Segensreiche Neuerung
Berlin legte sich 1827 eine eigene Stadtpost zu, doch nicht jeder Bewohner war begeistert



Das Kaiserliche Postfuhramt in der Oranienburger Straße in Berlin hat im Wesentlichen alle Zeiten überstanden. Das in den vergangenen Jahren aufwändig sanierte Gebäude ist heute Sitz des Herstellers für kardiologische Medizintechnik Biotronik.



Christoph Columbus, Carl Friedrich Gauß und andere berühmte Menschen, die sich um die Endeckung fremder Länder und die Erklärung der Welt verdient gemacht haben, sind mit ihren Porträts an der Fassade des früheren Kaiserlichen Postfuhramtes verewigt.





Das Relief im Hof des Postfuhramtes schildert, wie Kinder die Ankunft einer Postkutsche begrüßen, rechts trifft ein von Pferden gezogener Postwagen in der Oranienburger Straße ein, im Hintergrund erkennt man die Kuppel des Postfuhramtes.



Die Figuren im Lichthof des früheren Postmuseums und heutigen Museums für Kommunikation an der Leipziger Straße in Berlin stellen einen Postillon mit Horn und einen Mann dar, der ein Telegrafenkabel verlegt.



Das Museum für Kommunikation ist auf seine Sammlung alter und neuer Briefkästen, aber auch Briefmarkenautomaten und andere technische Errungenschaften wie Telefon, Telegraf und Rohrpost stolz und zeigt in seiner Ausstellung besonders eindrucksvolle Exponate.



Wie turbulent es auf einem Postamt zugeht, hat Heinrich Zille auf der Zeichnung in der ihm eigenen humoristisch-sozialkritischen Art dargestellt. (Fotos/Repros: Caspar)

Schnelle und sichere Kommunikation war und ist die Voraussetzung für ein funktionierendes Gemeinwesen, für eine florierende Wirtschaft und Kultur. Dem standen in alten Zeiten vielfältige Schwierigkeiten entgegen. Auf unsicheren Straßen kamen Postreiter und Postkutschen nur langsam voran, und auch für die Verteilung von Briefen und Paketen brauchte man viel Zeit. Im Zuge der Industrialisierung mehrten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts Forderungen, das Postwesen zu modernisieren und rasche Verbindungswege zu schaffen. Außerdem galt es, Zollgrenzen zu überwinden und unterschiedliche Tarife anzugleichen.

Die im frühen 19. Jahrhundert eingeführte Eisenbahn und Telegrafie schafften es, dass sich Nachrichten und Postsendungen in bis dahin unglaublich kurzer Zeit verbreiten konnten. Die preußische Haupt- und Residenzstadt Berlin legte sich trotz mancher Mäkeleien durch Bedenkenträger eine als segensreich empfundene eigene Post zu. Am 15. Oktober 1827 wurde bekannt gemacht, dass am "1sten December d. J. in hiesiger Residenz eine Stadt-Post eingerichtet wird". Zweck sei es, so verkündete Generalpostmeister Karl Ferdinand von Nagler, "die Zustellung der ankommenden Briefe, Geldscheine und Paket-Adressen von bisher nur zweimal auf täglich fünfmal auszudehnen und den Einwohnern Gelegenheit zu geben, zu jeder Zeit des Tages unfrankierte Briefe sowohl für den Orts- und den Fernverkehr in einem Locale in der Nähe der Wohnung aufgeben zu können".

Empfänger muss bezahlen

Im Gegensatz zu heute bezahlte nicht der Absender, sondern der Empfänger das Porto von einem Silbergroschen oder mehr. Wer etwas zu verschicken hatte, musste seine Sendung in einen der zunächst 60 Briefkästen werfen, die von Boten zur Postzentrale gebracht wurden. Von der Postzentrale wurden die anfangs nur mit kleinen Stempeln, ab 1850 mit Briefmarken frankierten Sendungen wiederum durch Briefträger den Empfängern zugestellt. Sammelstellen waren Postgebäude, von denen die Stadt noch einige aus der Kaiserzeit besitzt. Das wohl schönste ist das Postfuhramt in der Oranienburger Straße. Es wurde 1875 bis 1881 im "Rundbogenstil" der italienischen Renaissance errichtet. Im Hof schildert ein Relief die mühsame Beförderung von Menschen und Postsendungen mit der Kutsche. Bildnismedaillons an der Front an der Oranienburgerstraße und der Tucholskystraße würdigen Persönlichkeiten, die sich um die Entwicklung des Postwesens und der Kommunikation verdient gemacht haben.

Mit der Schaffung der Stadtpost wurde in Berlin sichergestellt, dass eine Postsendung binnen zwölf Stunden beim Adressaten war. Die Schnelligkeit erstaunt, denn heute werden mindestens 24 Stunden für die gleiche Leistung gebraucht, und außerdem werden unsere Briefkästen weniger häufig geleert als in der Postkutschenzeit. Allerdings hinkt der Vergleich, denn damals wurden weitaus weniger Briefe und Pakete verschickt, und außerdem hatte die preußische Hauptstadt weniger Einwohner als heute.

Laut der erwähnten Verordnung vom 15. Oktober 1827 wurde Berlin in 36 Postbezirke eingeteilt, für jeden Bezirk war ein Briefträger zuständig. Zusätzlich gab einen reitenden Boten, der zweimal täglich die Korrespondenz in Vororte wie Wedding und Gesundbrunnen sowie zu Großabnehmern wie die Königliche Eisengießerei und Invalidenhaus brachten. Es versteht sich, dass das Personal in dem Maße aufgestockt wurde, wie die Einwohnerzahl Berlins anwuchs. Wichtigstes Fortbewegungsmittel waren Pferdewagen, in denen Postbedienstete die eingesammelten Briefe sortieren konnten. Die Briefkästen, auch Briefsammlung genannt, waren in ihrer Frühzeit noch schmucklos und auch nicht unumstritten. Bereits unter Friedrich II., dem Großen, nach französischem Vorbild installiert, bestanden sie anfangs aus braun angestrichenen Holzbrettern.

Briefkästen erst aus Holz, dann aus Eisen

Die Berliner freundeten sich erst langsam mit der Novität an, denn sie fürchteten um das Postgeheimnis und hegten auch den Verdacht, dass man mit den "für die Gemächlichkeit der Correspondenten und Filicisierung deren Correspondenz" aufgehängten Kästen Unfug treiben würde, indem Ehepartner, Nachbarn, Vorgesetzte, Dienstboten und dergleichen denunziert werden und "überhaupt Zank und Argwohn" gesät wird. Erst langsam setzte sich die Erkenntnis über die Vorteile der "Briefeinlegekästen" durch, und als man sie Konstruktionen aus Holz durch bunt bemalte, reich verzierte Eisenkästen ersetzt hatte, wurde auch die Sicherheit der eingeworfenen Sendungen nicht mehr in Frage gestellt. Dass die Postverwaltung ausdrücklich darum bat, die Briefe vollständig zu adressieren und auch den Absender nicht zu vergessen, hatte einen guten Grund, denn Nachlässigkeit führte, wie heute auch, zu verspäteter Zustellung oder verhinderte sie ganz.

Gewöhnungsbedürftig waren die Stempel, die auf die Umschläge gedrückt wurden. Sie wurden von Privatpersonen geführt, die nebenamtlich im Auftrag der Postverwaltung die Briefe einsammelten und weiter beförderten. Die ersten preußischen Postwertzeichen kamen ziemlich spät, erst am 15. November 1850 heraus. Damit zog das Reich der Hohenzollern mit Großbritannien, den USA und einigen deutschen Fürstentümern gleich, die bereits solche "Freimarken" als Zeichen dafür verwendeten, dass das Porto bezahlt ist. Zur Einführung der Briefmarken wurde ein von König Friedrich Wilhelm IV. unterzeichnetes Gesetz vom 21. Dezember 1849 erlassen. Es bestimmte in typisch unklarem Amtsdeutsch: "Die Postverwaltung hat die Anfertigung und Verkauf von Stempeln einzuleiten, mittels deren durch Befestigung auf den Briefen das Frankieren von Briefen nach Maßgabe des Tarifs bewirkt werden kann."

Damals Massenware, heute begehrte Sammelstücke

Für die neuen Marken im Wert zwischen einem halben und drei Silbergroschen wurde das Profilbild des Königs verwendet. Der Berliner Kupferstecher Friedrich Eduard Eichens zeichnete den Entwurf und fertigte auch die Druckstöcke. Die ersten in einer privaten Druckerei hergestellten Probebögen lagen im Frühjahr 1850 vor, ab 1852 erfolgte der Druck in der preußischen Staatsdruckerei, die auch Geldscheine, Aktien und andere Wertpapiere anfertigte. Das Papier für die neuen Briefmarken, Banknoten und anderen Sonderdrucke lieferte die berühmte Papierfabrik der Gebrüder Ebart in Spechthausen bei Eberswalde. Die Briefmarken wurden sehr schnell populär, doch als 1851 so genannte Franco-Couverts mit aufgedruckter Wertmarke auch in Preußen eingeführt wurden, bekamen sie ernsthafte Konkurrenz. Obwohl hunderte Millionen dieser Briefmarken beziehungsweise bedruckten Umschläge kursierten, sind sie heute philatelistische Raritäten, die von Sammlern und Museen gesucht und gut bezahlt werden.

27. Mai 2018

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