"Soll ick mir rasieren?"
Berühmte Generale der friderizianischen Armee können an zwei Stellen in Berlin betrachtet werden







Der Wilhelmplatz war bis zur Kriegszerstörung eine großartig gestaltete Anlage mit dem Eingang zur U-Bahn in der Mitte. Heute ist der mit Neubauten umstellte Platz nach dem Reitergeneral Hans-Joachim von Zieten benannt, der auf dem Foto rechts im Hintergrund zu erkennen ist.





Hans-Joachim von Zieten und Fürst Leopold von Anhalt-Dessau halten auf dem Zietenplatz Wache, von August Kiß geschaffen und in Bronze gegossen. Die Reliefplatten würdigen Ziten und Sponsoren, die die Neuaufstellung durch die Schadow-Gesellschaft Berlin unterstützt haben.



Der am 17. Mai 2017 verstorbene Maler und Grafiker Johannes Grützke war Mitglied der Berliner Schadowgesellschaft. Er hat dem Berliner Bildhauer Schadow und seinem Werk humorvolle Lithographien gewidmet.



In der Kleinen Kuppelhalle des Bodemuseums kann man die Vorlagen aus Marmor für die Generale auf dem Zietenplatz betrachten.





Um die rund um den U-Bahnhof Mohrenstraße aufgestellten Generale aus Bronze ranken sich manche Legenden. Davon berichtet auch eine Bild-Text-Tafel. (Fotos: Caspar)

Anfang 1987, als Berlin sein 750jähriges Stadtjubiläum feierte, kehrten sechs Marmordenkmäler von Generalen der friderizianischen Armee aus dem Depot in die Kleine Kuppelhalle des Bodemuseums zurück. Mit ihnen wurde auch ihr in der Mitte stehender Oberster Befehlshaber, Friedrich der Große, auf seinen angestammten Platz gestellt. Dort kann man das einzigartige Ensemble, zu dem auch die aus dem Park von Sanssouci stammenden Gartenplastiken Venus und Merkur des französischen Bildhauers Pigalle gehören, in seiner ganzen Pracht bestaunen. In der Großen Kuppelhalle des Museums, dem feierlichen Entree des mit einer riesigen Kuppel geschmückten Museums, ließ Museumsdirektor Wilhelm (von) Bode eine Kopie von Schlüters berühmten Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm als Reverenz an einen bedeutsamen Kunstförderer des 17. Jahrhunderts aufstellen.

Mit der Aufstellung der Feldherrngruppe mit Friedrich dem Großen in der Mitte wurde im heutigen Bodemuseum nicht nur ein herausragender Herrscher und Militär geehrt, sondern auch ein bedeutender Förderer der Kunst und Wissenschaft in Berlin und Preußen. Die Berliner Museen verdanken ihm viele Kunstwerke von Weltrang. Friedrich der Große hielt es nach dem Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) für angemessen, einigen seiner besten Feldherren, mit Ausnahme seines Bruders Heinrich, Denkmäler zu setzen, während er für sich solche Ehrungen ablehnte.

Veränderte Nachbildungen aus Bronze

Die Generalsfiguren aus Marmor auf dem Wilhelmplatz an der Wilhelmstraße ehrten 1769 Generalfeldmarschall Graf Kurt Christoph von Schwerin (begonnen von François Gaspard Adam, vollendet von Francois Sigisbert Michel), 1777 Generalleutnant Hans Karl von Winterfeldt (von Johann David Räntz d. J. und Johann Lorenz Räntz), 1781 General Wilhelm von Seydlitz (von Jean-Pierre Antoine Tassaert) und 1794 General der Kavallerie Hans Joachim von Zieten (von Johann Gottfried Schadow). Hinzu kam 1828 Fürst Leopold von Anhalt-Dessau, besser bekannt als der "Alte Dessauer". Dieses Denkmal wurde 1800 von Schadow geschaffen und stand lange Zeit im Berliner Lustgarten.

Die in der Kleinen Kuppelhalle aufgestellte Friedrich-Figur ist eine Marmorkopie von Franz Tübbecke nach dem im Jahre 1803 von Schadow geschaffenen Marmororiginal, das bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Stettin stand. Eine Bronzekopie steht im Garten des Schlosses Charlottenburg. Einer der ersten Künstler, die sich mit einem Denkmal für den 1786 verstorbenen Friedrich II. befassten, war der Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow. Dessen Friedrich-Statue wurde 1793 in Stettin enthüllt. Vor einiger Zeit war die restaurierte Königsfigur im Bodemuseum ausgestellt. Das Standbild aus carrarischem Marmor stellt den Herrscher in zeitgenössischer Uniform mit einem umgeschlagenen Hermelinmantel als Landesvater, Feldherr und Gesetzgeber dar. In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs in drei Teile zerbrochen und stark beschädigt, galt die Figur lange Zeit als verschollen. Als sie vor einigen Jahren im Depot des Stettiner Nationalmuseums wiederentdeckt wurde, war es für Klaus Gehrmann, den Geschäftsführer der Schadow Gesellschaft e. V. zu Berlin, ein inniger Wunsch, dass sie vom Dreispitz bis zu den Stiefelsohlen restauriert und wieder ausgestellt wird. Gehrmann und seine Mitstreiter, die bereits für die Aufstellung der Bronzegenerale der friderizianischen Armee auf dem Zietenplatz gesorgt hatten, brachten 60 000 Euro zusammen. Die Stadt Stettin und das dort ansässige Nationalmuseum legten 50 000 Euro dazu, und so konnte der Breslauer Steinrestaurator Ryszard Zarycki das lädierte Gesicht des Königs sowie zahlreiche verloren gegangene Details zurückgewinnen.

Da die Generale aus Marmor auf dem Wilhelmplatz unter den Unbilden der Witterung litten, wurden sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch bronzene Nachbildungen ersetzt. Die Originale kamen in geschlossene Räume. Vier dieser Nachgüsse standen in den 1980er Jahren im Lustgarten vor Schinkels Altem Museum. Auf dem Freigelände hatten die Staatlichen Museen und das Märkische Museum eine Kollektion von Bronzeskulpturen und -denkmälern des 19. und 20. Jahrhunderts aufgestellt, die dann aber aus Sicherheitsgründen in den frühen 1990er Jahren ins Depot kamen. Den Auftrag zur Anfertigung der Bronzekopien übernahm der Berliner Bildhauer August Kiß, der die monumentale Skulptur des Heiligen Georg früher im Schlosshof und heute im Nikolaiviertel geschaffen hat. Initiator und Geldgeber der Nachbildungen war König Friedrich Wilhelm IV., der sich als künstlerisch-intellektueller und politischer Nachfolger Friedrichs des Großen empfand. Indem er die vom Wilhelmplatz genommenen Figuren in Bronze nachgießen ließ, schützte er die empfindlichen Originale und machte die Feldherren trotzdem allgemein zugänglich. Kiß nahm bei der Neugestaltung der Figuren einige Veränderungen vor. So verzichtete er bei Schwerin und Winterfeldt auf die "römische" Kostümierung und steckte sie in preußisch-korrekte Uniformen.

Daher tänzelnder Feldmarschall

Gerade die Figur des Grafen von Schwerin war so ungewöhnlich, dass man sich einhundert Jahre später offensichtlich nicht mehr zu ihr bekennen wollte. Der originale Feldmarschall kommt wie ein Tänzer der Königlichen Oper daher, und das erregte im 19. Jahrhundert Anstoß. Im Bodemuseum stürmt die Marmorfigur des 1757 vor Prag gefallenen Grafen in heftiger Bewegung mit einer Fahne herbei. Während dieser Gefährte Friedrichs II. als antiker Held charakterisiert ist, weisen Perücke und Orden vom Schwarzen Adler aufs 18. Jahrhundert. Noch war es nicht üblich, fürstliche und Militärpersonen in zeitgenössischer Uniform darzustellen. Damit machte Schadow mit der erwähnten Stettiner Friedrichfigur einen Anfang. Auch das originale Denkmal des Generalleutnants von Winterfeldt ist antik kostümiert, doch steifer in der Bewegung. Die von Kiss geschaffenen Figuren von Schwerin und Winterfeldt haben mit den Vorbildern aus dem 18. Jahrhundert nicht mehr viel gemein. Die anderen vier Denkmäler halten sich strenger an die Originale, aber allen ist das Bemühen gemeinsam, sie künstlerisch untereinander anzugleichen und als Ensemble erkennbar zu machen.

Der als Husar gekleidete legendäre Reitergeneral von Zieten blickt, wie es Schadow gewollt hat, gedankenvoll auf den Betrachter herab. Ganz unmilitärisch ist hier die Arm- und Beinhaltung. Der General hat sich lässig an einen Baumstumpf gelehnt. Mit der rechten Hand greift er sich ans Kinn. Pfiffige Berliner nahmen das zum Anlass, dem Reiterführer die Frage in den Mund zu legen: "Soll ick mir nu rasieren lassen, oder warte ick noch'n bissken?". Die Berliner Schadow-Gesellschaft hat vor ein paar Jahren die Bronzedenkmäler von Zieten, des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau sowie von Winterfeldt und Keith auf dem Zietenplatz in der Nähe des früheren Wilhelmplatzes neu aufstellen lassen und damit vier Hauptwerke des Bildhauers Kiß wieder allgemein zugänglich gemacht.

Die bronzenen Standbilder Seydlitz, Keith, Schwerin und Winterfeldt wurden vor ein paar Jahren in der Metallrestaurierungswerkstatt und Kunstgießerei Kraaß an der Schlesischen Straße in Kreuzberg von Straßenschmutz und schädlichen Anhaftungen befreit. Metallfachmann Klaus-Dieter Schaar und seine Helfer taten dies mit rotierenden Bürsten und Schabern, in schwer zugänglichen Partien verwendeten sie auch ein Skalpell. Sie gingen dabei sehr vor, um nicht die feinen Ziselierungen zu beschädigen. Insgesamt war der Zustand der jeweils etwa 800 Kilogramm schweren Figuren gut, nur bei dem Standbild des Grafen von Schwerin mussten ein Arm, ein Säbel, eine Fahnenspitze und ein Federbusch vom Hut neu modelliert, in Bronze gegossen und dem Denkmal eingefügt werden. Außerdem erhielte Seydlitz seinen vor ein paar Jahren in einem Depot wiederentdeckten Kopf zurück. Bei anderen Figuren wurden von Buntmetalldieben abgesägte Sporen und weitere kleinere Details ergänzt. Nach der Entfernung der Schmutzschichten erhielten die Figuren einen konservierenden Überzug, der zugleich die grün-schwarze Patina gut zur Geltung bringt.

Unstandesgemäße Heirat des Alten Dessauers

Mit seinen im Bode Museum stehenden Generalsfiguren gelangen Johann Gottfried Schadow, dem Schöpfer der Quadriga, der Prinzessinnengruppe und vieler anderer Meisterwerke, großartige Bildnisse, die der genaueren Betrachtung wert sind. Fürst Leopold, der sein Land von 1693 bis 1747 regierte, trägt preußisches Tuch. Bevor sich Schadow ans Modellieren machte, studierte er alle greifbaren Bildnisse des Marschalls. "Nach denen in der Geschichte sich vorfindenden Charakterzügen des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau gebe ich seiner Statue eine mit Nachdruck befehlende Stellung", beschrieb der Künstler seinen Entwurf und wies ausdrücklich darauf hin, dass Leopold die Uniform des Regiments Anhalt trägt, "jedoch ohne Generalshut, weil Er einen solchen nie aufgesetzt hat".

Leopold von Anhalt-Dessau, genannt der Alte Dessauer, war ein ungewöhnlicher Mann. Gegen den Willen seiner Familie heiratete er ein bürgerliches Mädchen, die Apothekertochter Anna Luise Föhse, die 1701 von Kaiser Leopold I. gegen eine stattliche Geldzahlung in den Stand einer Reichsgräfin erhoben wurde. Berühmt wurde Leopold jedoch nicht nur durch seine unstandesgemäße Heirat, sondern vor allem als königlich-preußischer Generalfeldmarschall. In dieser Position führte er in der Armee seines Freundes, des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., strengen Drill und Gleichschritt ein, übte die Soldaten im Gebrauch des eisernen Ladestocks, tat sich aber auch in der Kunst des Festungsbaus hervor. In seinem kleinen Fürstentum an der Grenze zu Preußen mühte sich der Zuchtmeister der preußischen Armee um die Verbesserung der Landwirtschaft und veranlasste umfangreiche Entwässerungsarbeiten sowie die Anlage von Deichen zum Schutz vor dem Hochwasser der Elbe. Das vor der Dessauer Marienkirche stehende Denkmal des Fürsten Leopold, eine Arbeit von August Kiß nach dem Schadow'schen Vorbild, wurde 1944 wegen der Bombengefahr abgebaut und sollte 1947 gemeinsam mit dem Denkmal von Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, dem Gründer des Wörlitzer Gartenreichs, eingeschmolzen werden. Die Statuen wurden gerettet und kehrten 1988 und 1998 nach Dessau zurück.

18. März 2018

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