Neue Nutzer in "belasteten" Bauten
Wer die Vormieter waren, wollte man in der DDR nicht so genau wissen







Das 1934 bis 1936 im Eiltempo erbaute Reichsluftfahrtministerium war nach dem Krieg erst Sitz Nationalrats der Nationalen Front und ab 1949 des DDR-Ministerrates sowie ab 1990 Zentrale der Treuhandanstalt beziehungsweise ihrer Nachfolgerin, der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS). Jetzt wird der riesige Bau mit mehreren Innenhöfen vom Bundesministerium der Finanzen genutzt.



Im Eingangsbereich des heutigen Bundesministeriums der Finanzen erinnern eine Gedenkstätte und Bildtafeln an die wechselvolle Geschichte des Hauses, das 1935/6 nach Plänen von Ernst Sagebiel als Reichsluftfahrtministerium in nur 18 Monaten Bauzeit errichtet wurde.





Das Gebäude der Berliner Reichsbank war in DDR-Zeiten Sitz des Zentralkomitees der SED. Als dessen fünf Meter hohes Emblem, auch Bonbon genannt, am 23. Januar 1990 unter den Augen zahlreicher begeisterter, aber auch entsetzter Zuschauer entfernt wurde, war auch dem Letzten klar, dass die Herrschaft der allmächtigen, allwissenden und alles bestimmenden Staatspartei beendet ist.







Die Topographie des Terrors gehört zu den besonders viel besuchten Gedenkstätten in Berlin. In der Freiluftausstellung entlang den Mauerresten der ehemaligen SS- und Gestapozentrale sowie im Ausstellungshaus gegenüber wird umfangreich über die Verbrechen des Naziregimes im Deutschen Reich und in den von der Wehrmacht besetzten Ländern, aber auch über den antifaschistischen Widerstandskampf berichtet.



Das frühere Innenministerium der DDR war ursprünglich der in der Kaiserzeit erbaute Sitz der Deutschen Bank in der Berliner Mauerstraße. (Fotos: Caspar)

Ein großer Teil des historischen Regierungsviertels in Berlin ist nicht mehr erhalten. Die Wilhelmstraße, in DDR-Zeiten Otto-Grotewohl-Straße geheißen, hat sich total verändert. In späten DDR-Zeiten wurden auf den Fundamenten altpreußischer Palais ungewöhnlich gut gestaltete Wohnhäuser gebaut. Die Bewohner waren nicht irgendwer, viele gehörten zur Elite des zweiten deutschen Staates und waren handverlesen. Wer von hier aus über die Mauer in den "westlichen" Tiergarten schauen konnte, musste über jeden Verdacht erhaben sein. Vom Reichstagsgebäude, dem Abgeordnetenhaus, Preußischen Herrenhaus, dem Reichspostmuseum und anderen Staatsbauten abgesehen, ist in der City wenig Bedeutsames aus Hohenzollern-Tagen erhalten. Viele von der DDR-Regierung benutzte Ministerien stammen aus der Nazizeit, als Berlin nach Hitlers Willen zur Welthauptstadt "Germania" erhoben werden sollte. Des Führers oberster Baumeister Albert Speer zeichnete die Pläne. Die DDR-Regierung hatte bei der Übernahme dessen, was vom Zweiten Weltkrieg übrig geblieben war, keine Bedenken. Selbstverständlich wurden Nazi-Embleme entfernt. Man sprach in den ostdeutschen Amtsstuben ungern darüber, wer die Vormieter waren. Im Zweiten Weltkrieg beschädigt und danach repariert, diente das seiner Nazisymbole entkleidete ehemalige Reichsluftfahrtministerium mit einer Nutzfläche von 56 000 Quadratmetern und kilometerlangen Gängen als Sitz des Deutschen Volksrats und beherbergte nach der Gründung der DDR verschiedene Ministerien. Vor dem Eingang von der Leipziger Straße erinnern ein in den Boden eingelassenes Glasgemälde sowie Schautafeln an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953, der sich an dieser Stelle in Massenprotesten entlud. Ein von Max Lingner geschaffenes und in der Säulenhalle angebrachtes Wandgemälde auf Porzellantafeln feiert den Aufbau und die Segnungen des Sozialismus in der DDR.

Da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, wurde dieser Fries nicht entfernt und auch nicht durch Bretter unsichtbar gemacht, sondern vor einigen Jahren gereinigt und restauriert. 1990 wurden in dem bisherigen Haus der Ministerien der DDR eine Außenstelle des Bundesrechnungshofes und andere Dienststellen des vereinigten Deutschland eingerichtet, 1991 erhielt der Komplex den Namen Detlev-Rohwedder-Haus zum Gedenken an den 1991 in Düsseldorf ermordeten Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder, und danach begann der Umbau als Bundesfinanzministerium.

Berichtet wird im Eingangsbereich des Bundesfinanzministeriums von den Widerstandskämpfern um den Luftwaffenoffizier Harro Schulze-Boysen und den Juristen Arvid Harnack, die 1942 mit weiteren Mitgliedern der so genannten Roten Kapelle von der Gestapo verhaftet, vom Volksgerichtshof angeklagt und in Plötzensee hingerichtet wurden. An anderer Stelle wird darauf hingewiesen, dass der ehemalige Sitz von Reichsluftfahrtminister Hermann Göring eines der wenigen noch erhaltenen Zeugnisse für die architektonische Gigantomanie des Nationalsozialismus ist. Einflussreiche Kräfte in der Bundesregierung hatten nach 1990 den Abriss dieses und anderer "geschichtsbelasteter" Gebäude verlangt, doch ist es dem damaligen Bundesbauminister Bernd Töpfer zu verdanken, dass der riesige Komplex an der Wilhelmstraße und Leipziger Straße sowie weitere Zeugnisse für das Auf und Ab der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts stehen blieben und mit großem Aufwand für neue Aufgaben aus- und umgebaut wurden.

Meer von Blut und Tränen

Das Schild "Bannkreis" signalisiert, dass hier Demonstrationen verboten sind. In der Nachbarschaft erzählt die Topographie des Terrors vom Grauen in den Gestapokellern und davon, wie die Deutschen nach 1933 gleichgeschaltet wurden, was der jüdischen Bevölkerung angetan wurde und wie die Wehrmacht halb Europa mit Krieg überzog und am Ende Hitlers Großdeutsches Reich in einem Meer von Blut und Tränen versank. Wie kaum ein anderer Ort ist das ehemalige Gestapogelände an Wilhelmstraße und Niederkirchnerstraße im Bezirk Mitte historisch belastet. Die Kriegsruinen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg bis auf ehemalige Keller und Grundmauern beseitigt. Die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen, die hier geplant und durchgeführt wurden, war im damaligen Westberlin unerwünscht. Man blickte ja nach vorn. Erst im Vorfeld der 750-Jahrfeier Berlins 1987 entsannen sich Historiker und Bürgergruppen der Tatsache, dass es auf dem von Gras und Büschen überwucherten Gelände nicht weit von Hitlers Reichskanzlei sowie verschiedenen Ministerien in der Wilhelmstraße schreckliche Geschichte geschrieben wurde. Hochfliegende Pläne zur Schaffung eines Gedenkortes wurden jahrelang verschleppt.

Wenn alles nach Plan gegangen wäre, stünde das Informations- und Dokumentationszentrum der Gedenkstätte Topographie des Terrors auf dem ehemaligen Gestapo-Gelände im Bezirk Kreuzberg schon längst. Da es aber bei der Realisierung des Entwurfs des Schweizer Architekten Peter Zumthor zu viele Pannen gab und die Kosten unverhältnismäßig in die Höhe zu schießen drohten, wurde im Jahr 2000 ein Baustopp verfügt. Vier Jahre später kam eine Machbarkeitsstudie zu dem Ergebnis, dass der preisgekrönte Plan für Zumthors kompliziert konstruierte Ausstellungshalle für die zur Verfügung stehende Summe von 38,8 Millionen Euro (und keinen Cent mehr) nicht zu realisieren ist. Daher hatten die Bundesregierung und das Land Berlin einen Neuanfang vereinbart und die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Architekten beendet. Durch diese Entscheidung wurde nicht nur der aus einem künstlerischen Wettbewerb als Sieger hervor gegangene Zumthor brüskiert, der Nachbesserungen an seinem Projekt vornehmen wollte. Es gingen auch 15 Millionen Euro, die bisher in die Planung und erste Baumaßnahmen investiert worden waren, verloren.

Indem Berlin aus dem Projekt, einem Bindeglied zwischen dem Jüdischen Museum und dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas, ausstieg, übernahm der Bund die alleinige Bauträgerschaft. Neu ausgeschrieben, wurde die Ausstellungshalle nach Plänen der Architektin Ursula Wilms und des Landschaftsarchitekten Heinz W. Hallmann (Aachen). Der Bau wurde im November 2007 unter Federführung des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung begonnen. Die feierliche Eröffnung fand am 6. Mai 2010 statt.

Die dem - nicht mehr vorhandenen - Völkerkundemuseum und dem Martin-Gropius-Bau (Kunstgewerbemuseum) benachbarte Kunstgewerbeschule mit der Adresse Prinz-Albrecht-Straße 8 war in der Nazizeit Sitz der Gestapo und zugleich eine der berüchtigsten Folterhöllen des KZ-Staates. Die freigelegten Grundmauern und die Kellerwände werden durch zahlreiche Bild-Text-Tafeln ergänzt. Diese Freiluftausstellung sowie die Dauer- und die wechselnden Ausstellungen im Inneren des Flachbaus rufen die Verbrechen der Nazizeit in Erinnerung und zeigen den Besuchern, dass sie sich an einem Ort der Opfer und der Täter befinden. Das Hotel Prinz Albrecht nebenan in der Prinz-Albrecht-Straße 9 sowie das Prinz-Albrecht-Palais Wilhelmstraße 102, das von Schinkel klassizistisch ausgestaltet wurde, waren Sitz des Sicherheitsdienstes der SS sowie des von Reinhard Heydrich beziehungsweise Ernst Kaltenbrunner geleiteten Reichssicherheitshauptamtes. In allen diesen Gebäuden wurden Maßnahmen zur Überwachung, Inhaftierung und Ermordung von regimefeindlichen Personen und Gruppen geplant und durchgeführt. Die obersten Sicherheitsbehörden des NS-Staates haben hier generalstabsmäßig die Verfolgung, Deportierung und Ermordung der deutschen und europäischen Juden und aller anderen Menschen vorbereitet, die aus rassischen und anderen Gründen zu Volksfeinden erklärt wurden. Überdies gingen vom SS- und Gestapohauptquartier die Planungen für die Eroberung neuen "Lebensraums" und die rücksichtslose Versklavung und Ausrottung ganzer Völkerschaften aus.

Wenige hundert Meter weiter blieb in der Mauerstraße das 1936 bis 1940 erbaute und von Joseph Goebbels beherrschte Reichspropagandaministerium erhalten. Nach dem Krieg war hier das DDR-Presseamt untergebracht, das mit Argusaugen darüber wachte, dass die Medien des Arbeiter-und-Bauern-Staates nur das veröffentlichen, was der SED-Führung in den Kram passte und von dem sie sich Höchstleistungen im sozialistischen Wettbewerb und bei der Verteidigung der Heimat erwartete. In der gleichen Straße stehen, zur Straße Unter den Linden hin, monumentale Bankgebäude, die nach dem Krieg in vereinfachter Form wiederaufgebaut wurden. In einem dieser festungsartigen Komplexe amtierte das Innenministerium. Die ursprünglich aus der Zeit vor der Jahrhundertwende stammenden Bauten waren in DDR-Zeiten eine kleine "Stadt in der Stadt", abgeschirmt durch Mauern und Schlagbäume und streng bewacht von Stasileuten.

Das alle überragende Machtzentrum

Die eigentlichen Hebel der Macht lagen in DDR-Zeiten anderswo, im Haus des Zentralkomitees der SED am Werderschen Markt und in der Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit an der Normannenstraße im Bezirk Lichtenberg. Während die Stasibauten aus den sechziger bis achtziger Jahre stammen, etabliert sich das Auswärtige Amt im ehemaligen ZK-Gebäude. Das riesige Parteiemblem an der Vorderfront verschwand schon 1990. Ursprünglich saß hier die Reichsbank, die zwischen 1934 und 1940 auf den Fundamenten älterer Wohn- und Geschäftshäuser, darunter der Königlichen Münze, nach Plänen von Heinrich Wolffeinen riesigen Neubau mit tiefen Tresorkellern errichtete. Das Auswärtige Amt erhielt auf dem Werderschen Markt einen an den Altbau angepassten Ergänzungsbau. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das zum Teil zerstörte Gebäude vom Berliner Stadtkontor und ab 1949 dem Ministerium der Finanzen der DDR genutzt.

Nach dem Auszug aus seiner bisherigen Zentrale im Haus der Einheit an der Wilhelm-Pieck-Straße, heute wieder Torstraße, befand sich im ehemaligen Reichsbankgebäude von 1959 bis 1990 das SED-Zentralkomitee, das eigentliche Machtzentrum der DDR. An seiner Spitze standen Walter Ulbricht und ab 1971 sein Nachfolger Erich Honecker. Nach der Entmachtung der SED, die sich als führende Kraft in der DDR aufspielte, hieß das unter Denkmalschutz stehende Gebäude vom 1. Juni bis zum 2. Oktober 1990 "Haus der Parlamentarier" und wurde anstelle des Palasts der Republik von der Volkskammer der DDR genutzt. Danach ging das Gebäude in Bundesvermögen über. In den Jahren von 1997 bis 1999 folgten Um- und Erweiterungsbauten, so dass am 20. Januar 2000 das Auswärtige Amt das Gebäude weitgehend übernehmen konnte. Bis 2007 war ein Teil des Riesenkomplexes einer Filiale der Bundesbank.

23. Oktober 2018

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