Frankreichs Kaiser Napoleon I. soll sich grün und blau geärgert haben über ätzende Karikaturen vor allem aus England, die Hohn und Spott über ihn gossen. Man müsste die Urheber wie gemeine Diebe und Mörder aufhängen, forderte er. Doch war sein Arm dafür nicht lang genug. Europas starker Mann war an die Grenzen seiner Macht gestoßen, und Versuche, etwas Adäquates den gezeichneten oder geschriebenen Pamphleten entgegenzusetzen, scheiterten, weil in Frankreich dafür das liberale Klima fehlte. Viel lieber befasste sich die offizielle Staatskunst mit der klassizistisch-kühlen Verherrlichung des aus Korsika stammenden kaiserlichen Emporkömmlings, der sich im frühen 19. Jahrhundert halb Europa untertan machte und in seinem unbändigen Eroberungsdrang nur durch die Befreiungskriege von 1813 bis 1815 aufgehalten wurde.
Mit aller Kraft versuchte der Kaiser der Franzosen und König von Italien rücksichtslos und auch nicht die Folgen zu beachten, das ihm und seinem Clan so verhasste "Albion", also England, durch einen Krieg zu Wasser und zu Lande zu erobern beziehungsweise durch eine wirtschaftliche Blockade, die Ende 1806 im französisch besetzten Berlin erlassene Kontinentalsperre, in die Knie zu zwingen. Stattdessen stürzte er sich und seine zwangsrekrutierten Soldaten 1812 in einen Krieg gegen Russland, aus dem er und wenige Mitstreiter als grandiose Verlierer in die Heimat zurück kehrten.
Aufgespießter Herrscher
Wenn es nach den Briten gegangen wäre, dann hätten sie Napoleon I. gevierteilt oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Den Kopf von "Little Boney", wie man Napoleon Bonaparte in England nannte, auf einem Spieß durch London zu tragen, wäre ein wahres Volksfest gewesen. Die grell kolorierten Zeichnungen machten schon mal vor, wie die Abrechnung mit dem als Ungeheuer und Blutsäufer charakterisierten Imperator aussehen könnte. Bereits während der Französischen Revolution von 1789 hatten Karikaturisten die Vorgänge im Land des gestürzten und 1793 hingerichteten Bourbonenkönigs Ludwig XVI. auf besonders abscheuliche Weise aufs Korn genommen und die dort an der Macht befindlichen Männer als Schlächter dargestellt, die sich an gebratenem Menschenfleisch delektieren. Man hatte also Übung mit grausigen Bildern und maßlosen Übertreibungen! Möglich war dies, weil man in England eine Zensur nicht kannte und auch die Zeichner mit den eigenen Eliten nicht gerade zimperlich umging.
Die Entführung der von Johann Gottfried Schadow geschaffenen Quadriga vom Brandenburger Tor als Kunstbeute nach Paris erregte die Berliner furchtbar und war Anlass für beißenden Spott. Als die Figurengruppe 1814 nach der französischen Niederlage in den Befreiungskriegen heimgeholt wurde, hat man auch dies durch Bilder gefeiert. Auf einem schleppt der kaiserliche "Pferdedieb" die Gruppe mit den vier Pferden herbei und bricht unter der Last fast zusammen. Unter den deutschen Radierungen ragen solche hervor, die mit "Gilrai" signiert sind. Hinter diesem an den Namen des englischen Karikaturisten James Gillray angelehnten Pseudonym stand Schadow. Seine Radierungen zeigen die auf einem Wildschwein verkehrt sitzende Siegesgöttin, die Aufteilung der Welt durch den von aufgeblasenen Militärs flankierten Franzosenkaiser oder auch den Kampf der Berliner gegen die Besatzer.
Hol ihn der Teufel!
Im Unterschied zu den deftigen Karikaturen aus England, die die Dinge viel drastischer auf den Punkt brachten, befleißigen sich die Schadow'schen Blätter einer feinsinnigen Bildersprache, die sich erst erschließt, wenn man sich genau mit den Details befasst. Auf Karikaturen anderer Künstler wird gezeigt, wie sich der Kaiser am selbst entfachten Feuer die Finger verbrennt, sich an der "Leipziger Nuss" die Zähne ausbeißt oder nach der Niederlage in Russland von einem Kosaken attackiert wird. Little Boney, dem die Mächtigen dieser Erde in besseren Tagen die Stiefel küssten, wird vom Teufel geholt, und aus den ängstlich aufgerissenen Augen kullern dicke Tränen, nicht die der Reue, sondern die der Angst vor dem Gericht der Völker.
Es ist ein Treppenwitz der Weltgeschichte, dass sich der Kaiser, vor dem so viele Fürsten gekuscht hatten, nach seiner Niederlage in der Schlacht von Waterloo im Juni 1815 unter den "Schutz" der Briten begab, hoffend, dass sie Gnade vor Recht walten lassen, wobei er sich gründlich verrechnete. In Longwood House, dem Wohnsitz des Gouverneurs, gab es so etwas wie einen kleinen kaiserlichen Hofstaates. Die Zeit nutzte der Ex-Kaiser, um seine Memoiren zu schreiben, die ihn in bestem Licht erscheinen lassen. Im Laufe der Zeit verschlechterte sich der Gesundheitszustand Napoleons. Mediziner und Historiker sind sich einig, dass der am 5. Mai 1821 verstorbene Exilant an fortgeschrittenem Magenkrebs mit Lymphknotenbefall gestorben ist.
26. Juli 2018
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