Angst vor der "mecklenburgischen Venus"
Als 1713 die Weiße Frau im Berliner Schloss herumgeisterte, war es um König Friedrich I. geschehen





Mit seiner dritten Gemahlin Sophie Luise hatte Friedrich I. wenig Freude. Oben zeigt sie das Bildnis eines unbekannten Malers mit angedeutetem Hermelinmantel, darunter das vergoldete Medaillon auf dem von Schlüter gestalteten königlichen Sarg im Berliner Dom.



Zur Hochzeit mit der mecklenburgischen Prinzessin 1708 wurden schmeichelhafte Medaillen geprägt. Die Schmeicheleien nutzten nichts, denn die Ehe mit Friedrich I. war unglücklich und das Leben der "mecklenburgischen Venus" endete tragisch.



Das preußisch-mecklenburgische Allianzwappen auf der Wand einer Sänfte ist eines der wenigen Hinweise darauf, dass König Friedrich I. für ein paar Jahre mit einer Mecklenburgerin verheiratet war. Sie überlebte ihren Gatten in Einsamkeit um 23 Jahre und wurde in der Schweriner Schelfkirche bestattet.



Dem schon sehr kranken König Friedrich I. soll seine für die "weiße Frau" gehaltene Gemahlin so erschreckt haben, dass er bald nach der unheimlichen Begegnung am 25. Februar 1713 starb.





Die Sophienkirche im Berliner Scheunenviertel trägt Sophie Louises Namen. Sie hatte 1712 Geld für das Gotteshaus gestiftet, deren schlanker Turm die Silhouette der Innenstadt bestimmt. Ihr Stiefsohn Friedrich Wilhelm I. untersagte den Namen Sophienkirche zu gebrauchen, um die Erinnerung an die "verrückte" Königin zu tilgen, erst Friedrich II. ließ ihn wieder zu.Die Inschrift über dem Portal der Sophienkirche mahnt die Gläubigen, auf das Wort des Herrn zu hören und ihm zu folgen. (Fotos/Repros: Caspar)

Alte Schlösser sind ohne Schlossgespenster oder Schauergeschichten um übernatürliche Erscheinungen schwer vorstellbar. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts soll eine "weiße Frau" im Berliner Schloss herumgegeistert und König Friedrich I. zu Tode erschreckt haben. Die Dame war allerdings aus Fleisch und Blut und war selber eine Krone - Sophie Dorothea von Schwerin-Grabow, die dritte Gemahlin Friedrichs I. Sie lebte in einem goldenen Käfig und starb allein und in geistiger Umnachtung, heißt es in den Chroniken. Der erste preußische König war dreimal verheiratet. Seine erste Frau Elisabeth Henriette von Hessen-Kassel starb im Jahre 1683, als Friedrich noch Kurprinz war. Die zweite war Sophie Charlotte, eine geborene Prinzessin von Hannover. Die Namensgeberin des Schlosses und der Stadt Charlottenburg segnete 1705 das Zeitliche und wurde in einem von Andreas Schlüter gestalteten prunkvollen Sarg bestattet, der im Berliner Dom aufgestellt ist.

Der betrübte Monarch sah sich, von seinem Premierminister Graf Kolbe von Wartenberg gedrängt, schon bald nach einer neuen Gemahlin um. Ihn trieb Angst um den Bestand der Monarchie um, denn er hatte nur einen einzigen Thronerben, und das war bei der damaligen hohen Sterblichkeit bei Kindern und Jungendlichen auch in höchsten Kreisen ein großes Risiko. Würde dieser Sohn, der nachmalige Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., aus irgendeinem Grund vorzeitig und ohne Kinder sterben, wären die Thronfolge und das Hauses Hohenzollern gefährdet, hielt Wartenberg dem kränkelnden König vor. Ein Erbfolgestreit würde Brandenburg-Preußen bestimmt nicht gut tun. Ein solcher Krieg tobte aktuell um die Frage, wer als nächster König den spanischen Thron besteigen soll.

An den Rand gedrängt und verspottet

Die Sorge um die Hohenzollerndynastie war nicht unbegründet, hatten doch im Jahre 1708 Kronprinz Friedrich Wilhelm (I.) und seine Gemahlin Sophie Dorothea ihren ersten Sohn Friedrich im Alter von sechs Monaten verloren. Bei der nächsten Schwangerschaft wusste man nicht, ob es ein Junge oder Mädchen werden würde. Erst der 1712 geborene Prinz Friedrich führte die Dynastie ab 1740 unter dem Namen Friedrich II. fort. Doch auch er hatte keine Kinder, weshalb sein jüngerer Bruder August Wilhelm als Thronfolger und Stammvater "einspringen" musste. Da August Wilhelm bereits 1758 starb, rückte dessen Sohn Friedrich Wilhelm in der Nachfolge Friedrichs des Großen auf und bestieg nach dessen Tod am 17. August 1786 als Friedrich Wilhelm II. den preußischen Thron.

In Sorge um den Bestand der Monarchie ließ sich der schon 50 Jahre alte und damals fast schon greisenhafte Friedrich I. auf eine dritte Heirat ein, die Ende 1708 in Berlin prunkvoll gefeiert wurde. Er war nicht mehr der Jüngste, und es stand nicht fest, ob er mit der neuen, aus geradezu dörflichen Verhältnissen stammenden Königin ein Kind haben würde. Die erst 23jährigen Prinzessin Sophie Luise, eine Tochter des Herzogs Friedrich I. von Mecklenburg-Schwerin-Grabow, war ein bescheidenes Mädchen, dem nie irgendeine Bildung noch Einblicke in höfische Etikette gewährt wurde. Als sie bei der ersten Begegnung mit ihrem königlichen Gemahl in die Knie sank, erntete sie bei den preußischen Hofschranzen nur Hohn und Spott. Man nahm die neue Herrin nicht für voll und isolierte sie vom ersten Tag an, wo immer es ging. Zwar feierten eifrige Hofpoeten überschwänglich die glänzende Hochzeit und verherrlichten die junge Frau als "mecklenburgische Venus". Eine lateinische Inschrift verstieg sich zu der Behauptung, der großmächtige König Friedrich habe durch eine höchst glückliche Verbindung das "Altertum des Königlich Vandalischen Geblüts zu Seiner Majestät erhoben und die ewige Stadt Berlin durch ihre Ankunft mit unendlicher Freude erfüllt." Gemeint war mit dem "vandalischen Geblüt" die mythische Abkunft des mecklenburgischen Herzoghauses von den Königen der Wenden (Vandalen).

Das alles war hohles Geschwätz, denn der alte Friedrich I. konnte mit seiner jungen Gemahlin nichts anfangen. Mitten im Nordischen Krieg, der ihn und das benachbarte Herzogtum bedrohte, schloss mit den Schwerinern einen Schutz- und Trutzvertrag ab und durfte stolz den mecklenburgischen Stierkopf in ein Wappen aufnehmen. Selbst Kaiser Wilhelm, genannt Wilhelm der Letzte, führte unter seinen zahllosen fürstlichen Titeln auch den eines Herzogs von Mecklenburg auf.

Innige Gebete hier, Lustbarkeiten dort

Das Ziel der merkwürdigen Ehe, einen Prinzen zu zeugen, wurde nicht erreicht, denn in dieser Hinsicht geschah "nichts Reelles". In Hannover, woher die Gemahlin des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (I.) stammte, hatte man Sorge um, dass ein gesunder Knabe im Falle eines Falles die Thronfolge dieses Preußenprinzen gefährden könnte, weshalb alles getan wurde, um das königliche Paar einander zu entfremden. Mit anderen Worten war die Ehe zwischen Friedrich I. und Sophie Luise ein Schlag ins Wasser. Schon bald wollte man von den typisch barocken Elogen nichts mehr wissen, und so dauerte es nicht lange, bis Sophie Luise am Berliner Hof zur Unperson wurde. Mehr oder weniger offen hetzte man gegen sie und warf ihr Knüppel zwischen die Beine.

Über die dritte Frau an der Seite des ersten Preußenkönigs ist nicht viel bekannt, nur dass sie, obzwar eine Prinzessin, in vergleichsweise einfachen Verhältnissen aufgewachsen war und den für Mädchen ihres Standes üblichen Französisch- und Musikunterricht bekam. Sophie Luise wird ein zurückhaltendes, ja unsicheres Wesen und tiefe Religiosität nachgesagt. Sie war ganz der lutherschen Lehre verpflichtet und verachtete, darin von ihrer einzigen Vertrauten Fräulein von Grävenitz bestärkt, alles, was mit weltlichen Lustbarkeiten und kurzweiligen Gesprächen zu tun hat. Ihren der reformierten Richtung verpflichteten Gemahl versuchte sie, "zum wahren Glauben" und einer ähnlich zurückhaltenden, in sich gekehrten Lebensweise zu bringen, womit sie aber bei ihm und seine Gefolge auf Granit biss.

Da das Leben am preußischen Hof von Luxus und Geldverschwendung geprägt war, stießen die ungewohnten Eigenschaften und Ansichten der mit innigen Gebeten beschäftigten Königin auf wenig Verständnis, ja auf Feindschaft und Häme. Eine Frau wie sie, ernst, in sich gekehrt, ständig im Gebet und von frömmelndem Eifer ergriffen, konnte nicht ganz richtig im Kopf sein, tuschelten die Hofschranzen, die wie die korrupten und geldgierigen Grafen Wartenberg, Wartensleben und Wittgenstein einen üppigen Lebensstil pflegten und das schwer erarbeitete Geld der "Landeskinder" mit vollen Händen zum Fenster hinaus warfen. Für sie war die frömmelnde Königin, ihre ständigen Gebete und Mahnungen eine Gefahr, und so war es nur eine Frage der Zeit, dass Gerüchte über das seltsame Gebaren der preußischen First Lady in Umlauf gesetzt wurden. Erschwerend für sie war, dass man sie mit ihrer Vorgängerin, der geistig und musisch interessierten, lebenslustigen und beliebten Sophie Charlotte verglich. Außerdem erfüllte sie den tieferen Sinn der ungleichen Liaison nicht, der Monarchie einen Sohn und potenziellen Thronerben zu schenken, falls Friedrich Wilhelm (I.) ausfallen würde, aus welchen Gründen auch immer. Resigniert zog sich Sophie Luise vom Hofleben zurück, erfüllte aber ihre Rolle als treusorgende Hausmutter und Krankenpflegerin ihres Gemahls. Der König sorgte dafür, dass sie ständig unter Beobachtung stand und sich nicht frei im Schloss und der Stadt bewegen konnte.

Geheimnisvolle Totenbotin

Der Glaubenseifer und die Depressionen der Königin von Preußen passten nicht zum luxuriösen Hofleben, ja man sprach sogar von geistiger Verwirrung. Das alles machte eine Teilnahme der Königin an offiziellen Terminen ihres Gatten unmöglich, der sich enttäuscht von ihr abwandte. Zufrieden konnte die Kurfürstin Sophie von Hannover, die Mutter der designierten Königin Sophie Dorothea von Preußen, feststellen: "Was die Königin angeht, so hat man Exempel, dass die Leute von der Tollheit geheilt wurden, aber es gibt auch welche, bei denen dies nicht eintritt." (zitiert nach Karin Feuerstein-Praßer "Die preußischen Königinnen", Verlag Friedrich Pustet Regensburg 2000, S. 96). In Erinnerung ist geblieben, dass sie in einem unbewachten Augenblick und wohl in verwirrtem Zustand durch das Berliner Schloss irrend, ihren kranken Gemahl auf den Tod erschreckt haben soll. Nachdem sie sich an einer Glastür Schnittverletzungen zugezogen hatte, "erschien" sie blutüberströmt ihrem Gemahl, der die Begegnung als Vorboten seines nahen Todes deutete. Denn nach einer Sage würde derjenige bald sterben, der der "weißen Frau" begegnet. Diese Erscheinung soll es vor dem Tod des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm 1688 und knapp zweihundert Jahre davor beim Ableben des Kurfürsten Albrecht Achilles gegeben haben. Tatsächlich hatte der kränkliche Friedrich I. nicht mehr lange zu leben. Er starb am 25. Februar 1713 und wurde in einem von Andreas Schlüter gestalteten Prunksarg neben seiner acht Jahre zuvor verstorbenen Gemahlin Sophie Charlotte bestattet.

Die angeblich oder wirklich geistig umnachtete Königin aber wurde zu ihrer Familie nach Mecklenburg zurück geschickt und starb 1735 in Schwerin mit nur 50 Jahren. Ihr 1713 an die Macht gelangte Schwiegersohn Friedrich Wilhelm I. verbot, den Namen der von Sophie Louise gestifteten Sophienkirche zu erwähnen, erst Friedrich II. ließ ihn wieder zu. Diese Kirche in der Nähe des Hackeschen Markts in Berlin ist das einzige auffällige Zeugnis von der Existenz einer Königin, die am Berliner Hof wie in einem Gefängnis lebte und bis heute mit Unglück, Trauer und religiösem Wahn in Verbindung gebracht wird. Die Ehe eines anderen Hohenzollern, des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. mit der aus Mecklenburg-Strelitz stammenden Luise, war glücklich und mit vielen Kindern gesegnet. Sie endete tragisch mit dem frühen Tod der als "preußische Madonna" verehrten Königin Luise im Jahr 1810.

4. August 2018

Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"