U-Bahn fuhr anfangs fast nur oberirdisch
Bunt bemalte Tafeln in einzelnen Stationen machen mit alten und neuen Bahnhöfen und Stationen der Stadt- und Verkehrsgeschichte bekannt



Die in eine Wand des U-Bahnhofs Sophie-Charlotte-Platz eingelassene Tafel zeigt das historische Streckennetz vor dem Zweiten Weltkrieg sowie Bezeichnungen von Stationen, die heute anders heißen. Genannt werden auch unterschiedlich gestaffelte Fahrpreise.



Das Foto zeigt den menschenleeren Bahnhof Inselbrücke, der heute Märkisches Museum heißt.



Am Bahnhof Stralauer Tor (heute Warschauer Straße) begegneten sich U-Bahn, Straßenbahn und Pferdefuhrwerke.



Diese und weitere bemalte Emailletafeln im U-Bahnhof Klosterstraße zeigen, wie man sich auf Berliner Straßen in der Kaiserzeit fortbewegte.



Wie es in den Depots des Naturkundemuseums aussieht, zeigt die farbige Tafel im gleichnamigen U-Bahnhof.



Große Reklametafeln konkurrieren im Bahnhof Jungfernheide mit der Rümmlerschen Wanddekoration. (Fotos: Caspar)

Als sich am 15. Februar 1902 ein Konvoi vom Bahnhof Warschauer Straße in Richtung Zoologischer Garten in Bewegung setzte, begann in Berlin gegen manche Widerstände das U-Bahnzeitalter. Der Name der Unterpflasterbahn oder, wie wir heute sagen, der Untergrundbahn/U-Bahn signalisiert, dass die Züge tatsächlich untertage durch die kaiserliche Metropole fuhren. Das ist ein Irrtum, denn die U-Bahn war anfangs weitgehend eine Hochbahn, die sich auf Stelzen oberirdisch durch die Reichshauptstadt schlängelte. Nur ein kleiner Streckenabschnitt der U 1 fuhr unter Tage.

Eröffnet wurde die Strecke mit einer Sonderfahrt des preußischen Ministers für öffentliche Arbeit, von Abgesandten der damals noch selbständigen Gemeinden Berlin, Charlottenburg und Schöneberg und von Vertretern der beteiligten Betriebe und Banken. Auf einem Empfang im Maschinensaal am Gleisdreieck wurden festlichen Ansprachen gehalten und Orden verliehen.

Die kaiserliche Reichshauptstadt hinkte um 1900, was die Untergrundbahn betrifft, anderen Metropolen erheblich nach. Den Anfang hatte London gemacht, wo bereits 1863 eine Tunnelverbindung zwischen den Bahnhöfen Paddington und Farringdon Street geschaffen wurde. Da hier Dampfloks mit ihren stinkenden Rauschwaden hindurch fuhren, war die Strecke nicht sehr populär. 1879 hatte Werner (von) Siemens auf der Berliner Gewerbeausstellung ein elektrisch betriebenes Schienenfahrzeug vorgestellt und ein Jahr später erste Pläne für eine damit angetriebene Bahn vorgestellt. Dem genialen Konstrukteur schwebte eine Tram vor, die durch die Stadt schwebt, aber auch in die Tiefe zu gehen vermag, wo es die Verkehrsverhältnisse verlangen.

Allen Unkenrufen zum Trotz

Da Siemens in Berlin nicht wie erhofft zum Zuge kam, baute seine Firma zwischendurch die U-Bahn in Budapest. Der Erfolg in der ungarischen Metropole gab den Bestrebungen an der Spree den nötigen Schwung, und so erfolgte 1896 der erste Spatenstich in der Gitschiner Straße in Höhe des Patentamtes. Es sollte dann noch sechs Jahre dauern, bis der Bau der rund zehn Kilometer langen Stammstrecke vollendet war. Viel Zeit war verstrichen, weil die Berliner Behörden erhebliche Einwände gegen die Neuerung hatten. Sie befürchteten, die unterirdischen Abschnitte könnten das eben erst fertig gestellte Netz für die Wasserver- und -entsorgung gefährden. Hinzu kam, dass sich die damals selbständigen Städte Berlin, Charlottenburg und Schöneberg erst nach langen Verhandlungen über die Gewinnbeteiligung an der U-Bahn und den Streckenverlauf, über Grundstücksverkäufe und andere Fragen einigten. Außerdem warnte man vor einer "Verschandelung" der Stadt durch die auf Stelzen gebauten oberirdischen Trassen. Die Neuerung verschlang pro Kilometer U-Bahn die damals ungeheure Summe von 2,5 Millionen Mark. Darin waren auch Kosten für Grundstücksankäufe, ober- und unterirdische Bahnhöfe und Durchbrüche durch Häuserzeilen einbegriffen. Das Gemeinschaftsunternehmen der Firma Siemens & Halske und der Deutschen Bank schaffte bis 1913 ein Streckennetz von 36 Kilometer, heute verfügt die U-Bahn über 147 Kilometer.

Entgegen allen Unkenrufen eroberten sich die Berliner vor hundert Jahren das neue Verkehrsmittel schnell. Dabei half, dass in der Presse kräftig Reklame für die Novität gemacht wurde. Da man anfangs einen nicht zu bewältigenden Ansturm befürchtete, wurden die Fahrpreise mit 30 und 50 Pfennigen für zwei unterschiedliche Klassen recht hoch angesetzt. Schon bald kostete das Ticket 10 und 15 Pfennige, was damals immer noch viel Geld war. Bereits im Eröffnungsjahr 1902 zählte man 19 Millionen und 1903 bereits 30 Millionen Fahrgäste. Gegen die Beliebtheit der U-Bahn kamen Nörgler wie der Theaterkritiker und Schriftsteller Alfred Kerr nicht an. Er empfand Unbehagen und rang sichtlich nach Worten, als er schrieb: "Die Bülowstraße hat sich verändert. Welcher verblüffender Anblick: das Eisengestell einer Überbahn, rot lackiert und grau gestrichen, steigt in plumper Scheußlichkeit empor zwischen den Häusern, zwischen den Bäumchen, barbarischer, ekliger, gottverlassener, blöder, bedauernswerter, mickriger, schändlicher, gerupfter, auf den Schwanz getretener sieht nichts in der Welt aus." Mit den Jahren entstand ein sehr modernes Verkehrsnetz sowohl unter der Erde als auch oberirdisch. So haben Benutzer der U-Bahn das Vergnügen, sich die Stadt auch von oben anzuschauen. Bequem ist es heute wie damals, unterhalb der auf Stelzen fahrenden Bahn zu laufen. Der "längste Regenschirm" der Welt oder auch "Magistratsregenschirm" erlaubt es, trockenen Fußes lange Strecken durch die Stadt zurückzulegen.

Beschädigung durch Bombentreffer und Artilleriebeschuss legten die U-Bahn im Zweiten Weltkrieg zeitweilig lahm, doch nachhaltiger wirkten sich aber die Sperrmaßnahmen nach dem Bau der Mauer aus. Brutal wurde das ausgeklügelte Verkehrsnetz unterbrochen. An und unter der Mauer endete auch die U-Bahn, und wo es sich nicht vermeiden ließ, rauschten die Züge ohne Halt durch die dunklen Geisterbahnhöfe. Erst nach dem Fall der Mauer wurden die Transitstrecken mit großen Kosten reaktiviert, so dass heute die U-Bahn das wohl schnellste und sicherste Mittel ist, von der Warschauer Straße nach Krumme Lanke, von Spandau nach Pankow, von Alt Tegel nach Alt-Mariendorf und in andere Stadtviertel zu kommen.

Von der Neogotik bis zur Moderne

Viele unter Denkmalschutz stehende U-Bahnhöfe sind noch weitgehend im Originalzustand erhalten. Obwohl ursprünglich nur eine sehr einfache und kostensparende Bauweise geplant war, hat man sie doch schon in der Kaiserzeit prächtig ausstaffiert. Da sich Berlin gerade zur Weltmetropole mauserte, wollte man anderen Hauptstädten auch in dieser Beziehung nicht nachstehen, und so setzten sich Künstler und Architekten durch, die nach "ansprechender Wirkung der Bahn auf das Stadtbild" verlangten. Dabei hat man manchen Stilmischmasch zugelassen. Die Station Warschauer Straße und die sich anschließende Oberbaumbrücke, die Friedrichshain und Kreuzberg verbindet, ahmt märkische Backsteingotik nach. Neorenaissance, Neobarock, Neue Sachlichkeit und Schick der fünfziger und sechziger Jahre präsentieren sich in anderen Bahnhöfen. So kann man mit der U-Bahn auch eine Reise durch die Baustilkunde unternehmen, ohne einen Fuß bewegen zu müssen.

Als besondere Zeugnisse der Nachkriegsmoderne hat das Landesdenkmalamt 2017 sieben Berliner U-Bahnhöfe der Linie U7 unter Denkmalschutz gestellt. Die Bahnhöfe zwischen Siemensdamm und Rathaus Spandau stammen aus den 1980er Jahren und wurden Rainer Gerhard Rümmler (1929-2004) gestaltet. Der Vertreter der Postmoderne und der Pop-Architektur prägte seit den 1960-er Jahren als Referatsleiter für Bauentwurf des Senats den Ausbau der U-Bahn im damaligen Westberlin und schuf künstlerisch herausragende Bahnhofsarchitekturen. Mit der Aufnahme der Stationen ist es nun amtlich, dass auch die Postmoderne und Bauten der Internationalen Bauausstellung IBA besonderen Schutz bekommen und öffentlicher Aufmerksamkeit bedürfen. Das entspricht dem Eintrag der Plattenbausiedlung am Thälmannpark im Ostteil der Stadt. Mit den sieben Neulingen im Berliner Nordwesten steht jetzt über die Hälfte der Berliner U-Bahnhöfe, konkret 88 der insgesamt 173 Haltepunkte, unter Denkmalschutz.

11. Februar 2018

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