Als Frauenheld groß und als Feldherr schwach
Der Goldene Reiter in Dresden blickt nach Polen, das im 18. Jahrhundert sächsisch beherrscht wurde



Der mit Blattgold überzogene August der Starke reitet in der Dresdner Neustadt. Er machte aus Dresden ein Elbflorenz und gab auch den Auftrag zum Bau des Dresdner Zwingers.



Die überall im Dresdner Zwinger befindlichen Adler symbolisieren den Traum des Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen, dereinst auch römisch-deutscher Kaiser zu werden.



Der Kurfürst von Sachsen und König von Polen wurde als "Hercules saxonicus" umschmeichelt und als solcher auf Münzen und Medaillen gefeiert.



An der Fassade des Dresdner Johanneums prangt das August den Starken darstellende Relief, das ursprünglich das Palais Wackerbarth schmückte.



August der Starke wacht über dem Portal der Festung Königstein, in dem zahlreiche Menschen gefangen gehalten wurden und auch in Kriegs- und Krisenzeiten der Staatsschatz der Wettiner deponiert war. (Fotos: Caspar)

Als am 17. Januar 1696 der polnische König Jan III. Sobieski starb, packte den europäischen Hochadel Unruhe. Polen, die uralte Wahlmonarchie zwischen dem Heiligen römischen Reich deutscher Nation, Russland und Skandinavien, war viel zu wichtig, als dass man die Nachfolgefrage dem Zufall überlassen durfte. Höflinge und Diplomaten entwickelten hektische Betriebsamkeit, um den richtigen Kandidaten für die Wahlmonarchie zu finden. Unter den Bewerbern befand sich der erst 27jährige Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen, ein Mann von großen Gaben, der als August der Starke legendären Ruf erlangte. Der ehrgeizige, prunkliebende und kunstsinnige Monarch machte seiner Hauptstadt Dresden das berühmte Elbflorenz und steht als "Goldener Reiter" auf dem Neumarkt in Dresden. Es wird erzählt, dass Friedrich August Hufeisen und Eisenrohre mit bloßen Händen bog und auch zum Spaß Höflinge am ausgestreckten Arm aus dem Fenster seines Schlosses gehalten hat.

Da Friedrich August ein zweitgeborener Prinz war, hatte er auf die Thronfolge zunächst keine Aussicht. Sie trat ein, als sein älterer Bruder Johann Georg IV. 1694 überraschend an den Blattern starb, ohne Kinder zu hinterlassen. Folglich bestieg der Prinz mit 24 Jahren den Thron. "Das ganze Land jubelte", behauptete er später, "mich an die Stelle meines Bruders treten zu sehen, da man mein sanftes Gemüt kannte. Mein einziger Wunsch war kriegerischer Ruhm". Dieses im Verständnis der Barockzeit höchste Glück blieb dem Herrscher versagt. Gern verglich sich der Wettiner mit Hercules, dem Helden der antiken Mythologie, und so ließ er sich auch als Hercules saxonicus mit einem Löwenfell über der Schulter verherrlichen, der den Feind kraftvoll mit der Keule niederstreckt. Ein Vertrauter beschrieb seinen Herrn so: "Der König ist ein gut aussehender Fürst, der zu gefallen versteht und die Herzen jener gewinnt, die ihn sehen. Er ist kräftig und gesund geartet, und wenn er sich nicht allzu viel zumuten würde, so könnte er auch ein hohes Alter erreichen."

Blick in das ferne Polen

Im Jahre 1736 wurde auf dem Neuen Markt in der Dresdner Neustadt ein Reiterdenkmal Augusts des Starken enthüllt. Damit erwies der Sohn Friedrich August II. seinem Vater Reverenz, ehrte sich aber auch selbst als liebevoller Sohn. Denn sich durch Stiftung von solchen Monumenten unsterblich zu machen, war und ist oft deren Endzweck. Das wegen des metallischen Überzugs auch Goldener Reiter genannte Monument zählt zu den populärsten deutschen Denkmälern. Es steht nicht wie vor dem Schloss, sondern auf der anderen Seite der Elbe in der Dresdner Neustadt, und der Blick des Reiters geht nicht hinüber in die Residenzstadt, sondern stadtauswärts, in Richtung Osten nach Polen, wo der Kurfürst von Sachsen und seit 1697 König von Polen Ruhm und Erfüllung seiner ehrgeizigen Wünsche suchte, aber nicht fand.

Seit 1707 arbeitete der Bildhauer Balthasar Permoser an dem Modell. Die Reiterfigur sollte vor einem neuen Residenzschloss aufgestellt werden, das allerdings nicht gebaut wurde. Zwischendurch wurde das Modell im Zwingerhof aufgestellt, um seine Wirkung zu prüfen. Ursprünglich sollten Ross und Reiter aus Bronze gegossen werden. Doch da sich das Pferd mit dem Reiter aufbäumt, hätte es wegen des Gewichts große statische Probleme gegeben. Denn 200 Zentner Metall hätten einzig und allein die Hinterfüße des Gauls und der lang herabreichende Pferdeschwanz aushalten müssen. Diese Schwierigkeit zu überwinden, beherrschte man zu Beginn des 18. Jahrhunderts nur ungenügend. Deshalb wurde der Kanonenschmied und Mechaniker Ludwig Wiedemann beauftragt, Ross und Reiter aus Kupferblech zu fertigen.

Die Einzelstücke dieser nach einem Modell von Jean Joseph Vinache gefertigten Treibarbeit wurden um 1733, dem Todesjahr Augusts des Starken, zu einer großartigen und nicht allzu schweren Skulptur mit einem inwendigen Stützkorsett aus Eisen zusammengefügt. Als das Reiterdenkmal fertig gestellt war, hatte man die Idee, es auf das Dach des Blockhauses am Beginn der Dresdner Augustusbrücke zu stellen. Doch wurde diese Variante bald verworfen, und so konnte nach Überwindung vieler Probleme das inzwischen vergoldete Monument am 26. November 1736 auf dem Neustädtischen Markt aufgestellt werden. Dies geschah, wie die Chroniken berichten, ohne Feierlichkeit und Ansprachen, wie sie bei späteren Denkmalweihen obligatorisch waren und sind. Im Zweiten Weltkrieg sicherheitshalber abgebaut und deponiert, wurde die Figur 1957 zur Siebenhundertfünfzigjahrfeier Dresdens wieder auf dem alten Platz in der Dresdner Neustadt aufgestellt. Die Bewohner begrüßten dies als hoffnungsvolles Zeichen für die Wiedergeburt ihrer durch den schrecklichen Bombenangriff vom 13. Februar 1945, durch den die gesamte Innenstadt von Elbflorenz bis auf Reste ausgelöscht wurde. Mehrfach musste das Monument in den vergangenen Jahrzehnten restauriert und neu vergoldet werden. 140 Gramm Blattgold sollen für Ross und Reiter notwendig sein.

Utopischer Traum von der Kaiserkrone

In den Wirren des Nordischen Krieges zu Beginn des 18. Jahrhunderts machte der mit glänzenden Gaben ausgestattete Kurfürst und König keine sonderlich gute Figur. Ja, er musste zeitweilig auf russischen Druck auf die 1697 so teuer erkaufte polnische Krone verzichten. Wieder in Amt und Würden, zelebrierte er 1719 für seinen Sohn Friedrich August (II.) die Hochzeit mit der Kaisertochter Maria Josepha. Die neuen verwandtschaftlichen Beziehungen ließen in August dem Starken Hoffnungen auf den Erwerb der römisch-deutschen Kaiserkrone aufkeimen, die aber vergeblich waren. Ohne Zweifel drückt das vergoldete Reiterdenkmal diesen utopischen Traum des galanten Frauenhelden, in militärischen Dingen ziemlich schwachen August sinnfällig aus.

Zwischen den Sachsen und den Polen bestanden traditionell enge wirtschaftliche Beziehungen, doch eines trennte sie seit der Reformation: Polen war katholisch, Kursachsen protestantisch. Das Reich Augusts des Starken war die Heimstatt des Lutheranertums. Einer seiner Vorfahren, Kurfürst Friedrich der Weise, ging in die Geschichte als Beschützer des Wittenberger Kirchenrebellen ein. Doch wenn der ruhmsüchtige Kurfürst Friedrich August je den polnischen Thron erklimmen wollte, musste er zur katholischen Kirche übertreten. Folgt man den zeitgenössischen Berichten, war August der Starke in religiösen Dingen tolerant, um nicht zu sagen lax. Ein Übertritt zur katholischen Kirche war für ihn kein Problem, nicht aber für seine Untertanen, die den Verrat ihres Landesherrn am Protestantismus mit heftigen Worten kommentierten, letztlich aber nichts an dem Faktum zu ändern vermochten. Augusts glaubensstrenge Gattin Christine Eberhardine, genannt auch "Betsäule Sachsens", verweigerte die Konversion und betrat auch nie polnischen Boden. Dass August "eine Art von Serail der schönsten Frauen des Landes" unterhielt und annähernd so viele illegitime Kinder gezeugt hat wie das Jahr Tage hat, wird seit 300 Jahren immer wieder kolportiert. Historiker sind neben dem legitimen Thronfolger Friedrich August II. nur auf vier uneheliche Söhne und vier ebensolche Töchter gekommen.

Sachsens Glanz und Preußens Gloria

Eine seiner Liebschaften, die Gräfin Cosel, hatte es auf den Thron abgesehen. Um diesem Begehren einen Riegel vorzuschieben, wurde sie inhaftiert und verbrachte den Rest ihres langen Lebens ziemlich komfortabel als Staatsgefangene auf der Burg Stolpen. Um die Kinder mit der Gräfin Cosel und anderen Mätressen kümmerte sich August der Starke liebevoll. Einer dieser illegitimen Söhne, den der Herrscher mit der Gräfin Maria Aurora von Königsmarck hatte, erlangte als der in französischen Diensten stehende Marechal Maurice des Saxe (Marschall Moritz von Sachsen) in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts großen Ruhm.

August der Starke begründete die wohl glänzendste Epoche in der Geschichte Kursachsens, das Augustaeische Zeitalter. Er ordnete die Staatsfinanzen, machte seinen Hof zu einem der prächtigsten in Europa, ließ, die Staatskasse ständig plündernd, herrliche Schlösser bauen, legte kostspielige Kunst- und Juwelensammlungen an und öffnete das dazu eingerichtete Grüne Gewölbe, ungewöhnlich für die damalige Zeit, dem Publikum, sofern es "anständig" gekleidet war. Doch bei allem Glück und Ansehen blieb ihm versagt, sich auch als Feldherr hervorzutun. Im Gegenteil, noch nie war Sachsen so oft in Kriege verwickelt und militärisches Durchzugsgebiet und Versorgungsanstalt fremder Heere wie unter der Regentschaft Augusts des Starken. Noch nie ächzte das reiche Land so unter den Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen, die andere Mächte auf dem Buckel der strebsamen Sachsen austrugen.

In seinen letzten Lebensjahren plagten den Herrscher gesundheitliche Probleme. Seine Füße machten ihm zu schaffen, er dürfte an Diabetes gelitten haben. Als August der Starke 63jährig am 1. Februar 1733 in Warschau starb, gelang es seinem Sohn Friedrich August II., als August III. den polnischen Thron zu besteigen. August der Starke hinterließ ein nach den Verheerungen des frühen 18. Jahrhunderts im Großen und Ganzen geordnetes, wirtschaftlich gesundetes Land, das alsbald in den Strudel der vom Preußenkönig Friedrich II., dem Großen, angezettelten Schlesischen Kriege gezogen wurde.

8. Februar 2018

Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"