Dunkler Schatten auf greller Fassade
Zwischen Hollywood und den Nazis bestand in den dreißiger Jahren eine unheilige Allianz



In seinem Buch geht Ben Urwand einem wenig bekanten Kapitel deutsch-amerikanischer Beziehungen in der Zeit des Nationalsozialismus ein und schildert die Methoden, wie US-Studios sich diesem anbiederten.



Die Karikatur zeigt, dass sich nur Vertreter der ehemaligen Feindmächte dem Film applaudieren, und die Polizei schaut zu.





Der Film erfreute sich bei den Nationalsozialsten außerordentlicher Förderung durch Staat und NSDAP, doch musste er systemkonform sein und durfte nicht von Personen gestaltet werden, die nicht in das rassistische und völkische Raster der neuen Machthaber passten. Viele im Dienst des NS-Films stehende Schauspielerinnen und Schauspieler sowie Drehbuchautoren und Regisseure machten nach 1945 unbeanstandet weiter, als sei nichts geschehen. Viele "unbelastete" Streifen wurden nach dem Krieg in beiden deutschen Staaten und auch im Fernsehen gezeigt.



Hitler kündigte am 30. Januar 1939 im Reichstag vor jubelnden Anhängern die "Vernichtung der jüdischen Rasse" an und erregte sich auch über Angriffe ausländischer Staaten auf seine Herrschaft. Nicht unerwähnt blieben Filme, die dem Diktator und seinen Leuten missfielen.



Ob Hitler die ihn und Mussolini betreffende Filmgroteske "Der Große Diktator" gesehen hat, ist nicht bekannt. Begeistert dürfte er nicht gewesen sein, schon gar nicht, dass sich ein unterdrücktes Volk seiner Peiniger erwehrt. Mit der von Chaplin gespielten Figur des Diktators erleben die Zuschauer einen Größenwahnsinnigen, der die Welt in den Abgrund zu reißen droht. (Repros: Caspar)

Der Historiker Ben Urwand schildert in seinem Buch "Der Pakt. Hollywoods Geschäfte mit Hitler" (Theiss Verlag/Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2017, ISBN 978-3-8062-3371-1, 320 S., zahlr. Abb., 29,95 Euro), wie die Nationalsozialisten Hollywood-Studios dazu brachten, Filme in ihrem Sinne zu verändern und zu zensieren. Die Bosse waren dazu bereit, um ihre Filme in Nazideutschland, ihrem wichtigsten Absatzgebiet, zeigen zu können, koste es was es wolle. Die Nationalsozialisten waren vom Film und seinen Möglichkeiten für die Beeinflussung der Volksmassen geradezu besessen. Hitler liebte Filme mit dem US-amerikanischen Komikerduo Stan Laurel und Oliver Hardy, bei uns bekannt als "Dick und Doof", sowie "King Kong und die weiße Frau" und andere Streifen. Er besaß eine große Sammlung von ihnen und sah sie sich geradezu exzessiv an. Damit glich er seinem blutbesudelten Gegenspieler Josef Stalin, der sich ebenfalls mit seinen Kumpanen aus dem Politbüro der KPdSU diese Schinken ansah.

US-Studios wie MGM oder Paramount suchten den deutschen Faschisten zu gefallen, indem sie jüdische Mitarbeiter und Akteure entließen und Projekte ablehnten, die den Nazis missfallen konnten, also im Deutschen Reich keinen Gewinn abwarfen. Diese von Urwand untersuchte unheilvolle Allianz von 1933 bis kurz nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wirft einen dunklen Schatten auf die grelle Fassade Hollywoods, das sich gern seiner angeblichen antifaschistischen Ausrichtung rühmte. In den dreißiger Jahren führte Louis B. Mayer, der Chef von MGM, dem deutschen Konsul Georg Gyssling in Los Angeles Filme vor und ließ alles heraus schneiden, das den Unmut der deutschen Machthaber hätte erlegen können. So verhinderte Gyssling das Filmprojekt "The Mad Dog of Europe" von Herman J. Mankiewicz über die Zerstörung einer jüdischen Familie in Nazideutschland.

Angst vor Rache und Randale

Für die Rücksichtnahme auf deutsche Wünsche gab es üble Vorbilder. Bereits 1930 organisierten die Nationalsozialisten gewalttätige Proteste gegen den amerikanischen Antikriegsfilm "Im Westen nichts Neues" nach dem Roman von Erich Maria Remarque. Die Universal Studios sahen sich genötigt, von den Nazi- und Militaristenkreisen beanstandete Szenen zu kürzen, um ihn in Deutschland aufführen zu können. Dennoch lief die Nazi- und Rechtspresse gegen den als undeutsch und unpatriotisch empfundenen Film Sturm. Er zeigt, dass der Krieg alles andere als ein Spaziergang ist, und der "Heldentod auf dem Feld der Ehre" ist nichts als elendes, einsames Sterben. Die Gymnasiasten in dem Film, die sich 1914 freiwillig an die Front gemeldet hatten, erleben grausames Gemetzel, Elend und Tod und damit das Gegenteil dessen, was man ihnen über Krieg und Heldentum für König und Vaterland erzählt hat. Über hundert Kinos verzichten aus Angst vor Rache und Randale mehr oder weniger freiwillig auf die Vorführung. Spektakulär war eine Abendvorstellung im Berliner Mozartsaal. Nazi-Gauleiter Goebbels, der spätere Propagandaminister, schickte einen SA-Sturmtrupp in die Vorstellung am Nollendorfplatz. Kaum hatte Film begonnen, platzten Stinkbomben, und es liefen weiße Mäuse zum Entsetzen der Zuschauer durch die Reihen. Unter den Rufen "Juden raus" und "Deutschland erwache" musste die Vorstellung abgebrochen werden. Damit nicht genug, verbot die Filmoberprüfstelle alle weiteren Vorführungen, angeblich weil der Film das deutsche Ansehen gefährdet und das "deutsche Gefühl" verletzt. Die junge deutsche Demokratie der Weimarer Republik war wieder einmal vor dem rechten Mob auf der Straße eingeknickt, drei Jahre später errichtete Hitler seine blutige Diktatur.

Trotz alledem konnten bis 1939 rund 250 US-Filme im Deutschen Reich gezeigt werden, natürlich ganz andere und weil sich Hollywood mit den Nazis arrangierte. US-Filme wurden sogar für die Goebbels-Propaganda genutzt. So spielt Gary Cooper in dem Abenteuerfilm "Bengali" von 1935 einen heldenhaften Soldaten, der ganz dem völkischen Geschmack der Nazis entsprach. Dass sich manche Filmproduzenten über die von den Nazis gezogenen Grenzen hinweg setzten, blieb auch Hitler und seinem auch für das Filmwesen zuständigen Propagandaminister nicht verborgen, der ihn über seine bis in die USA reichenden Kanäle mit "frischen" US-Filmen versorgte. Nicht alle sagten dem Diktator zu, ja wurden von ihm als unerhörte Frechheit empfunden. So zitiert Ben Urwand aus einer Rede, die Hitler am 30. Januar 1939, dem sechsten Jahrestag seiner "Machtergreifung", im Deutschen Reichstag hielt. Er befasste sich, den kommenden Krieg fest im Blick, mit einer "fortgesetzten Hetzkampagne gewisser britischer Kriegsapostel", die er am liebsten schweigend übergehen würde. Doch dürfen "wir folgendes nicht außer acht lassen: 1. Es handelt sich hier in diesen Demokratien um Staaten, deren politische Konstruktion es ermöglicht, dass schon wenige Monate später diese schlimmsten Kriegshetzer die Führung der Regierung selber in ihren Händen halten können. 2. Wir sind es deshalb der Sicherheit des Reiches schuldig, das deutsche Volk schon beizeiten über diese Männer aufzuklären. Da das deutsche Volk keinen Hass gegen England, Amerika oder Frankreich empfindet, sondern seine Ruhe und seinen Frieden will, diese Völker aber von ihren jüdischen oder nichtjüdischen Hetzern fortgesetzt gegen Deutschland und das deutsche Volk aufgeputscht werden, würde ja im Falle eines Gelingens der Absichten dieser Kriegsbefürworter unser eigenes Volk in eine psychologisch überhaupt nicht vorbereitete und deshalb ihm unerklärliche Situation geraten. Ich halte es daher für notwendig, dass von jetzt ab in unserer Propaganda und in unserer Presse die Angriffe stets beantwortet und vor allem dem deutschen Volk zur Kenntnis gebracht werden."

"Vernichtung der jüdischen Rasse"

Hitler bekam von den Abgeordneten in brauner und schwarzer Uniform stürmischen Beifall, als er drohte: "In der Zeit meines Kampfes um die Macht war es in erster Linie das jüdische Volk, das nur mit Gelächter meine Prophezeiungen hinnahm, ich würde einmal in Deutschland die Führung des Staates und damit des ganzen Volkes übernehmen und dann unter vielen anderen auch das jüdische Problem zur Lösung bringen. Ich glaube, dass dieses damalige schallende Gelächter dem Judentum in Deutschland unterdes wohl schon in der Kehle erstickt ist. Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa. Denn die Zeit der propagandistischen Wehrlosigkeit der nicht-jüdischen Völker ist zu Ende."

Auf ausländische Medien und speziell den Film eingehend, erklärte Hitler: "Augenblicklich mag das Judentum in gewissen Staaten seine Hetze betreiben unter dem Schutz einer dort in seinen Händen befindlichen Presse, des Films, der Rundfunkpropaganda, der Theater, der Literatur usw. Wenn es diesem Volke aber noch einmal gelingen sollte, die Millionenmassen der Völker in einen für diese gänzlich sinnlosen und nur jüdischen Interessen dienenden Kampf zu hetzen, dann wird sich die Wirksamkeit einer Aufklärung äußern, der in Deutschland allein schon in wenigen Jahren das Judentum restlos erlegen ist."

Hitler konnte in seiner Rede Chaplins Filmgroteske "Der große Diktator" nicht gemeint haben, der am 15. Oktober 1940, im zweiten Jahr des Zweiten Weltkriegs, in New York uraufgeführt wurde. Erst im Verlauf des Krieges getrauten sich Hollywood-Studios, die so lange gemeinsame Sache mit den deutschen Nazis gemacht und dabei glänzend verdient hatten, Antinazifilme zu produzieren. Urwand nennt in seinem hochinteressanten Buch 242 Streifen, von denen 190 Bezug auf Hitler nahmen. Kriegsentscheidend waren sie nicht, aber sie klärten die US-Bürger und den großen Reste der nicht von den Deutschen okkupierten Welt mehr oder weniger genau darüber auf, was im "Dritten Reich" geschieht und dass dort Millionen Juden ermordet werden.

Chaplins flammende Rede

"Der Große Diktator" endet mit einer flammenden Rede, in der der in die Rolle des Adenoid Hynkel geschlüpfte jüdische Friseur in dessen Namen Reue und Einsicht zeigt. "Es tut mir leid, aber ich möchte nun mal kein Herrscher der Welt sein, denn das liegt mir nicht. Ich möchte weder herrschen noch irgendwen erobern, sondern jedem Menschen helfen wo immer ich kann; den Juden, den Heiden, den Farbigen, den Weißen. Jeder Mensch sollte dem anderen helfen, nur so verbessern wir die Welt. Wir sollten am Glück des Anderen teilhaben und nicht einander verabscheuen. Hass und Verachtung bringen uns niemals näher. Auf dieser Welt ist Platz genug für jeden, und Mutter Erde ist reich genug um jeden von uns satt zu machen. Das Leben kann ja so erfreulich und wunderbar sein, wir müssen es nur wieder zu leben lernen! Die Habgier hat das Gute im Menschen verschüttet, und Missgunst hat die Seelen vergiftet und uns im Paradeschritt zu Verderben und Blutschuld geführt. Wir haben die Geschwindigkeit entwickelt, aber innerlich sind wir stehengeblieben. Wir lassen Maschinen für uns arbeiten, und sie denken auch für uns. Die Klugheit hat uns hochmütig werden lassen und unser Wissen kalt und hart. Wir sprechen zu viel und fühlen zu wenig. Aber zuerst kommt die Menschlichkeit und dann erst die Maschinen. Vor Klugheit und Wissen kommt Toleranz und Güte. Ohne Menschlichkeit und Nächstenliebe ist unser Dasein nicht lebenswert. […] Diktatoren wollen die Freiheit nur für sich, das Volk soll versklavt bleiben. Lasst uns diese Ketten sprengen, lasst uns kämpfen für eine bessere Welt, lasst uns kämpfen für die Freiheit in der Welt, das ist ein Ziel für das es sich zu kämpfen lohnt! Nieder mit der Unterdrückung, dem Hass und der Intoleranz. Lasst uns kämpfen für eine Welt der Sauberkeit, in der die Vernunft siegt, in der Fortschritt und Wissenschaft uns allen zum Segen gereichen. Kameraden! Im Namen der Demokratie, dafür lasst uns streiten!"

23. Mai 2018

Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"