Geht es auch der "Ode an die Freude" an den Kragen?
Überlegungen für das geschlechterneutral neu formulierte Lied der Deutschen dürften sich nicht durchsetzen



Den 175. Jahrestag des Deutschlandliedes nahm die Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz im August 2016 zum Anlass für eine Ausstellung, in deren Mittelpunkt das Deutschlandlied stand. Die originale Handschrift mit der Datumsangabe 26. August 1841 gelangte 1903 mit dem Nachlass des Dichters und Philologen Heinrich August Hoffmann von Fallersleben in die damalige Königliche Bibliothek, aus der die heutige Staatsbibliothek zu Berlin hervor gegangen ist.



Die Bundesrepublik Deutschland würdigte 2016 Hoffmann von Fallersleben und sein berühmtes Lied durch die Ausgabe einer von Claudius Riedmiller (Stuttgart) gestalteten Zwanzig-Euro-Münze, die das Bildnis des Dichters mit dem Bundesadler kombiniert. (Repros: Caspar)

Es gibt Überlegungen, nach österreichischem Vorbild die deutsche Nationalhymne umzudichten. Die Gleichstellungsbeauftragte im Familienministerium Kristin Rose-Möhring hat zwei "geschlechtsneutrale" Änderungen vorgeschlagen und hat einen Sturm der Entrüstung entfacht. "Warum gendern wir nicht unsere Nationalhymne, das Deutschlandlied" schrieb sie und schlug zwei Variationen vor. In der Zeile "Einigkeit und Recht und Freiheit, für das deutsche 'Vaterland" will sie das Wort Vaterland durch Heimatland ersetzen. Anstelle von "brüderlich mit Herz und Hand" soll künftig "couragiert mit Herz und Hand" gesungen werden. Die Gleichstellungsbeauftragte verweist anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März auf Beispiele im Ausland, wo ebenfalls Änderungen vorgenommen worden seien. Sowohl Österreich als auch Kanada hätten ihre Nationalhymnen geändert und geschlechtsneutrale Wörter gewählt.

In Österreich gehen die erste und die dritte Strophe so: "Land der Berge, Land am Strome, / Land der Äcker, Land der Dome, / Land der Hämmer, zukunftsreich! / Heimat großer Töchter und Söhne (Vorher: Heimat bist du großer Söhne,) / Volk, begnadet für das Schöne, / Vielgerühmtes Österreich […] Mutig in die neuen Zeiten, / Frei und gläubig sieh uns schreiten, / Arbeitsfroh und hoffnungsreich. / Einig lass in Jubelchören (vorher: Einig lass in Brüderchören) / Vaterland, dir Treue schwören, / Vielgeliebtes Österreich." Der Text stammt von Paula Preradovic und war nach einem Preisausschreiben mit einem damals beachtlichen Preisgeld von 10.000 Schilling bedacht worden.

Mit Blick auf die rein männlich formulierten Textzeilen hatten Frauengruppen bereits in den 1970/80er Jahren eine "Feminisierung" der österreichischen Nationalhymne verlangt. 1992 griff die Frauenministerin Johanna Dohnal diese Forderung auf, scheiterte jedoch schon in ihrer eigenen Partei. So erging es 2005 auch der Frauenministerin Maria Rauch-Kallat, die 2011 mit anderen Abgeordneten diesen Antrag stellte: "Im vollen Wissen und Bewusstsein, dass es in der Tat auch dringlichere Anliegen in der österreichischen Innenpolitik gibt, aber auch mit der Überzeugung, dass Sprache wie kein anderes Medium Bewusstsein prägt, ersuchen die unterzeichneten Abgeordneten den Nationalrat, eine einfache aber geschlechtergerechte Änderung der Österreichischen Bundeshymne zu beschließen", was dann auch geschah. So weit wird es in Deutschland wohl nicht kommen. Bundespräsident Steinmeier hat geschlechterneutrale Änderungen am Text der unserer Nationalhymne abgelehnt. Zuvor hatte sich auch Bundeskanzlerin Merkel zu dem Text in seiner bisherigen Form bekannt.

Die geforderte Änderung der deutschen Nationalhymne wird sich vermutlich nicht durchsetzen. Wir haben ganz andere Probleme. Aber man weiß bei uns ja nie. Es wird seit längerem nicht mehr von Studenten und Flüchtlingen gesprochen, sondern nur noch von Studierenden und Geflüchteten, und es gibt keine offizielle Äußerung ohne die Genderei. Die Frage ist doch, was mit dem Schlachtruf der Französischen Revolution von 1789 "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" wird und ob denn auch Friedrich Schillers von Ludwig van Beethoven vertonte "Ode an die Freude" umgedichtet werden muss, wenn man jetzt damit beginnt, sich am "Lied der Deutschen" zu vergreifen. Schiller schrieb 1785: "Froh, wie seine Sonnen fliegen / Durch des Himmels prächt'gen Plan, / Laufet Brüder eure Bahn, / Freudig wie ein Held zum siegen […]. Unser Schuldbuch sei vernichtet! / Ausgesöhnt die ganze Welt! / Brüder - überm Sternenzelt / Richtet Gott - wie wir gerichtet. / […]. Brüder fliegt von euren Sitzen, / Wenn der volle Römer kreist, / Lasst den Schaum zum Himmel spritzen: / Dieses Glas dem guten Geist! […]. Männerstolz vor Königsthronen, - / Brüder, gält es Gut und Blut - / Dem Verdienste seine Kronen, / Untergang der Lügenbrut."

Im Gegensatz zur französischen Marseillaise brauchte das Deutschlandlied mit der Anfangszeile "Deutschland, Deutschland über alles" Jahrzehnte, bis es sich als deutsche Nationalhymne durchsetzte. Von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) im Jahr ….. auf der Insel Helgoland gedichtet und mit einer von Joseph Haydn komponierten Melodie unterlegt, die auch bei der österreichischen Hymne "Gott erhalte Franz den Kaiser" intoniert wurde, konkurrierte das Lied der Deutschen in der Zeit der Monarchie mit der Kaiserhymne "Heil dir im Siegerkranz".

Nach der Errichtung der Republik im Ergebnis der Novemberevolution vor einhundert Jahren avancierte Hoffmann von Fallerslebens Lied durch Verfügung des Reichspräsidenten Friedrich Ebert mit allen drei Strophen zur Nationalhymne der Weimarer Republik. 1945 von den alliierten Siegermächten als "nationalistisches Machwerk" verboten, wurde das Lied 1952 auf Betreiben des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss wieder zugelassen. Um aber nationalistische Gefühle vor allem beim Absingen der "von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt" und "Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt" reichenden Zeilen nicht aufkommen zu lassen und daraus auch keine territoriale Ansprüche abzuleiten, werden seither bei offiziellen Anlässen nicht die erste und die zweite Strophe gesungen, sondern nur die dritte: "Einigkeit und Recht und Freiheit / Für das deutsche Vaterland! / Danach lasst uns alle streben / Brüderlich mit Herz und Hand! / Einigkeit und Recht und Freiheit / Sind des Glückes Unterpfand. / Blüh im Glanze dieses Glückes, / Blühe, deutsches Vaterland!" Aus Vaterland Heimatland und aus brüderlich couragiert zu machen, ist gegenüber dem Dichter respektlos und auch sonst nicht wünschenswert.

7. März 2018

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