Warten auf des Reiches Herrlichkeit
Das riesige Denkmal auf dem Kyffhäuserberg in Thüringen ehrt zwei deutsche Kaiser



Das von Reinhold Begas im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. zu Ehren von "Wilhelm dem Großen" errichtete Reiterdenkmal auf der Berliner Schlossfreiheit wurde 1897 feierlich eingeweiht und galt unter Kunstkennern als Ausbund von Hässlichkeit.



Am Fuß des Monuments weist die Karte den Weg hinauf zu den beiden deutschen Kaisern und ihr Gefolge.



Der legendäre Kaiser Friedrich Barbarossa erwacht auf dem Kyffhäuser aus langem Schlaf. Über dieser Figur blickt Kaiser Wilhelm I., auf einem mächtigen Gaul sitzend, in die Ferne.



Die Schale aus der Zeit um 1900 in der Ausstellung zeigt, wie das Kyffhäuserdenkmal und einzelne Figuren aussehen.



Ein fünfteiliger Bronzefries des Hallenser Bildhauers Martin Wetzel aus dem Jahr 1968 in der Turmhalle zeigt Szenen aus der Geschichte der Menschen vom Mittelalter bis zur sozialistischen Gegenwart. Dieses Relief zitiert mit "Deutschland einig Vaterland" die DDR-Hymne, deren Text nach der Übernahme der Macht durch Erich Honecker nicht mehr gesungen werden durfte. (Fotos: Caspar)

Zu Lebzeiten und erst recht nach dem Tod des deutschen Kaisers und preußischen Königs Wilhelm I. im Jahr 1888 wurden in Deutschland unzählige Denkmäler errichtet, die ihn hoch zu Ross oder in majestätischer Pose stehend darstellen. Hinter den Ehrungen stand Wilhelm II., der 1888 auf den Thron gelangte Enkel des greisen "Heldenkaisers". Grundsätzlich nannte er seinen über alles geliebten Großvater "Wilhelm den Großen" und verlangte, dass man ihm im offiziellen Schriftverkehr und bei Reden auch so bezeichnete. Das wohl gewaltigste Kaiser-Wilhelm-Denkmal wurde 1897, zum 100. Geburtstag Wilhelms I., auf der Schlossfreiheit in Berlin eingeweiht. In einem künstlerischen Wettbewerb mit zahlreichen Einsendungen ging der Bildhauer Reinhold Begas zunächst leer aus. Da sein Entwurf aber dem Kaiser am besten gefiel, wurde er gegen das Votum der Jury zu Ausführung bestimmt. Gerade einmal ein halbes Jahrhundert stand die Säulenhalle mit dem reitenden Kaiser davor. Zwei Quadrigen sowie Symbolgestalten des Krieges und der Friedens, geflügelte Siegesgöttinnen und brüllende Löwen, aber auch Fahnen, Wappen und Adler bevölkerten diese Kolonnade, die schon zur Entstehungszeit hinter vorgehaltener Hand als Ausbund von Hässlichkeit und wilhelminischer Überladenheit kritisiert wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden alle Bronzeteile mit Ausnahme der Löwen eingeschmolzen, die in den Tierpark Friedrichsfelde kamen und vor dem Alfred-Brehm-Haus aufgestellt wurden. Der Standort des ehemaligen Nationaldenkmals ist heute nur noch durch eine Treppe, ein Podest und eine Ausbuchtung an der Spree zu erkennen. Auf dem ehemaligen Denkmalsockel soll in den kommenden Jahren das aus einer riesigen Schale bestehende Einheits- und Freiheitsdenkmal errichtet werden, das wegen seiner Beweglichkeit und ungewöhnlichen Form volkstümlich "Einheitswippe" genannt wird.

Manchen Kaiser-Monumenten in Ost und in West blieben Sprengung und Feuertod im Schmelztiegel erspart. Eigenartigerweise wurde in DDR-Zeiten das Kyffhäuserdenkmal auf dem 457 Meter hohen Kyffhäuserburgberg im thüringischen Kyffhäuserkreis nicht angetastet. Es war wohl zu populär, als dass kommunistische Bilderstürmer seine Beseitigung zu riskieren wagten. Sogar die sechs Meter hohe Kaiserkrone auf dem 75 Meter hohen Turm hinter den beiden Herrscherfiguren wurde respektiert, obwohl sie und das ganze Denkmal alles andere als in das marxistisch-leninistische Welt- und Geschichtsbild passten.

Nicht gegossen, sondern in Kupfer getrieben

Das gigantische Kyffhäuserdenkmal aus Rotsandstein steht inmitten der ehemals mächtigen Reichsburg Kyffhausen, von der man beim Rundgang noch einige Reste betrachten kann. Maßgeblich von Kaiser Wilhelm II. gefördert, wurde das Kyffhäuserdenkmal zwischen 1891 und 1897 nach Plänen und Modellen von Bruno Schmitz errichtet, der mit seinem Kollegen Clemens Thieme auch die Entwürfe für das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig gezeichnet hat. Als das Kyffhäuserdenkmal am 18. Juni 1896 nach vierjähriger intensiver Bauzeit im Beisein Wilhelms II. feierlich eingeweiht wurde, den man wegen seiner Vorliebe für Monumente gern auch "Denkmalwilly" nannte, waren 25 000 Kubikmeter Steine verbaut, die man aus einem unter dem Burgberg befindlichen Steinbruch gewonnen hatte.

Das Monument oben auf dem Kyffhäuserberg verherrlicht den greisen Wilhelm I. als Nachfolger und Vollender des nach der Sage im Kyffhäuserberg schlafenden Friedrich Barbarossa. Vor dem 75 Meter hohen Turm ist nach einem Modell des Bildhauers Emil Hundrieser Wilhelm I. hoch zu Ross dargestellt, flankiert von einem germanische Krieger und der weiblichen Symbolfigur der Geschichte, die dem deutschen Kaiser und König von Preußen einen Lorbeerkranz reicht. Die Reiterskulptur und die Assistenzfiguren sind wegen der gewaltigen Gewichte nicht aus Bronze gegossen, sondern bestehen aus getriebenem Kupferblech. Die in München und Braunschweig hergestellten Einzelteile wurden 1896 vor Ort zusammen gefügt und sind inwendig durch Eisenverstrebungen stabilisiert.

Am Fuße des Reiterdenkmals erkennt man den langsam aus tiefem Schlaf erwachenden Kaiser Friedrich Barbarossa. Der Bildhauer Nicolaus Geiger zeigt den legendären Herrscher aus dem zwölften Jahrhundert in einem romanischen Rundbogens sitzend, mit der Kaiserkrone auf dem Kopf und natürlich mit einem langen Bart, der ihm den Beinamen Barbarossa (Rotbart) verschaffte. Kraftvoll erfasst er mit der rechten Hand das Reichsschwert, während er mit der linken Hand seinen Bart durchfährt. Aus dem langen Kaisermantel schaut das rechte Knie hervor, als sei der Kaiser im Begriff, sich von seinem Thron zu erheben. Überall erkennt man in der malerischen Kulisse Raben, die nach der Sage den Kyffhäuser so lange umkreisen, bis der Monarch die Größe und Würde des Reiches wiederherstellt.

Sonne, du klagende Flamme

Die Sage vom alten Kaiser Friedrich Barbarossa, der nach jahrhundertelangem Schlaf eines Tages erwacht und die Größe des Reichs wiederherstellt, machte den Kyffhäuser schon im frühen 19. Jahrhundert zu einem Wallfahrtsort für alle diejenigen, die die Einheit Deutschlands herbeisehnten. "Der alte Barbarossa, / der Kaiser Friederich. / Im unterird'schen Schlosse / Hält er verzaubert sich. / Er ist niemals gestorben, / Er lebt darin noch jetzt; / Er hat im Schloss verborgen / Zum Schlaf sich hingesetzt. / Er hat hinabgenommen / Des Reiches Herrlichkeit, / Und wird einst wiederkommen / Mit ihr zu seiner Zeit", dichtete Friedrich Rückert im Jahr 1817 Das war jene Zeit, als sich nach den Befreiungskriegen deutsches Nationalbewusstsein zu entwickeln begann und im Zeichen der Romantik und der Schwärmerei für das Mittelalter Sagen und Zeugnisse längst vergangener Zeiten neu entdeckt und historische Bauten restauriert wurden.

Auf seine unnachahmliche Weise hat Heinrich Heine 1844 dem alten Kaiser Friedrich Barbarossa in seinem Poem "Deutschland ein Wintermärchen" (Caput XIV) ein literarisches Denkmal gesetzt. Beim Anblick des Kyffhäuserbergs glaubt der Dichter zu sehen: "Der Kaiser bewohnt den vierten Saal. / Schon seit Jahrhunderten sitzt er / Auf steinernem Stuhl, am steinernen Tisch, / Das Haupt auf den Armen stützt er. // Sein Bart, der bis zur Erde wuchs, / Ist rot wie Feuerflammen, / Zuweilen zwinkert er mit dem Aug', / Zieht manchmal die Brauen zusammen. // Schläft er oder denkt er nach? / Man kann's nicht genau ermitteln; / Doch wenn die rechte Stunde kommt, Wird er gewaltig sich rütteln. // Die gute Fahne ergreift er dann / Und ruft. "Zu Pferd! zu Pferde!" / Sein reisiges Volk erwacht und springt / Lautrasselnd empor von der Erde. // Ein jeder schwingt sich auf sein Ross, / Das wiehert und stampft mit den Hufen! / Sie reiten hinaus in die klirrende Welt, / Und die Trompeten rufen. // Sie reiten gut, sie schlagen gut, / Sie haben ausgeschlafen. / Der Kaiser hält ein strenges Gericht, / Er will die Mörder bestrafen - // Die Mörder, die gemeuchelt einst / Die teure, wundersame, / Goldlockichte Jungfrau Germania - / "Sonne, du klagende Flamme!" // Wohl mancher, der sich geborgen geglaubt / Und lachend auf seinem Schloss saß, / Er wird nicht entgehen dem rächenden Strang, / Dem Zorne Barbarossas! - - - // Wie klingen sie lieblich, wie klingen sie süß, / Die Märchen der alten Amme! / Mein abergläubisches Herze jauchzt: / "Sonne, du klagende Flamme!"

Durch die Gründung des deutschen Kaiserreiches am 18. Januar 1871 in Versailles wurde dieser Traum wahr, und so nimmt es nicht Wunder, dass man den geschichts- und legendenträchtigen Kyffhäuser durch ein Nationaldenkmal kenntlich machen wollte. Am Monument trafen sich Kriegervereine, von hier aus wurden auch Drohungen vor allem gegen den französischen Erbfeind ausgestoßen. Einer dieser besonders aggressiven Gruppierungen nannte sich Kyffhäuserbund, und es muss erwähnt werden, dass der Überfall Hitlerdeutschlands 1941 auf die Sowjetunion unter dem Codewort "Barbarossa" vorbereitet wurde.

Abreißen oder doch lieber stehen lassen

Am 6. Mai 1939 wurde unterhalb des Kyffhäuserdenkmals ein von Hermann Hosaeus geschaffenes Denkmal des 1934 verstorbenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg eingeweiht. Die zehn Tonnen schwere und fünf Meter große Figur aus bayerischem Porphyr wurde 1945 umgestürzt und an Ort und Stelle vergraben. Erst 2004 wurde die Skulptur entdeckt, aber nicht aufgestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg verhinderte die Sowjetische Militäradministration die Beseitigung des Kyffhäuserdenkmals. Doch gab es weiterhin Überlegungen, die mächtige Kaiserkrone abzutragen, das Reiterstandbild zu demontieren und die Anlage mit einer ständigen Beflaggung mit der DDR-Fahne umzugestalten. Das Reiterstandbild sollte durch einen riesigen Schmied beziehungsweise einen Mann und eine Frau ersetzt werden. Allerdings machte DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl 1951 all diesen Plänen ein Ende, indem er festlegte, eine Verschrottung des Kyffhäuserdenkmals komme zur Zeit nicht in Betracht. Später gab es immer wieder Überlegungen, die von ihm ausgehende Botschaft im Sinne des marxistisch-leninistischen Geschichtsbildes neu zu interpretieren. Da an dem Monument nichts geändert werden konnte, wurde versucht, durch Propagandaausstellungen und zusätzliche Bilder das Geschichtsbewusstsein "unserer Bürger" zu qualifizieren und "Hass gegen den preußisch-deutschen Militarismus" zu entwickeln. Ob das gelungen ist? Schwer zu sagen. Fest steht, dass der Kyffhäuserberg und sein Denkmal in der Beliebtheitsskala der Thüringer und ihrer Gäste ganz oben stehen.

14. Januar 2018

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