Urkunden wurden sicherheitshalber kopiert
Nach dem Brand von 1380 hat man in Berlin ein Stadtbuch mit Abschriften wichtiger Dokumente angelegt



Das Stadtbuch war eine Zeitlang befindet sich nach langer Irrfahrt im Besitz des Berliner Landesarchivs.





Farbige Miniaturen der Maria als Himmelskönigin mit dem Jesuskind im Arm sowie Christus mit den Symbolen der vier Evangelisten schmücken das Berliner Stadtbuch.



Der Holzschnitt zeigt, wie man im 16. Jahrhundert Mörder, Brandstifter, Diebe und andere Delinquenten auf barbarische Weise vom Leben zum Tod beförderte. Das Stadtbuch gibt für verschiedene Delikte die passende Hinrichtungsart an.



Der Verein für die Geschichte Berlins e.V. ehrt Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Mitglieder, die sich um die Erforschung der Berliner Geschichte besonders verdient gemacht haben, mit der Fidicin-Medaille. Auf ihr liest Berolina, die Symbolfigur Berlins, im Buch der Geschichte, der Berliner Bär schaut ihr zu. (Foto/Repros: Caspar)

Verheerende Brände waren im alten Berlin nicht selten. Als sich die preußische Haupt- und Residenzstadt Mitte des 19. Jahrhunderts eine schlagkräftige Berufsfeuerwehr zulegte, konnte man die Gefahr langsam bannen. Da bei solchen Katastrophen nicht nur Menschen ums Leben kamen und Häuser vernichtet wurden, sondern auch wichtige Dokumente, hat man auf deren Schutz besonderes Augenmerk gelegt. Als am 10./11. August 1380 ein Stadtbrand große Teile des Stadtarchivs vernichtete, beschlossen die Ratsherren, die wichtigsten Unterlagen in einem speziellen Buch zu dokumentieren und dieses sicher einzulagern. Als Brandstifter wurde der Ritter Erich von Falke angeklagt, zum Tod verurteilt und hingerichtet. Zur allgemeinen Abschreckung hat man seinen abgeschlagenen Kopf am Oderberger Tor am Rand der Stadt aufgespießt.

Im Mittelalter und lange danach leisteten Häuser wegen ihrer leichten Bauweise aus Holz und Stroh dem Feuer geradezu Vorschub. Wenn an einer Stelle ein Brand ausbrach, konnte er sehr schnell auf andere Bauten übergreifen, sofern er nicht sofort mit Wassereimern und Ledertüchern bekämpft wurde, denn andere Mittel standen den Menschen von damals nicht zur Verfügung. Da es auch kein elektrisches Licht gab und sich die Leute bei Dunkelheit mit Kerzen und Fackeln behelfen mussten, lauerte der Feuerteufel überall. Wenn man Brandursachen nicht feststellen konnte, hat man welche erfunden und Mitbürger, und vorzugsweise Juden, oft zu Unrecht als Brandstifter beschuldigt und auf grausame Weise vom Leben zum Tod befördert, wie das Beispiel der Grete Milde lehrt, die man für den Stadtbrand von Tangermünde im Jahr 1617 verantwortlich gemacht hat. Erst in unseren Tagen erwies sich, dass die Anschuldigungen aus der Luft gegriffen waren. (siehe dazu Eintrag auf dieser Internetseite vom 20. April 2018).

Herausragende Geschichtsquelle

Urkunden spielten im mittelalterlichen Rechtswesen eine große Rolle, weshalb man sie mitunter auch zum eigenen Vorteil fälschte. Um der Gefahr aus dem Weg zu gehen, dass die oft aufwändig mit Siegeln beglaubigten Schriftstücke durch Feuer, Wasser, Diebstahl und auf andere Weise verloren gehen und damit auch Dokumente über Schulden, Erbschaften, Grundstücksbesitz, Strafen und andere wichtige Dinge vor Gericht und im Amt nicht mehr vorgelegt werden können, hat man Kopien angefertigt. Solche Abschriften von Berliner Urkunden und Akten wurden um 1390 vermutlich vom Stadtschreiber Heinrich Schowenfliet angelegt und bis 1489 fortgeführt. Diese zwischen dicken Buchdeckeln versammelten Abschriften sind eine herausragende Quelle für die Erforschung des Rechts und des Zusammenlebens in der mittelalterlichen Stadt.

Die mit frommen Zeichnungen geschmückte Urkundensammlung enthält eingangs die Eidesformeln, die Ratsmannen, Schöffen, Schulzen, Gildemeister, Stadtdiener und Büttel ablegen mussten. Es folgen Informationen über regelmäßige Einnahmen der Kommune sowie über außerordentliche Einnahmen aus Strafen und anderen Vorgängen. Vermerkt sind Einkünfte städtischer Beamter sowie Bestimmungen über die Verwaltung der Schwesterstädte Berlin und Cölln. Ferner sind im Stadtbuch die beiden Kommunen übertragenen Privilegien und Schuldforderungen sowie Rechtsfragen gegenüber Frauen und Juden festgehalten. Es folgen Angaben über Renten- und Schuldverschreibungen des Rates zu Berlin, ein Verzeichnis der Verpfändungen von Grundstücken und ein Register von Personen, die das Bürgerrecht besitzen. Außerdem schildern die Einträge, wer im alten Berlin-Cölln für welche Delikte auf welche grausame Weise mit dem Tod bestraft wurde.

Wie die Urkundenlage im Mittelalter wirklich ausgesehen hat, lässt sich nicht genau sagen, denn nicht nur beim Stadtbrand von 1380 wurden Schriftstücke aller Art vernichtet, sondern auch weiter bei späteren Katastrophen. Außerdem wurde das Archiv, wenn man es denn als solches bezeichnen kann, bestohlen und erlitt Verluste durch unzureichende Aufbewahrung der Dokumente in engen, muffigen Räumen. Weitere Verluste erlitt das Archiv infolge des Zweiten Weltkriegs.

Lange verschollen, von Bremen zurück gegeben

Bis 1728 befand sich das Berlinische Stadtbuch im Besitz des Magistrats. Doch mit der Zeit ging das Interesse an dem gut erhaltenen Dokumentenband verloren. Dass es irgendwann nach einer Ausleihe nicht mehr an das Stadtarchiv zurück kehrte, fiel nicht auf. Der preußischen Justizministers Karl Albert von Kamptz ließ nach dem verschollenen Juwel forschen, und so wurde der Journalist, Schriftsteller und Bibliothekar Samuel Heinrich Spiker 1834 in der Bremer Stadtbibliothek fündig, die das Buch 1812 für schäbige zwei Taler und 42 Groschen ersteigert hatte. 1836 machte der Bremer Senat die kostbare Handschrift dem Berliner Magistrat zum Geschenk.

Der erste Band der von Ernst Fidicin seit 1837 herausgegebenen "Historisch-diplomatischen Beiträge zur Geschichte der Stadt Berlin" enthält eine Abschrift des Stadtbuchs sowie Hinweise zu seiner Geschichte. In einem Neudruck von 1883 schilderte Stadtarchivar Paul Clauswitz die Entstehungsgeschichte der Dokumentensammlung ausführlicher. Was noch fehlte, war eine vollständige Übersetzung des Textes ins Hochdeutsche. Diese liegt seit 1954 als Privatsonderdruck des Kommunalpolitiker Martin Ohm vor. Den Zweiten Weltkrieg hat das Stadtbuch als Auslagerungsgut im nordböhmischen Wallenstein-Schloss Friedland überstanden. 1955 wurde es dem Ostberliner Magistrat von der Tschechoslowakischen Republik zurückgegeben.

Die frühesten in das Stadtbuch aufgenommene Dokumente stammen aus dem Jahre 1272, die letzten Eintragungen reichen bis 1498. Im vierten Teil, genannt "Buyk der Overtredungen" (Buch der Übertretungen), werden Gerichtsurteile und harte, zur Abschreckung bestimmte Todesstrafen aufgelistet. Aus der Aufstellung geht hervor, dass das Stadtgericht innerhalb von fünfzig Jahren 121 Menschen zum Tode verurteilt hat. Die Hinrichtungen erfolgten in sechs Kategorien, die vom Flechten auf das Rad über Enthauptung und Verbrennung bis zum Vergraben bei lebendigem Leib reichten. Die meisten Todesstrafen wurden für Straßenraub und Diebstahl ausgesprochen, doch hat man auch Kuppelei, Ehebruch, Falschmünzerei, Hehlerei und Schlägerei mit blutigem Ausgang mit dem Tod bestraft.

Ernst Fidicin besorgte erste Edition

Die Ernennung von Ernst Fidicin zum ersten hauptamtlichen Archivar im Jahre 1848 bedeutete eine Wende in der Geschichte der Berliner Schriften- und Urkundensammlung. Sie und die dazu passende Bibliothek waren bis 1860 im Alten Rathaus untergebracht. Als der Verein für die Geschichte Berlins im Jahr 1865 gegründet wurde, nahm Fidicin als maßgebliches Gründungs- und Vorstandsmitglied die Aufgabe eines Vereinsbibliothekars wahr und betreute vor allem die vom Verein für die Geschichte Berlins herausgegebenen Veröffentlichungen der mittelalterlichen Urkunden der Stadt. Als das Rote Rathaus gebaut und 1869 eröffnet war, bekam das Archiv bessere Räume.

Die rasante Entwicklung der Reichshauptstadt und die Gründung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin 1920 hatten auch Folgen für das Stadtarchiv, das geradezu aus den Nähten platzte.1883 gab es als erste offizielle Publikation das älteste Berliner Stadtbuch heraus. Nach der Kriegs- und Nachkriegszeit und der Teilung der Stadt wurden 1991 die in beiden Stadthälften befindlichen, inzwischen stark angewachsenen Bestände unter dem Dach des Landesarchivs zusammengeführt. Das Stadtarchiv mit seinen wertvollen historischen Beständen und einer bedeutsamen stadtgeschichtlichen Bibliothek ist seither eine Außenstelle des Berliner Landesarchivs.

21. April 2018

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