Fürst der Mathematiker
Carl Friedrich Gauß, in Braunschweig und mit seinem Freund und Kollegen Wilhelm Weber in Göttingen



Grün patiniert, hält Gauß am Braunschweiger Gaußpark Wache. Die Sockelinschrift nennt ihn einen erhabenen Denker, der die verborgensten Geheimnisse der Zahlen und des Raums ergründet und für die Menschen nutzbar gemacht hat.



Carl Friedrich Gauß und Wilhelm Eduard Weber und weitere Gelehrte werden in Göttingen in Ehren gehalten. Am Rande der Göttinger Altstadt in der Nähe des Walls findet sich auf dem Wöhlerplatz das Denkmal für den berühmten Chemiker, der viele Jahre in der Universitätsstadt forschte und lehrte.



Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR erinnerten 1977 mit unterschiedlich gestalteten Silbermünzen an den 200. Geburtstag von Gauß. Durch die Darstellung der Gaußschen Glockenkurve weicht die DDR-Münze rechts von dem sonst üblichen Schema Porträt/Staatswappen ab.



Der Initiator des Denkmals, der Göttinger Verleger Tete Böttger, hat der Stadt Göttingen die Lichtenberg-Skulptur, die er der Stadt seit ihrer Aufstellung im Jahr 1992 als Dauerleihgabe überlassen hatte, am 30. April 2015 offiziell geschenkt. (Fotos: Caspar)

Als sich 1877 der einhundertste Geburtstag des berühmten Mathematikers, Physikers und Astronomen Carl Friedrich Gauß näherte, wurde in Braunschweig der Wunsch laut, den großen Sohn der Stadt, den man auch Fürst der Mathematiker nannte, durch ein Denkmal zu ehren. Für das Monument machten sich Professoren des damaligen Polytechnikums, der heutigen Technischen Universität, stark. Die herzogliche Landesregierung beschied einen diesbezüglichen Antrag positiv, erklärte aber, das Denkmal müsse aus Spenden finanziert werden, "wenn es ein echtes Wahrzeichen dankbarer Gesinnung sein solle". Außerdem wurden die Antragsteller an die Stadt Braunschweig verwiesen, um ihr die "Ehre eines solchen Werkes" nicht vorwegzunehmen. Braunschweig nahm den Ball auf und stellte sich vor das Projekt, und so wurde am 30. April 1877, dem 100. Geburtstag von Gauß, der Grundstein gelegt. Es sollte dann noch sieben Jahre dauern, bis das von Fritz Schaper gestaltete Denkmal an der heutigen Schubertstraße am Fuß des umgestalteten Rudolfbollwerks errichtet wurde. Dargestellt ist der berühmte Mathematiker wenig spektakulär stehend in einen langen Mantel gehüllt, in der linken Hand hält er ein Stück Papier. Eine Kappe bedeckt seinen Kopf. Bis es allerdings zur feierlichen Enthüllung der Statue kam, mussten sich die Braunschweiger manch kritisches Wort aus Göttingen anhören, wo das Mathematikgenie Gauß seit 1807 die Sternwarte geleitet hatte.

Neidgeplagt agitierten zunächst Göttinger Professoren gegen die künstlerische Qualität des Braunschweiger Denkmals und meinten, das Geld wäre besser in Göttingen, also ihrer eigenen Stadt, angelegt. In Braunschweig gab es derweil Streit um den Standort. Es wird erzählt, dass man eine Puppe von Ort zu Ort trug, um sich eine Meinung über den bestmöglichen Standplatz zu verschaffen. Alle Schwierigkeiten waren vergessen, als das Bronzemonument endlich enthüllt wurde. Bei der Einweihung 1880 erklärte Oberbürgermeister Pockels: "Kraft Auftrages der städtischen Behörden Braunschweigs habe ich die Ehre, dieses Denkmal hiermit für alle Zeiten in Obhut und Pflege der Stadt zu nehmen - ewiglich".

Ein Sockel, zwei Gelehrte

Die Aufstellung des Gauß-Denkmals in Braunschweig brachte die Göttinger Stadtväter und Professorenschaft auf Trab. Doch bevor man an ein ihm gewidmetes Denkmal dachte, hatte man den Erbauer der ersten elektrischen Telegraphenstation und - zusammen mit Gauß - Erforscher des Erdmagnetismus Wilhelm Eduard Weber im Blick, einen Mann, der sich in jungen Jahren durch seine liberale politische Haltung bei König Ernst August von Hannover unbeliebt machte und von diesem als einer der "Göttinger Sieben" gemaßregelt wurde. Nach Webers Tod im Jahre 1891 gab es in Göttingen Bestrebungen, auch ihn durch ein Denkmal zu ehren, doch griff recht schnell der Gedanke um sich, Gauß und Weber auf einen gemeinsamen Sockel zu stellen. Ein diesbezüglicher Aufruf von sechs Professoren der Göttinger Universität fand großen Widerhall, auch außerhalb Deutschlands. Aus allen Teilen der Welt strömten Spendengelder nach Göttingen. Mit der Ausführung des Denkmals wurde der Bildhauer Ferdinand Hartzer beauftragt, ein Bildhauer, der in Göttingen durch weitere Denkmäler und Büsten zur Erinnerung an berühmte Gelehrte vertreten ist. So stammt ein dem Göttinger Professor Friedrich Wöhler gewidmetes Denkmal von diesem Künstler. Der Chemiker wurde unter anderem durch die ersten organischen Synthesen und die Gewinnung des zum autogenen Schweißen verwendeten Acetylengases bekannt.

Das Göttinger Doppelstandbild ist eine Seltenheit in der Denkmallandschaft, die fast nur aus Einzelpersonen besteht. Es zeigt Gauß sitzend und Weber stehend, als würden die beiden über den elektromagnetischen Telegraphen sprechen, dessen Erfindung ihnen 1833 gelungen war. Die Unterhaltung wird durch einen Draht symbolisiert, den Gauß in seiner rechten Hand hält, und eine Spule, die zwischen ihren Füßen liegt. Weber stützt sich mit der linken Hand auf den telegraphischen Zeichengeber. Für das Gelehrtenduo wurde ein Standort hinter dem alten Chemischen Institut in der Hospitalstraße in den Wallanlagen bestimmt. Dargestellt sind die beiden Wissenschaftler etwa gleichaltrig, was allerdings nicht der Wahrheit entspricht, denn Weber war 27 Jahre jünger als Gauß. Der Bildhauer und seine Auftraggeber hatten mit der kleinen Mogelei kein Problem. Schaper argumentierte zu Recht, dass "in vielleicht 20 Jahren niemand an die Differenz des Alters denkt, sondern sie beide nur als die gemeinsamen Erfinder des Telgraphen betrachtet".

Heroen der Wissenschaft

Die Enthüllung der Bronzegruppe auf einem Granitsockel am 17. Juni 1899 wurde in Göttingen festlich begangen. Oberbürgermeister Calsow beendete seine Rede mit dem Versprechen: "Ich übernehme das Denkmal in das Eigentum der Stadt mit dem feierlichen Versprechen, dass Göttingens Bürgerschaft in seiner Erhaltung und Pflege des Denkmals allzeit eingedenk sein wird, was sie dem Andenken dieser Heroen des Geistes und der Wissenschaft schuldig ist." Das von dem Berliner Bildhauer Ferdinand Hartzer geschaffene Denkmal des Chemikers Friedrich Wöhler steht in Göttingen und wurde 1890 als Ergebnis eines Wettbewerbs vor dem Alten Auditorium enthüllt. Wöhler lebte, forschte und lehrte von 1836 bis zu seinem Tod 1882 in Göttingen. Der heutige Platz des Bronzegusses in der Hospitalstraße befindet sich in der Nähe des Chemischen Laboratoriums, Wöhlers langjähriger Forschungs- und Wirkungsstätte. Im Straßenpflaster deutet die Strukturformel des Harnstoffs eine herausragende Leistung des Naturforschers und Chemikers an. Ihm sind unter anderem ist die erstmalige Erstellung von Aluminium sowie Arbeiten über Silizium zu verdanken. Wegen seiner Synthese von Harnstoff aus Ammoniumcyanat besitzt Wöhler als Pionier der organischen Chemie großes Ansehen. Mit dieser Synthese eröffnete er das Feld der Biochemie.

Vor dem Alten Rathaus steht seit 1992 auf dem Markplatz von Göttingen ein kleines, aber eindrucksvolles Denkmal des großen Gelehrten Georg Christoph Lichtenberg. Gestaltet von dem aus Albanien stammenden Bildhauer Fuat Dushku, stellte die 1,57 Meter hohe Skulptur eingeschmolzenen Enver Hodscha-, Lenin- und Stalin-Büsten den berühmten Experimentalphysiker, Mathematiker, Astronom, geistreichen Satiriker und scharfsichtigen Denker im Zeitalter der Aufklärung, der bis heute durch seine Aphorismen berühmt ist und gern gelesen wird. Lichtenberg lebte und arbeitete von 1763 bis zu seinem Tod 1799 in Göttingen. Seine "Vorlesungen zur Naturlehre" begründeten die physikalische Forschung und Lehre an der Georg-August-Universität. Mit den "Lichtenbergschen Figuren" wies er die Bipolarität der Elektrizität nach (+/-). Diese Erkenntnis wird auf einer Kugel dargestellt, die der streitbare Gelehrte in der linken Hand hält. Die von ihm entwickelten Chaos-Theorien dienten Albert Einstein zum Vorbild.

Als Vertreter der Aufklärung bewahrte sich Lichtenberg eine von Autoritäten unabhängige, kritisch-analytische Denkweise. Seiner Mit- und Nachwelt riet er: "Habe keine zu künstliche Idee vom Menschen, sondern Urteile natürlich von ihm, halte ihn weder für zu gut noch zu böse. Die Bedeutung: Es bedeutet, dass man keine vorurteile gegen den Menschen haben soll, sondern natürlich von ihm urteilen soll" und "Es gibt Leute die glauben alles wäre vernünftig, was man mit ernsthaftem Gesicht tut. Die Bedeutung: Es bedeutet, dass nicht alles was man ernst nennt auch ernst ist" sowie "Acht Bände hat er geschrieben. Er hätte gewiss besser getan er hätte acht Bäume gepflanzt oder acht Kinder gezeugt. Die Bedeutung: Dass der Mann wahrscheinlich in der Zeit, in der er die acht Bücher geschrieben hat, etwas besseres hätte tun können."

31. Januar 2018



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