"Mutter aller Flughäfen"
Wechselvolle Geschichte des Tempelhofer Airports wird in neuer Ausstellung dokumentiert / Ausstellung der Topographie des Terrors



Die Ausstellung "Ein weites Feld" der Topographie des Terrors ist Teil des Europäischen Kulturerbejahres 2018 und ist täglich von 10 bis 18 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet.



Der Adlerkopf auf einem kleinen Postament vor dem Flughafengebäude ist vom Hoheitszeichen des NS-Staates über dem Eingang übrig geblieben.



Die Versorgung Westberlins durch die Luftbrücke 1948/9 wird auf der Grafik durch die drei Luftkorridore veranschaulicht.



Die Luftbrücke und die programmatische Rede des damaligen Oberbürgermeisters Ernst Reuter "Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt" werden 2018 durch eine Silbermedaillen der Berliner Münze gewürdigt.





Blick in die Ausstellung "Ein weites Feld", mit der auch gezeigt wird, wie gut sich die Flughafengebäude für Zwecke von Bildung und Kultur eignen. Sie allerdings zu finden, ist nicht ganz einfach.



Als Gäste der Internationalen Filmfestspiele in Berlin wurden Gina Lollobrigida und weitere Stars 1954 in Tempelhof stürmisch begrüßt.



Von Zeit zu Zeit werden das Empfangsgebäude und weitere Räume des früheren Flughafens für Messen, Konzerte und andere Veranstaltungen genutzt. Sie sind aber auch als Filmkulisse beliebt.



Die Erinnerung an die Überwindung der von Stalin befohlenen Blockade Westberlins 1948/49 hält das Luftbrückendenkmal vor dem Flughafengebäude wach. (Fotos: Caspar)

Bis zum frühen 20. Jahrhundert war das Tempelhofer Feld in Berlin ein riesiger Parade- und Truppenübungsplatz. Nach und nach wurde das Areal bebaut und mit Straßen, Plätzen und Parkanlagen versehen, denn die Reichshauptstadt brauchte für ihre Bewohner neue Wohnungen und Gewerbeflächen. Das Feld bot günstige Bedingungen für Flugversuche, an die man nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Bau von eher bescheidenen Flughafengebäuden anknüpfte. Im Zusammenhang mit gigantischen Planungen der Nationalsozialisten für den "Weltflughafen Tempelhof" wurden sie abgerissen. Im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums nach Plänen von Ernst Sagebiel errichtet, war der Zentralflughafen Teil der Planungen von Hitler und seines Stararchitekten Speer zur Neugestaltung der Reichshauptstadt und ein markantes Zeugnis für die Gigantomanie der Nationalsozialisten.

Eine bis 30. Dezember 2018 laufende Ausstellung der Stiftung Topographie des Terrors schildert in Bild und Schrift die Vor-, Kriegs- und Nachkriegsgeschichte dieses besonderen Berliner Ortes. Für die mit kaum bekannten Fotos, Dokumenten und Texten versehene Ausstellung steht ein Ort bereit, von dem man dank seiner großen Fenster einen fantastischen Blick auf die Flugsteighalle und das Flugfeld hat. Die Alu-Stellwände, die im oberen Bereich wie Papierflugzeug gefaltet sind, stellen einen Bezug zum obersten Zweck eines jeden Flughafens her, nämlich Ort des Startens und Landens, des Abfliegens und Ankommens zu sein, und dies mit Maschinen, die wesentlich aus Aluminium bestehen.

Zwangsarbeiter mussten für die Nazis schuften

Neugestaltung des riesigen Geländes und Bau der Flughafengebäude begannen 1935 und waren am Ende des Zweiten Weltkriegs nicht abgeschlossen. Aus dem Tempelhofer Flugfeld sollte nach Hitlers Willen der größte und schönste zivile Großflughafen der Welt werden. Die Baumaßnahme war Teil eines größeren Plans für die Umgestaltung Berlins als Reichs- und Welthauptstadt. Tempelhof sollte nicht nur dem Flugverkehr dienen, sondern war auch als große Bühne für Kundgebungen und Flugshows. Auf dem sollten Tausende Besucher militärischen Luftfahrtvorführungen zuschauen. Die Tribünen sollten bis zu 80.000 Menschen fassen, doch sie sind nie fertig geworden. Die Treppenhäuser befinden sich bis heute im Zustand des Rohbaus, sollen aber mit weiteren unfertigen Bereichen in den kommenden Jahren begehbar gemacht werden.

Der Architekt Ernst Sagebiel und seine Auftraggeber dachten bei den Planungen für die "Mutter aller Flughäfen" weit in die Zukunft, denn der Airport nahm mit seine einheitlich gestalteten Hallen und Bürogebäuden von monumentalen Ausmaßen sowie den Rollbahnen und Hangars viel mehr Raum ein als er zur Erbauungszeit gebraucht wurde. Die Ausstellung erinnert daran, dass im Zweiten Weltkrieg auf dem Gelände des Flughafens Tempelhof zahlreiche Zwangsarbeiter für die deutsche Rüstungsindustrie schuften mussten und viele von ihnen dabei ihr Leben verloren. Eine Tafel am Eingang des nationalsozialistischen Prestigebaus erinnert an sie sowie an die Opfer des NS-Terrors in der Folterhölle der SS am nahe gelegenen Columbiadamm. Es hatte lange, sehr lange gedauert, bis im Bereich des Flughafens Tempelhof an die Menschen erinnert werden konnte, die nicht in das rassistische und politische Bild der Nazis passten und nach Errichtung ihrer Diktatur furchtbaren Qualen und Drangsalierungen ausgesetzt waren. Eine Gedenkstätte am Columbiadamm unweit des in einer ehemaligen Kaserne untergebrachten KZ Columbia bringt den NS-Terror in Erinnerung. Unter den ersten Insassen befand sich der seinerzeit sehr bekannte Schlagertexter und bekennende Homosexuelle Bruno Balz, Autor von später in der Nazizeit populären Liedern wie "Davon geht die Welt nicht unter" oder "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen, und dann werden tausend Märchen wahr."

Die Ausstellung "Ein weites Feld" der Topographie des Terrors ist Teil des Europäischen Kulturerbejahres 2018. Sie schlägt sie einen Bogen zu den Leiden der Tempelhofer Zwangsarbeitern. Bei archäologischen Ausgrabungen wurden Reste von Baracken sowie Hinterlassenschaften der Zwangsarbeiter entdeckt. Ihr Einsatz für den Zentralflughafen half die immensen Kosten zu drücken und die enormen Bauleistungen bewältigen. Anhand von krumm gebogenen Nägeln konnte festgestellt werden, dass die Wände der Baracken dünn waren und den Zwangsarbeitern kaum Schutz vor Kälte boten. Auf dem Flughafen entstand eines der größten Montagewerke für Bomber weltweit. Was dort geschah, wird nach und nach von der Topographie des Terrors erforscht und auch der Öffentlichkeit präsentiert.

Lucius D. Clay und die Luftbrücke

Die Tafel zum Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur ist nicht die einzige am Flughafenportal, denn gleich nebenan wird darauf aufmerksam gemacht, dass die gesamte Anlage ein "Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland" ist und dafür 2011 dafür von der Bundesingenieurkammer ausgezeichnet wurde. Zu dem Plan, das Alliiertenmuseum von der Clayallee im Ortsteil Dahlem zum Flughafen Tempelhof zu verlegen und ihm dadurch höhere Aufmerksamkeit zu verschaffen, passt die dritte Tafel am Eingang, die dem Vater der Luftbrücke und Berliner Ehrenbürger General Lucius D. Clay gewidmet ist. Der amerikanische Militärgouverneur sorgte vor nunmehr 70 Jahren mit den Briten und Franzosen dafür, dass Stalins Plan nicht aufging, den Westteil der ehemaligen Reichshauptstadt auszuhungern und ihn seinem eigenen Machtbereich einzuverleiben. Während der vom sowjetischen Diktator Josef Stalin befohlenen Berlin-Blockade vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 spielte Tempelhof bei der Versorgung der von der Außenwelt abgeschnittenen Westsektoren eine herausragende Rolle. Rettung für die "Insulaner" kam durch die Luftbrücke, an die seit 10. Juli 1951 ein großes Denkmal auf dem nach ihr benannten Platz vor dem Flughafengebäude erinnert. Die Ausstellung zeigt eindrucksvolle Fotos, wie Berliner Kinder die "Rosinenbomber" sehnsüchtig erwarten.

Bis 1951 unterhielt die amerikanische Besatzungsmacht in Tempelhof einen Militärflughafen, danach wurde er für zivile Zwecke genutzt. Die Ausstellung im ehemaligen GAT-Bereich, zu erreichen von der U-Bahn-Station Platz der Luftbrücke, schildert, welche Bedeutung der Flugplatz für Menschen hatte, die vor dem Mauerbau 1961 aus der DDR in den Westteil Berlins geflohen und von dort nach Westdeutschland ausgeflogen wurden. Sie zeigt auch, dass Tempelhof als Tor zur Freiheit viele prominente Fluggäste aus aller Welt gesehen hat, angefangen von hochrangigen Politkern bis zu Stars von Film, Fernsehen und Theater.

Hungerharke ehrt tödlich verunglückte Piloten

Tempelhof war, daran sei auch erinnert, Schauplatz polnischer Flugzeugentführungen, mit denen die Kidnapper ihre Ausreise aus dem Ostblock in den Westen zu erzwingen versuchten. Statt im DDR-Flughafen Schönefeld zu landen, wurden die Maschinen nach Tempelhof umgeleitet. Das geschah so häufig, dass die polnische Fluggesellschaft LOT von den Berlinern spaßhaft in "Landet ooch Tempelhof" umbenannt wurde. Da für viele Bewohner der Westsektoren und der Bundesrepublik die Fahrt durch die DDR zu gefährlich war, nutzten sie den Flugweg. Aus dem ehemals exklusiven und teuren Reisevergnügen per Flugzeug war eine auch für Leute mit geringerem Einkommen erschwingliche Sache geworden.

Die von Eduard Ludwig geschaffene, zwanzig Meter hohe "Hungerharke" auf dem Platz vor dem Flughafen Tempelhof, so der Spitzname für das futuristische Betongebilde, besteht aus drei in westliche Richtung geneigte Rippen, die die drei Luftkorridore symbolisieren sollen. Die so angedeuteten Flugschneisen werden durch zwei Wände gestützt und verbunden. Das Luftbrückendenkmal ehrt an die 70 verunglückten Angehörigen der alliierten Luftstreitkräfte sowie acht Deutsche, die bei den über 200 000 Flügen der "Rosinenbomber" ums Leben gekommen waren. Darüber hinaus erinnert das Monument an die Standhaftigkeit der eingekesselten Berliner, die sich von östlichen Lockangeboten nicht irritieren ließen, und ihre Helfer in der westlichen Welt. Weitere Denkmäler dieser Art stehen in Frankfurt am Main, Nürnberg und Hannover und symbolisieren die Verbindung per Luftbrücke nach Berlin her.

Leere Fläche statt Neubauwohnungen

Schon bald nach der Wiedervereinigung 1990 wurden erste Pläne für die Schließung des Flughafens kontrovers diskutiert. Die Risiken waren zu groß, ihn weiterhin in der Stadt offen zu halten. Während der Flughafen in Tegel ausgebaut und der Flughafen Berlin-Brandenburg in Schönefeld immer noch nicht fertig gestellt ist, erhalten die Gebäude des Flughafen Tempelhof neue Aufgaben für gewerbliche und gastronomische Nutzung, aber auch für Ausstellungen, Messen und andere Veranstaltungen erhalten. Der Plan des Berliner Senats, am Rand des Flugfeldes Neubauwohnungen sowie Garten- und Sportanlagen zu errichten, wurde per Volksentscheid gekippt. Die Debatten sind noch nicht beendet, denn immer wieder wird gefordert, die Randbereiche mit Wohnhäusern zu besetzen. Derweil drehen Jogger und Radler auf dem freien Feld ihre Runden, Hunde finden weiten Auslauf, im Herbst steigen Drachen in die Luft. Nachdem 2015 tausende Flüchtlinge aus dem Balkan sowie dem Nahen und dem Fernen Osten und aus Afrika nach Berlin gekommen waren, fanden sie zeitweilig in den leer stehenden Räumen des Flughafens eine wenig komfortable und dazu noch laute Unterkunft.

In dem riesigen Flughafengebäude am Platz der Luftbrücke sind das Berliner Polizeipräsidium und das Polizeimuseum untergebracht. Die aus Hinterlassenschaften verschiedener Dienststellen sowie aus Spenden von Sammlern und Beamten gespeiste Polizeihistorische Sammlung wurde nach der Wiedervereinigung 1990 durch Bestände des Ostberliner Volkspolizeimuseums ergänzt. Die Dauerausstellung dokumentiert die Geschichte der Berliner Polizei und zeigt historische Bilder, Uniformen, Waffen und Arbeitsmittel. Ausgestellt sind Waffen und Tatwerkzeuge aus verschiedenen Kriminalfällen. Zum Museum gehören ferner über 50 historische Polizeifahrzeuge, die mehrmals im Jahr, so auch am Tag der offenen Tür, von der Polizei vorgeführt werden. Historikern stehen ein Archiv, eine Fotosammlung und eine Präsenzbibliothek für Forschungen zur Verfügung.

Regelmäßig werden Führungen durch die unter Denkmalschutz stehende Gebäude einschließlich seiner Bunkeranlagen angeboten. Wenn man das Straßenpflaster zwischen Tempelhofer Damm und Luftbrückendenkmal genau betrachtet, sieht, wie dort viereckige Metalltafeln eingelassen sind. Die Stiftung Luftbrückendank hatte ab Ende der 1940-er Jahre durch Pflanzung von Bäumen an die Opfer der Versorgung Westberlins während der Blockade von 1948 und 1949 aus der Luft erinnert. Bild- und Fototafeln vor dem Flughafengebäude schildern darüber hinaus, wie es in den 1930-er Jahren zum Bau des seinerzeit modernsten und größten Airports kam und welche Rolle er nach dem Zweiten Weltkrieg als amerikanischer Militärflughafen sowie Ankunft- und Abflugort von Millionen Menschen spielte, die Fahrten durch die DDR nicht riskieren wollten.

8. September 2018

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