Trichinentempel diente der Ausbildung von Tierärzten
Frühklassizistisches Bauwerk auf dem Berliner Charité-Gelände wachte aus dem Dornröschenschlaf auf



Um 1800 stand die Tierarzneischule noch in idyllischer Gegend vor den Toren Berlins.





Für den Trichinentempel nahm der Baumeister Anleihen bei italienischen Villen und einem Anatomischen Theater an, das 1594 in Padua erbaut wurde. Das Foto oben zeigt das Haus vor Beginn der Sanierung im Jahr 2007, darunter der heutige Zustand.





Die vor einigen Jahren restaurierten Ausmalungen im Hörsaal mit den steil nach oben ansteigenden Sitzreihen schildern idyllisches Landleben.



Für die verloren gegangene Hebevorrichtung für Tierkadaver hat man nach alten Plänen und Beschreibungen ein Modell angefertigt. Ob die Apparatur 1:1 nachgebaut wird, ist noch unentschieden.





Geschnitzte, von alten Übermalungen befreite Widderschädel schmücken die Schränke im Bibliothekssaal, über dem Eingangsportal hängt ein Löwenfell. (Fotos: Caspar)

Er gehört zu den architektonischen Kleinodien in Berlin, doch kaum jemand kennt den so genannten Trichinentempel, ein über 230 Jahre altes Hörsaalgebäude auf dem Berliner Charité-Gelände, das in den verfangenen Jahren von Dach bis Keller saniert und restauriert wurde. Die Hamburger Hermann Reemtsma Stiftung stellte für die Arbeiten eine Million Euro zur Verfügung, weitere Summen kamen von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der Stiftung Humboldt-Universität. Die ehemalige Tierarzneischule leitet ihren volkstümlichen Namen "Trichinentempel" von den in Tierkadavern nachgewiesenen Parasiten ab. Es wird vom Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik für akademische Festakte, Vortrags- und Musikveranstaltungen sowie Ausstellungen genutzt. Als Architekt zeichnet kein geringerer als Carl Gotthard Langhans, der Baumeister des Brandenburger Tors, für die Gestaltung des Hörsaalgebäudes verantwortlich. Es erinnert daran, dass es in Berlin längere Zeit vor der Gründung der Universität 1810 bereits einen akademischen Lehre und Forschung gegeben hat.

Das so genannte Anatomische Theater diente der Ausbildung von Studenten der Königlichen Tierarzneischule, die der ansonsten nur als Frauenheld und Geisterseher bekannt gewordene preußische König Friedrich Wilhelm II. "zum Besten des Landes, der Cavallerie, der Marställe und Gestüte" gestiftet hatte. Gut ausgebildete Tierärzte wurden in der Armee und Landwirtschaft dringend zur Seuchenvorsorge und zur Pflege kranker Tiere gebraucht. Da Ausfälle auf diesem Gebiet sehr viel Geld kosteten und Tierkrankheiten immer auch die Gefahr von Hungersnöten und militärischen Katastrophen mit sich brachten, ließ sich der preußische Staat die Ausbildung von Fachleuten und die Pflege von Nutztieren wie Pferde, Rinder und Schafe einiges kosten.

Hörsaal, Ställe, warmes Bad und Wiesen

Wie durch ein Wunder hat das 1789 bis 1790 in der so genannten Friedrich-Wilhelm-Stadt damals noch vor den Toren der preußischen Haupt- und Residenzstadt errichtete Gebäude alle Kriege und Katastrophen überstanden, wenn auch nicht mehr ganz im Originalzustand. Historische Darstellungen zeigen das wie ein antiker Tempel gestaltete Unterrichtsgebäude mit flacher Kuppel obenauf in einer unbebauten Gegend, umgeben von Wiesen und Bäumen. Ausgestattet war die im Stil des Frühklassizismus errichtete Tierarzneischule auf das Modernste mit einem kreisrunden Hörsaal, der durch eine verglaste Öffnung in der Kuppel beleuchtet wurde, und einer Apotheke. Das Haus verfügte ferner über eine gut ausgestattete Bibliothek, hinzu kamen eine Hufeisensammlung, eine "Gallerie der Präparate und Skelette" sowie ein warmes Bad für die vierbeinigen Patienten. In der Umgebung waren unter schattigen Bäumen Koppeln angelegt, "um kranke Thiere bei schicklicher Witterung ins Freie führen zu können", wie es in einer alten Beschreibung heißt. Außerdem besaß die Tierarzneischule "Ställe für Pferde, Hornvieh, Schaafe, Schweine und Hunde".

In einem Seitengebäude gab es eine so genannte Mazerationsanlage zum Trocknen und Bleichen der Tierskelette. Ferner verfügte die Schule über eine Reitbahn und ein "Speisehaus für die Eleven", wir würden sagen eine Mensa, in der die Studenten beköstigt wurden. "Nahe dabei ist noch ein Thierhospital, welches Ställe für Pferde mit ansteckenden Krankheiten und für kollerische Pferde enthält", heißt es in einem Berlin-Lexikon aus dem Jahr 1834. "Die Anstalt hat die Bestimmung, geschickte Thierärzte für die Kavallerie und das Land zu bilden, zu welchem Behuf 24 Militair-Eleven sich in der Anstalt befinden, die als Rossärzte in die Armee eintreten." Der Unterricht der künftigen Veterinäre dauerte drei Jahre, kranke Pferde wurden ärztlich behandelt, lediglich mussten die Besitzer die Kosten für Fütterung und Medikamente übernehmen.

Idyllisches Landleben in der Hörsaaldecke

Steinerne Nachbildungen von Rinderschädeln und Löwenfellen über Fenstern und Türen geben die Bestimmung des Hauses als Ausbildungsstätte für Veterinäre zu erkennen, während Ausmalungen an der inneren Hörsaaldecke idyllisches Landleben mit Hirten und Herden schildern. Im Keller unter dem wie ein Amphitheater gestalteten Hörsaal gab es eine Hubvorrichtung, mit der man während der Lehrveranstaltungen Tierkadaver heraufholen konnte. Weitgehend im Original erhalten ist der Bibliothekssaal mit Wandschränken nach Langhans' Entwurf. Auch hier sind an den Bücherschränken geschnitzte Widderschädel und Pflanzenarrangements angebracht, wie man sie in der Zeit des Frühklassizismus liebte. Im 19. Jahrhundert wurden kranke Pferde von Privatleuten ärztlich behandelt, und zwar kostenfrei. Lediglich mussten die Besitzer die Kosten für die Arznei sowie das Futter zahlen oder welches einliefern. In den

Da Ausbildungsstätte für angehende Tierärzte mit der Zeit zu klein und zu eng wurde, hat man einen Erweiterungsbau für die wissenschaftlichen Sammlungen und die Obduktion der toten Tiere erbaut. Die an der Erweiterung beteiligten Architekten Julius Emmerich und Walter Wolf übernahmen die wesentlichen Gestaltungselemente von Carl Gotthard Langhans und schufen so ein einzigartiges Ensemble, das die lange Tradition der Berliner Tiermedizin dokumentiert. Benannt ist der Gerlachbau nach Andreas Christian Gerlach, dem damaligen Direktor der Tierarzneischule. An ihn und weitere Gelehrte erinnern im Umkreis des Trichinentempels aus dem 19. Jahrhundert stammende Denkmäler und Büsten. Im Oktober 2012 wurde die tierärztliche Bildungs- und Forschungsstätte mit dem einzigartigen Hörsaal als Mittelpunkt nach siebenjähriger Restaurierung neu eröffnet, ebenfalls dank der Unterstützung durch die beiden schon erwähnten Stiftungen. Wegbegleiter der Sanierung des Gebäudeensembles war von Beginn an ist die Stiftung Anatomisches Theater der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Im Gerlachbau werden Räume für Forschung und Lehre sowie für Ausstellungen eingerichtet.



19. August 2018

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