Dankesschuld eingelöst
Die Denkmäler für Händel und Francke in Halle an der Saale haben eine interessante Geschichte



Das von Christian Daniel Rauch geschaffene Francke-Denkmal bildet den Mittelpunkt der nach dem berühmten Theologen und Pädagogen benannten Stiftungen im Herzen von Halle an der Saale.



Die Dreihundertjahrfeier der Franckeschen Stiftungen war 1998 die Prägung einer silbernen Gedenkmünze zu zehn Mark wert. Leider hat man damals den Namen der Stadt Halle an der Saale nicht notiert.



Der in England populäre Georg Friedrich Händel war in seiner Heimat vergessen. Ihn wieder bekannt zu machen und in Halle mit einem Denkmal zu ehren, fühlten sich deutsche Musikfreunde Mitte des 19. Jahrhunderts verpflichtet.



Die Heilige Cäcilia auf der Rückseite des Händeldenkmals spielt an der Orgel und sieht der berühmten Sängerin Jenny Lind nicht unähnlich.



Das Denkmal mit dem Pappschild Bild ist in vielen Büchern über das dramatische Geschehen am 17. Juni 1953 zu finden. Gemeint waren der Spitzbartträger SED-Chef Walter Ulbricht, der mit einem mächtigen Bauch gesegnete Staatspräsident Wilhelm Pieck und der eine Brille tragende Ministerpräsident Otto Grotewohl genannt.



Die Komponisten Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel und Heinrich Schütz wurden 1981 mit dieser Medaille geehrt. (Fotos/Repro: Caspar)



Als im Jahre 1829 in Halle an der Saale ein Standort für das von Christian Daniel Rauch geschaffene Denkmal des Waisenhaus-Gründers August Hermann Francke gesucht wurde, hielt es der preußische König Friedrich Wilhelm III. für unnötig, den Gelehrten öffentlich auf einem repräsentativen Platz zu ehren. Er befahl, das Bronzedenkmal im Innenhof der Franckeschen Stiftungen aufzustellen. Personen bürgerlichen Standes unter freiem Himmel und für jedermann sichtbar mit einem Standbild zu ehren, war damals noch gewöhnungsbedürftig, ist aber schon vorgekommen, wie das 1821 in Wittenberg eingeweihte Lutherdenkmal zeigt. 1856 wurde ein anderer Sohn der Saalestadt, der Komponist Georg Friedrich Händel, mitten auf dem Marktplatz durch ein prächtiges Monument gewürdigt. Preußens König Friedrich Wilhelm IV. hatte den repräsentativen Standort höchstpersönlich genehmigt. Damit wurde nachgeholt, was nach Händels Tod in London unbestritten war, wo man ihm zu Ehren in der Westminsterabtei ein prächtiges Grabmonument aufgerichtet hatte - Ausdruck der Dankbarkeit der Briten und ihres Königshauses für den Musiker, der 1710 nach England ging und dort große Erfolge feierte, während er in Deutschland weitgehend vergessen war.

Das Francke-Denkmal stellt den führenden Vertreter des Halleschen Pietismus im Talar eines lutherischen Geistlichen mit einem Käppchen auf dem Kopf dar. Der vom Bürgermeister von Halle, Carl Albert Mellin, mit Fertigung der Bronzegruppe beauftragte Berliner Bildhauer Christian Daniel Rauch stand vor der Aufgabe, den Pädagogen, Professor an der Halleschen Universität und Leiter der Franckeschen Stiftungen den Menschen seiner Zeit nahe zu bringen als einen Mann, der sein Gottvertrauen und seine Menschenliebe mit vollen Händen an die ihm anbefohlenen Waisenkinder weiter gibt und damit bei Betrachtern Rührung und den Willen auslöst, es ihm nachzutun. So stehen denn auch zwei seiner Schutzbefohlenen bei ihm. Dem Mädchen hält er die linke Hand segnend über dem Kopf, während er mit der rechten Hand in Richtung Himmel zeigt. Der Knabe hält die Bibel fest in der Hand. Die schlichte Inschrift verkündet AUGUST HERMANN FRANCKE ER VERTRAUETE GOTT.

Schicklicher Platz im Hof des Waisenhauses

Franckes Denkmal hat eine komplizierte Vorgeschichte. 1823 rief Bürgermeister Mellin auf, ein solches dem "so hoch verdienten Manne" zu Ehren zu errichten. Friedrich Wilhelm III. genehmigte das "Unternehmen", fügte aber hinzu, dass die ganze Monarchie zu Spenden aufgefordert werde. Für Briefe "in Denkmalangelegenheiten" wurde Portofreiheit angeordnet. Wenig erfreut war die Stadt über die königliche Anordnung, dass das Monument nicht auf einem öffentlichen Platz vor dem Waisenhaus aufgestellt werden soll, sondern in dessen Hof. Der Konflikt um den "geeigneten und schicklichen Platz auf dem Hofe des Waisenhauses" wurde dahingehend gelöst, dass dafür eine Straße in den Franckeschen Stiftungen als quasi öffentlicher Raum angelegt wurde. Bei der feierlichen Einweihung des Denkmals am 5. November 1829 war die leidige Standortfrage schon fast vergessen. Jetzt standen Franckes Verdienste als Theologe sowie als Lehrer und Leiter des 1695 gegründeten Waisenhauses im Vordergrund, das sich zu einer regelrechten Schulstadt mit angeschlossenem Krankenhaus, Verlag, Druckerei und Bibliothek entwickelte und damit auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor für die Stadt an der Saale war und auch heute ist.

Weniger kompliziert ist die Geschichte des Händeldenkmals. Inzwischen war in Deutschland ein regelrechtes Denkmalfieber ausgebrochen. Überall standen berühmte und leider oft auch berüchtigte Personen auf hohen Sockeln. Darüber hinaus waren große Nationalmonumente in der Planung, so zur Erinnerung an "große Deutsche" und an die Befreiungskriege von 1813 bis 1815. Überall hat man mit patriotischem Eifer Geld gesammelt, und Bildhauer bekamen viel zu tun. Musikbegeisterte Hallenser wandten sich 1856 mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit, ihm zu seinem einhundertstem Todestag in seiner Heimatstadt ein Denkmal zu errichten. Weil damals nur Eingeweihte wussten, wer dieser Händel war, enthält das Schreiben eingangs den Hinweis, er sei einer der größten Männer deutscher Nation, einer der bedeutendsten Meister seiner Kunst gewesen. Die bevorstehende hundertjährige Wiederkehr seines Todestages gemahne alle Deutschen, "die noch immer ungelöste Schuld des Dankes gegen ihren großen Landsmann abzutragen". Mit Genugtuung stellte das Denkmalkomitee fest, dass eine Gesamtausgabe von Händels Werken vorbereitet wird. "Indes ist wünschenswerth, dass zu diesem Zeichen ein zweites hinzukomme. Halle, die Stadt, wo Haendel geboren wurde und die ersten Eindrücke der Jugend empfangen hat, wünscht, dass in seinen Mauern ihm ein Denkmal gegründet werde".

Gesang der schwedischen Nachtigall

Gesagt, getan - der Bildhauer Hermann Heidel erhielt den Auftrag, dem Komitee ein Modell des stehend abgebildeten Komponisten einzureichen. Die Finanzierung wurde durch Sammlungen und Benefizkonzerte abgesichert, die auch den großen Vorteil hatten, dass sie die geistlichen und weltlichen Kompositionen des am Londoner Hof zu großem Ruhm gelangten Barockkomponisten bekannt machten. Namentlich Händels Oratorium "Der Messias" wurde in jener Zeit aufgeführt - und stieß nicht auf taube Ohren. Als die berühmte Sängerin Jenny Lind am 15. Dezember 1857 in der Marktkirche zu Halle auftrat, "feierte die Kunst der Töne ein Fest und einen Triumph", wie die örtliche Presse notierte. Die Tatsache, dass die allgemein verehrte Sängerin der Aufführung und damit auch dem Denkmalprojekt zum Erfolg verholfen hat, symbolisierte der Bildhauer auf seine Art. Er stellte nämlich die Heilige Cäcilia, die Patronin der Musik, an einer Orgel spielend dar, und zwar mit dem Gesicht der "schwedischen Nachtigall".

Ganz Halle war auf den Beinen, als das Denkmal am 1. Juli 1859, natürlich unter dem Klang Händelscher Musik, auf dem Marktplatz zu Halle feierlich enthüllt wurde. In lässiger Haltung, angetan mit zeitgenössischer Perücke und Hoftracht mit einem Degen an der Seite, schaut der Musiker auf seine Landsleute herab. Die rechte Hand ist auf ein Notenpult gestützt, die Linke stemmt der Künstler selbstbewusst in die Hüfte. Die rückseitige Sockelinschrift verkündet in vergoldeten Lettern ERRICHTET VON SEINEN VEREHRERN IN DEUTSCHLAND UND ENGLAND 1859.

Dem Bildhauer sollen bei der Zeremonie die Tränen der Rührung und der Freude über die Wangen gelaufen sein. Seine Schöpfung fand allgemeinen Beifall, Halle ernannte ihn zu ihrem Ehrenbürger. "Sein Händel erscheint zwar von stattlicher, ja großartiger Körperbildung: aber die nach vorn geneigte Stellung des Kopfes, die etwas eingezogene linke Seite, in welche er den Arm stemmt, die etwas eingekrümmten Kniee und der auf das Pult gestützte rechte Arm geben dem Körper eine gewisse lässige Haltung, die den Eindruck des Gebieterischen, Heroischen nicht aufkommen lässt", heißt es in einem zeitgenössischen Bericht.

Der Bildhauer konnte sich bei seinem Denkmal auf zeitgenössische Porträts stützen und war nicht auf vage Beschreibungen angewiesen, die bei anderen Denkmälern herhalten mussten. Erwähnt sei, dass das Hallenser Händeldenkmal 7966 Reichstaler kostete. 566 Reichstaler hatten der preußische König, 2492 Reichstaler die englische Königin gespendet, der große Rest kam durch Spender der halleschen Bürgerschaft und durch Benefizkonzerte zusammen. Mit 1971 Talern wurde der Künstler stattlich entlohnt. Beim Volksaufstand vom 17. Juni 1953 haben zu allem entschlossene Hallenser ihrem Händel ein Schild mit der Aufschrift "Spitzbart Bauch und Brille nicht des Volkes Wille" umgehängt. Was aus den Schreibern dieser in der DDR populären Parole wurde, ließ sich nicht ermitteln.

12. Januar 2017

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