen Villen mit zweifelhafter Vergangenheit. Ein Bunker, der zum Schutz von Goebbels angelegt wurde, kann auf Anfrage besichtigt werden. Auf dem Grundstück der abgerissenen Goebbels-Villa richtete sich das Aspen Institute ein, das sich um die Vermittlung US-amerikanischer Werte und Politikinhalte im Ausland bemüht und seit einigen Jahren in der Friedrichstraße 60 im Herzen Berlins untergebracht ist.

24. Mai 2018

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