Weltzeituhr als Wahrzeichen
Was auf dem Berliner Alexanderplatz stand und die Leute auch heute lockt



Friedrich Wilhelm III. und Alexander I. beschworen 1805 an den Königsgräbern in der Potsdamer Garnisonkirche ewige Freundschaft. Die 7,5 Meter hohe Berolina teilt Blumen und gute Wünsche aus. Da die Figur aus "kriegswichtiger" Bronze bestand stand, wurde sie im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen. Nach 1945 bestand für eine Rekonstruktion kein Bedarf. Versuche, das Standbild heute zu rekonstruieren, hatten bisher keinen Erfolg. Aber dabei muss es ja nicht bleiben.





Der Alexanderplatz war in der Kaiserzeit und danach einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt. Auf dem zweiten Foto aus den dreißiger Jahren sind die beiden nach Plänen von Peter Behrens erbauten Berolina- und Alexanderhäuser zu erkennen, die in den vergangenen Jahrzehnten umgebaut und modernisiert wurden.



Die Weltzeituhr ist ein beliebter Trefpunkt der Berliner und Gäste der Hauptstadt.



Auf der Medaille des VEB Münze der DDR sowie den Fünfmarkstücken der DDR von 1987 sind das Rote Rathaus und die Weltzeituhr gut zu erkennen.



Rund um das Berliner Wahrzeichnen kamen am 4. November 1989 eine halbe Million Demonstranten mit Forderungen nach Freiheit und Abschaffung der SED Herrschaft zusammen. Fünf Tage später waren die Berliner Mauer und die innerdeutsche Grenze offen.



Auf dem Alexanderplatz sah man den bisherigen Staats- und Parteichef Erich Honecker in Häftlingskleidung und eine Karikatur von Egon Krenz als zähnefletschender, Kreide fressender Wolf aus dem Märchen vom Rotkäppchen. Eines der damals hoch gehaltenen Pappschilder und jubelnde Menschen am Brandenburger Tor schmücken zwei Gedenkmünzen von 2010 und 2015.



Aus DDR-Zeiten stammt die von Walter Womacka geschaffene "Bauchbinde" rund um das Haus des Lehrers, auf der die Segnungen der Arbeiter-und-Bauern-Macht geschildert werden. Als das Gebäude am Rand des Alexanderplatzes saniert wurde, hat man auch das bunte Mosaik einer Verjüngungskur unterzogen.



Der Brunnen vor der Galeria Kaufhof bekam im Volksmund den Spitznamen "Nuttenbrosche". Wer da Platz nimmt, wird damit kaum noch etwas anfangen können. (Fotos/Repros: Caspar)

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zogen dunkle Wolken in Europa auf. Napoleon Bonaparte, seit 1804 französischer Kaiser, zeichnete die Landkarte neu, schaffte Fürstentümer ab, besetzte Throne mit Verwandten und Vertrauten. Frankreich lag mit seinem Hauptkonkurrenten England im Krieg. Russland und Österreich versuchten, die militärische Dominanz des napoleonischen Frankreich zu brechen und die alten Machtverhältnisse wiederherzustellen. Preußens König Friedrich Wilhelm III. hielt sich zunächst aus dem Konflikt heraus und pflegte gute Beziehungen mit Frankreich. Doch insgeheim goss man an seinem Hof Hohn und Spott über Napoleon I., den machtbewussten Emporkömmling, und wünschte dem "Ungeheuer und Blutsäufer aus Korsika" die Pest an den Hals.

Als Zar Alexander I. im Oktober 1805 den preußischen König in Berlin besuchte, bekundeten beide Monarchen freundschaftliche Eintracht. Vergessen war, dass Friedrich Wilhelm III. dem Herrscher aller Reußen mit ängstlichem Blick auf französische Sanktionen zunächst ausgewichen war, indem er Unpässlichkeit durch eine Fußerkrankung vortäuschte. Alexander I. ließ sich nicht beirren und kam nach Berlin. Nolens volens arrangierte der preußischen König für seinen russischen Gast prächtige Paraden und Empfänge, ohne zu ahnen, dass sie für Jahre die letzten Festlichkeiten dieser Art sein werden. Ein paar Wochen später fand am 2. Dezember 1805 im böhmischen Austerlitz die Dreikaiserschlacht zwischen Russland, Österreich und Frankreich statt. Frankreich siegte und war stark wie noch nie. Preußen musste einem Schutz und Trutzbündnis mit Frankreich zustimmen. Ein Jahr später lag der Hohenzollernstaat, der unter Friedrich II., dem Großen, niemals geschlagen war, nach der verlorenen Schlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 zerschmettert am Boden.

Ewige Freundschaft beschworen

Der Zar traf sich in der Nacht vom 4. zum 5. November 1805 mit dem Königspaar, Friedrich Wilhelm III. und der aus Strelitz stammenden Königin Luise, in der Potsdamer Garnisonkirche. Unter "lebhaften Umarmungen" schworen die Monarchen an den Särgen des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. und Friedrichs des Großen einander unverbrüchliche Treue. Um dem Zaren zu schmeicheln, nannte Friedrich Wilhelm III. den wenig attraktiven Ochsenmarkt am Rande der Haupt- und Residenzstadt in Alexanderplatz um. Die Verordnung für diese Ehrung trägt das Datum 2. November 1805, obwohl die eigentliche Umbenennung schon am 25. Oktober 1805 erfolgt war, als Alexander I. feierlichen Einzug in Berlin hielt. Ein Jahr später stand Napoleon I., der Sieger der Schlacht von Jena und Auerstedt über die preußische Armee, an der gleichen Stelle vor den Königssärgen und soll nachdenklich gesagt haben, wenn "der hier", also Friedrich der Große noch lebte, stünde er, der Kaiser der Franzosen, nicht hier.

In Büchern und Chroniken wird der historische Alexanderplatz oder Alex, wie die Berliner sagen, als eine zweigeteilte Freifläche in der damaligen Königsvorstadt oder Königsstadt beschrieben. Auf einem Teil paradierten Soldaten, auf dem anderen wurden zu Markttagen Rinder, Schafe und andere Tiere verkauft, was dem Ort am Rande der damaligen Haupt- und Residenzstadt den Namen Ochsenplatz verschaffte. In den Gebäuden an seinem Rand verarbeiteten Manufakturen Seide und Wolle, außerdem gab es neben zwei- und dreigeschossigen Wohnhäusern auch Hotels, Gasthäuser und das Königstädtische Theater. In der Nähe des Alexanderplatzes stand das berüchtigte Arbeits- und Strafhaus "Ochsenkopf", an dessen Stelle sich jetzt das Polizeipräsidium erhebt. Eine riesige Bronzefigur, die Berolina, stand mitten auf dem Platz. Die von dem Bildhauer Emil Hundrieser geschaffene Symbolfigur von Berlin wurde im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen.

Wichtig für die Entwicklung des Alexanderplatzes war seine Anbindung an das öffentliche Schienennetz. Zunächst fuhren Pferdeomnibusse von hier regelmäßig nach Weißensee, dann wurde der Platz Haltepunkt der Fern- und der Stadtbahn. Der prächtig gestaltete Bahnhof von 1882 lockte zahllose Fahrgäste an, und so wurde der Platz auch eine wichtige Einkaufsmeile mit Zentralmarkthalle und Kaufhäusern. Der Schriftsteller Alfred Döblin setzte dem Treiben auf dem Alex und dem Leben seines tragischen Helden Franz Bieberkopf in seinem berühmten Großstadtroman "Berlin, Alexanderplatz" (1929) ein bleibendes Denkmal.

Ein Gegenkonzept zum Mauerbau

Ungefähr an ihrem ehemaligen Standplatz lockt seit 1969 die Weltzeituhr als beliebter Treffpunkt Berlinerinnen und Berliner sowie Besucher der Hauptstadt an. Ihr Erbauer Erich John hat im Herbst 2018 die Vermarktungsrechte einem Berliner Start-up übergeben. Dessen Geschäftsführer Carsten Kollmeier wird Textilien und Tassen, Mützen und Turnbeutel, Schlüsselanhänger und Wodkaflaschen mit Bildern des nunmehr 50 Jahre alten Wahrzeichens schmücken. Erich John, damals Mitarbeiter der Planungsgruppe zur Umgestaltung des Berliner Alexanderplatzes unter Leitung von Walter Womacka, erzählt, nie habe er zu hoffen gewagt, dass sein Entwurf im Rahmen eines Design-Wettbewerbs angenommen wird. "Meine Weltzeituhr war Ende der 1960-er Jahre eine Provokation, ein Gegenkonzept zum Mauerbau und ein Plädoyer für Weltoffenheit", sagt John. Er sei überrascht gewesen, als man ihm damals 3000 Mark in die Hand drückte mit dem Auftrag, die ungewöhnliche Uhr innerhalb von neun Monaten zu bauen. Sie sollte zur Eröffnung des neu gestalteten Alexanderplatzes und des Fernsehturms zum 20. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1969 fertig sein. Um das Ziel zu erreichen, stellte John klare Forderungen - freier Materialeinkauf und 120 Facharbeiter. Die um internationale Anerkennung ringende DDR und ihr SED-Chef Walter Ulbricht sicherten ihm alles zu. Alles in allem verschlang der zehn Meter hohe und 16 Tonnen schwere Bau 480.000 Mark.

Das sich drehende Wahrzeichen wurde am 30. September 1969 der Öffentlichkeit vorgestellt. Seitdem dient sie für viele Berliner und Touristen als Treffpunkt. Die Weltzeituhr enthält auf ihrer metallenen Rotunde die Namen von 148 Städten. Über dem im Boden eingelassenen Steinmosaik in Form einer Windrose ist auf einer 2,7 Meter hohen Säule mit 1,5 Metern Durchmesser ein dreigeteilter Zylinder angebracht, dessen Grundfläche 24 Ecken und Seiten aufweist. Jede Seite entspricht einer der 24 Zeitzonen der Erde. In das Aluminium sind die Namen wichtiger Städte der Zeitzone eingefräst. In diesem Zylinder dreht sich ein Stundenring, auf dem die farbig gekennzeichneten Stunden durch die Zeitzonen wandern. Über der Weltzeituhr rotiert in vereinfachter Darstellung unser Sonnensystem mit den als vergoldete Kugeln aufgefassten Planeten auf Stahlkreisen.

In die Denkmalliste aufgenommen

Das Landesdenkmalamt hat prominente Bauwerke am Alexanderplatz aus der Zeit um 1970 unter Denkmalschutz gestellt. Darunter befinden sich das Berolinahaus und das Alexanderhaus, zwei Schöpfungen des Architekten Peter Behrens aus der Zeit um 1930, sowie das Haus des Berliner Verlages, das 1970 bis 1973 nach Plänen der Architekten Karl-Ernst Swora, Rainer Hanslik, Günter Derdau, Waldemar Seifert und Gerhard Voss erbaut wurde. Unter Schutz stehen das ehemalige Pressecafé und heutige Restaurant mit dem Bilderfries "Sozialistische Presse" an der Fassade, eine Arbeit des Malers Willi Neubert, die nach dem Ende der DDR als so unerträglich empfunden wurde, dass sie verkleidet und damit unsichtbar gemacht wurde. Dass die Medien in der DDR von der Staatspartei SED gegängelt und zensiert wurden, war ein offenes Geheimnis und führte mit anderen Gebrechen des Systems zum Aufbegehren der DDR-Bewohner im "Wendeherbst 1989". Auf der Denkmalliste hat ferner das Haus des Reisens Platz gefunden, das 1969 bis 1972 nach Plänen der Architekten Roland Korn, Johannes Brieske und Roland Steiger mit dem gut erhaltenen Kupferrelief "Der Mensch überwindet den Raum" von Walter Womacka erbaut wurde. Schließlich stehen auch die Weltzeituhr und ein großer Brunnen mit bunter Emailleverkleidung unter Schutz. Die Berliner Denkmalpflege begründete ihre Fürsorge damit, dass Berlin die einzige Metropole weltweit ist, die in ihrem Stadtbild Zeugnisse der beiden politischen Blöcke in der Zeit des Kalten Krieges vereinigt. Mit großem Ehrgeiz hätten die beiden deutschen Staaten an ihrem repräsentativen Erscheinungsbild als "Hauptstadt der DDR" bzw. als "Schaufenster des Westens" gearbeitet. Ostberlin sollte eine sozialistische Vorzeigestadt werden, wobei dem Alexanderplatz besondere Bedeutung zukam.

Auf historischem Grund am Rande des Alexanderplatzes steht das Haus des Lehrers, denn hier erhob sich früher einmal das Lehrervereinshaus. Ansonsten flankieren den Alex nur Neubauten aus der DDR-Zeit. Dazu gehört das frühere Centrum Warenhaus, heute Kaufhof, ein 123 Meter hohes Hotel und das Haus des Reisens. Etwas weiter steht jenseits des S-Bahnhofs der Fernsehturm, dessen Bau vor genau 40 Jahren begann. Nach der Wiedervereinigung gab es Pläne, an den Rand des Alexanderplatzes zur Karl-Marx-Allee hin Wolkenkratzer à la Manhattan zu stellen. Bisher konnte deren Bau verhindert werden. Allerdings sind die Pläne für sie nicht vom Tisch. Aktuell signalisiert eine riesige Baugrube neben dem Warenhaus Alexa, dass dort ein neues Hochhaus entsteht.

So wie es ist, bleibt es nicht

Wer den Alex besucht, wird vielleicht an große Ereignisse der vergangenen Jahrzehnte denken. 1951 und 1973 fanden hier kommunistisch gelenkte Weltfestspiele der Jugend und Studenten statt, und am 4. November 1989 gab es auf dem Platz eine einzigartige Demonstration für Freiheit und Demokratie mit 500 000 Teilnehmern. Die dabei erhobenen Forderungen nach Überwindung der Alleinherrschaft der SED, freien Wahlen, Auflösung des Geheimdienstes und Reisefreiheit setzten die SED-Führung und ihre Helfer schwer unter Druck. Plakate mit Aufschriften wie "Glasnost und nicht Süßmost", "Volksauge sei wachsam", "Pässe für alle - der SED den Laufpass", "Stasi an die Stanze", "Öko-Daten ohne Filter", "Kein Artenschutz für Wendehälse" oder "Rücktritt ist Fortschritt" und "Sägt die Bonzen ab - nicht die Bäume" wurden hoch gehalten.

Jubelnder Beifall brandete auf, als die Schauspielerin Steffie Spira mit den Worten "So wie es ist, bleibt es nicht" Bertolt Brecht zitierte und die SED-Politbürokraten zum "Abtreten" aufforderte. "Ich wünsche mir für meine Urenkel", sagte die 80jährige, "dass sie ohne Fahnenappell und ohne Staatsbürgerkunde aufwachsen können". Eiskalt ging es vielen den Rücken herunter, als der bisher von der SED geächtete Schriftsteller Stefan Heym der Menge zurief "Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen nach all den Jahren der Stagnation - der geistigen, der wirtschaftlichen, der politischen, nach all den Jahren der Dumpfheit und des Miefs, des Phrasengewäschs und der bürokratischen Willkür". Die Schriftstellerin Christa Wolf warnte vor Wendehälsen und Trittbrettfahrern und forderte die reichlich erschienenen Polizisten und Sicherheitsleute auf: "Zieht euch um und schließt euch an". Nur fünf Tage später fiel die Berliner Mauer, und nicht einmal ein Jahr darauf war die DDR Geschichte.

8. Dezember 2018

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