Wo Varus drei Legionen verlor
Hermann der Cherusker reckt auf der Grotenburg bei Detmold sein Schwert in die Höhe



Als ein Denkmal zur Erinnerung an die Schlacht im Teutoburger Wald errichtet werden sollte, kannte man noch nicht ihren wirklichen Ort. Deshalb wurde die Figur des siegreichen Cheruskerfürsten südlich von Detmold aufgestellt.



Hermanns Helm ist mit Adlerflügeln geschmückt. Nur so konnte man sich im 19. Jahrhundert den Kopfschutz der Gegner des Feldherrn Varus vorstellen. Der Holzstich zeigt die Werkstatt, in der das Monument zusammengesetzt wurde.





Die Zeichnung schildert die feierliche Weihe 1875, zu der eine Medaille geprägt wurde. Sie feiert sowohl Ernst von Bandel als auch sein Hermanndenkmal. Die Inschrift lautet: "Nur in brüderlicher Einigkeit lebt deutschen Volkes Stärke Macht u. Herrlichkeit".



Die Reliefs am Fuß des Hermanndenkmals erinnern dankbar an dessen Schöpfer Ernst von Bandel.



Die Weihe des Hermanndenkmals fand in der Zeit des von Otto von Bismarck initiierten Kulturkampfes gegen die katholische Kirche statt. Die Karikatur aus dem "Kladderadatsch" von 1875 schildert das Bündnis des Cherusterfürsten Hermann und des Reformators Martin Luther gegen Rom. Am Fuß des Hermanndenkmals bei Detmold wird an den Schöpfer Ernst von Bandel mit diesen Reliefs dankbar erinnert.



Der in Detmold ausgestellte Fuß gibt eine Ahnung davon, wie riesig das Hermanndenkmal ist. (Fotos/Repros: Caspar)

Im Jahre 9 nach Christus verlor der römische Feldherr Publius Quinctilius Varus im Teutoburger Wald eine Schlacht gegen germanische Stämme. Varus wollte die von Drusus und Tiberius bis zur Elbe unterworfenen Gebiete in eine römische Provinz verwandeln, die Steuereintreibung organisieren und das römische Recht durchsetzen. Dagegen erhoben sich, geführt von dem Cheruskerfürsten Arminius (Hermann), die Germanenstämme der Cherusker, Brukterer, Marser und Chatten. Mit ihrem spektakulären Sieg über die Eindringlinge war der Versuch des römischen Kaisers Augustus gescheitert, seine Macht auf Innergermanien auszudehnen. Der glücklose Feldherr brachte sich um. Die verheerende Niederlage und der Verlust von drei Legionen lösten in Rom Panik aus. Augustus, der schon den Feind vor den Toren der Stadt wähnte, soll gerufen haben "Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder".

Dass es die Schlacht gegeben hat, wurde nie bezweifelt, nur sind die vom römischen Geschichtsschreiber Tacitus überlieferten Nachrichten über sie recht spärlich. Das Thema war im 19. Jahrhundert populär, denken wir nur an Heinrich von Kleists Drama "Hermannschlacht" oder an populäre Lieder gegen die frech gewordenen Römer. Strittig war lange Zeit der Ort des auf beiden Seiten verlustreichen Ringens. Erst durch archäologische Untersuchungen wurde in den letzten Jahren Kalkriese bei Osnabrück als Schauplatz identifiziert. Unter den zahlreichen Hinterlassenschaften befinden sich auch Münzen, die zwischen 7 und 9 nach Christus geprägt wurden und mit eingeschlagenem Namensstempel auf den glücklosen Feldherrn Varus weisen. Diese und andere Überbleibsel werden im Museum und Park Kalkriese gezeigt.

Wovon alte Römermünzen erzählen

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gab es Spekulationen, dass es sich bei der Kalkrieser-Niewedder-Senke um den Schauplatz der Varusschlacht handeln könnte. Sie liegt auf der Grenze zwischen dem Norddeutschen Tiefland und dem Weserbergland. Auf der einen Seite befindet sich das Große Moor, auf der anderen Seite der Kalkrieser Berg. Experten vermuten, dass der auch im Museum nachgezeichnete Todesmarsch der römischen Legionen bei Schwagstorf begann und am dritten, entscheidenden Tag den Engpass von Kalkriese erreichte. Hier wurde die römische Streitmacht völlig aufgerieben. Viele Besucher fragen im Museum nach dem Römergeld, das in großen Mengen am Ort der Schlacht gefunden wurde und es den Archäologen und Historikern erlaubt, das schreckliche Gemetzel zweifelsfrei zu lokalisieren. Zu erfahren ist, dass römische Münzen in Kalkriese nicht erst im Zusammenhang mit den systematischen Ausgrabungen der letzten Jahre gefunden wurden, sondern schon weitaus früher. Zumindest für die Zeit ab 1716 gibt es Nachrichten darüber, dass Bauern gelegentlich in der Gegend solche Zeugnisse gefunden und den in der Nähe residierenden Grafen von Bar abgeliefert haben. Auf diese Weise entstand auf Schloss Barenaue eine kleine Münzsammlung, über die auch ein Verzeichnis angefertigt wurde.

Im Jahre 1884 inspizierte der spätere Direktor des Berliner Münzkabinetts, Julius Menadier, die gräfliche Sammlung und suchte in der Umgebung nach weiteren Münzen. Der Altertumskundler und Nobelpreisträger von 1902 für Literatur, Theodor Mommsen, entwickelte aufgrund dieses Materials die dann ein Jahrhundert später durch die Funde erhärtete These, wonach Kalkriese der Ort der Varusschlacht war. Allerdings wurde Mommsen nicht geglaubt. Zu abenteuerlich war der Gedanke, lediglich aus Fundmünzen auf den Ort der Schicksalsschlacht neun Jahre nach Christi Geburt zu schließen, zumal andere Relikte, z. B. Waffen, Pferdegeschirre oder auch menschliche Gebeine, noch nicht ausgegraben waren. Deshalb wurde das Thema nicht weiter verfolgt. Dem britischen Offizier und Hobby-Archäologen J. A. S. Clunn ist es zu verdanken, dass ab 1987 Grabungen unter Leitung des Osnabrücker Stadt- und Kreisarchäologen Wolfgang Schlüter in Gang kamen. Clunn fand auf einem Acker, auf dem 1963 ein Denar entdeckt wurde, nicht weniger als 105 Denare der römischen Republik und des Augustus, in dessen Regierungszeit die Varusschlacht stattfand. Die daraufhin angestellten Untersuchungen des Geländes waren so reichhaltig, dass man mit ihnen ein Museum bestücken konnte und immer noch kann. Nach dem Bekanntwerden der Funde wurde eine Umsetzung des von dem Bildhauer Ernst von Bandel geschaffenen Monuments nach Kalkriese erwogen, aber gleich wieder verworfen, weil die Kosten immens gewesen wären und der Standort des Bronzemonuments auf der Kuppe der 386 Meter hohen Grotenburg ideal ist. Außerdem hätten Detmold und sein Umland eine Sehenswürdigkeit verloren, was niemand wollte.

Lange, tragisch zu nennende Entstehungsgeschichte

Das Hermanndenkmal, der Inbegriff eines nationalen Befreiungsmonuments, hat eine lange, geradezu tragisch zu nennende Entstehungsgeschichte. Es wurde 1838 begonnen, und sein Schöpfer Ernst von Bandel war alt und gebeugt, als es nach vielen Querelen 1875 eingeweiht wurde. Im Revolutionsjahr 1848 stockte der Bau, zu diesem Zeitpunkt war gerade das als offene Säulenhalle in eigenartig romanisch-gotischem Stil gestaltete Postament fertig gestellt. Probleme hatte Bandel mit der Finanzierung des Projekts. "O Schmerz, der durch die Seele dringt; / Was kann aus Deutschland Großes werden, / Wenn's freudig nicht ein Opfer bringt, / Wenn ungehört der Ruf erklingt / Zum Ruhmesbau auf deutscher Erden", heißt es in einem Gedicht aus dem Jahr 1856.

Im Jahrzehnt vor der Reichseinigung mit den drei Einigungskriegen von 1864, 1866 und 1870/71 nahm das Interesse an dem Monument zu, wobei die Unterstützung des preußischen Königs und ab 1871 deutschen Kaisers Wilhelm I. förderlich war. Die von Bandel entworfene Figur auf einer runden Säulenhalle reckt ein Schwert in die Höhe. In Hermann dem Cherusker sah man den Helden, der das Signal zum Kampf gegen den römischen Feind gibt. Im übertragenen Sinne konnte das Denkmal auch als Fanal zum Kampf gegen Frankreich gedeutet werden, das der deutschen Einheit entgegensteht und durch den preußisch-deutschen Sieg von 1871 in seine Schranken gewiesen wird. Eine andere Stoßrichtung ging gegen Rom, dem Machtzentrum der römisch-katholischen Kirche. So nannte man bei der Enthüllungsfeier Hermann den Cherusker und Martin Luther in einem Atemzug und bildete zwei Denkmäler - das Hermanndenkmal bei Detmold und das Lutherdenkmal in Worms - auf einem Erinnerungsblatt ab. In einem Gedicht schrieb Ernst von Wildenbruch im Jahr 1873 angesichts des Monuments auf dem Berg: "Dies ist Hermann, der Cheruskerheld. / Und dies ist die Stätte, wo er Rom gefällt. / Blick um Dich, ringst ist deutsches Vaterland, / Neig Dich vor ihm, Du dankst es seiner Hand". Natürlich ist die Figur des germanischen Befreiers ein reines Fantasiegebilde, denn niemand weiß, wie er ausgesehen hat und welche Kleidung er trug.

26. Januar 2017

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