Preußischer Apoll
Karl Friedrich Schinkel entwarf das Denkmal für den 1806 bei Saalfeld gefallenen Prinzen Louis Ferdinand



Der in der Kaiserzeit populäre Grafiker Richard Knötel stellte sich den Tod des Prinzen Louis Ferdinand Säbelattacke feindlicher Soldaten vor.





Ein edler Genius auf dem Denkmal nahe Saalfeld erinnert an den Heldentod des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen. Auf der Neujahrsplakette von 1824 ist das von Schinkel entworfene Grabmal gut zu erkennen.



Louis Ferdinand blieb erspart, die Folgen dieses kurzen Krieges erleben zu müssen. Wer weiß, was die Sieger mit ihm gemacht hätten, hätte er sich in jenem Reitergefecht ergeben und wäre in ihre Hände gefallen. Der mit einer Krone geschmückte Sarg des Prinzen steht in der Hohenzollerngruft des Berliner Doms.



Wenige Tage nach dem Tod des Prinzen Louis Ferdinand verlor Preußen die Schlacht bei Jena und Auerstedt, und bald darauf zog Napoleon I. als Sieger durch das Brandenburger Tor. Das in Berlin angeschlagene Plakat ruft zur Ruhe auf und nennt sie erste Bürgerpflicht.



In Spandau, damals noch selbstständige Stadt bei Berlin, errichtete Schinkel den Gefallenen der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 eine aus Lanzen gebildete Gedenkpyramide. (Fotos/Repros: Caspar)

"Sechs Fuß hoch aufgeschossen, / Ein Kriegsgott anzuschaun, / Der Liebling der Genossen, / Der Abgott schöner Fraun, / Blauäugig, blond, verwegen / Und in der jungen Hand / den alten Preußendegen - Prinz Louis Ferdinand" - so begann Theodor Fontane sein Gedicht über eine schon zu Lebzeiten und erst recht nach seinem Tod am 10. Oktober 1806 von manchen Heldenmythen und Legenden umwölkte Ausnahmeerscheinung in der Hohenzollerndynastie - Prinz Louis Ferdinand von Preußen. Fontane verstand es glänzend, die nur 34 Lebensjahre umfassende Biographie des auch preußischer Apoll genannten Hohenzollernsprosses in wenige Worte zu fassen, wenn er beispielsweise besorgte Generalitäten vor König Friedrich Wilhelm III. treten und sie vor "diesem Lebenslauf" warnen lässt, denn "Die Mädchen und die Schulden /Zehren den Prinzen auf". Prompt wird der Lebemann, Militär und Musensohn in die preußische Garnison Magdeburg abgeschoben, doch findet der wilde Reiter Mittel und Wege, um schnell in das ihm verbotene Berlin zur Geliebten, einem bürgerlichen Mädchen, zu gelangen. Jahre später ist es um den hochadligen Rebellen geschehen. Unmittelbar vor der Schlacht von Jena und Auerstedt zwischen Preußen und Frankreich fällt Louis Ferdinand im Oktober 1806 bei Saalfeld in Thüringen: "Vorauf den andern allen / Er stolz zusammenbrach; / Prinz Louis war gefallen / Und Preußen fiel - ihm nach".

Edler Held mit Harfe, Schild und Schwert

Der Feldzug gegen Frankreich, zu dem junge Draufgänger am preußischen Hof, allen voran Louis Ferdinand, ihren obersten Kriegsherren, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, gedrängt hatten, ging für Preußen unglücklich aus. Das Land hatte einen hohen Zoll an Blut und Gut zu zahlen und musste 1807 große Gebiete abtreten. Louis Ferdinands Leiche wurde im September 1806 zunächst in der Saalfelder Johanneskirche aufgebahrt. Erst 1811 kam der Sarg nach Berlin. Er kann jetzt in der Hohenzollerngruft im Dom am Lustgarten besichtigt werden. Nach mehrjähriger Vorbereitung 1823 ließ Luise Fürstin Radziwill, die Schwester des unglücklichen Prinzen, in Wöhlsdorf bei Saalfeld ein von Karl Friedrich Schinkel entworfenes und von dem Bildhauer Friedrich Tieck ausgeführtes Denkmal errichten. Geldgeber für dieses Monument direkt an der Bundesstraße 85 war Friedrich Wilhelm III. Zwar hielt er von dem prinzlichen Hallodri nicht viel und war auch von der Denkmalidee wenig erbaut. Doch konnte er es sich aus Prestigegründen nicht leisten, dass das Monument für den bereits von manchen Legenden umgebenen Kriegshelden lediglich durch Sammlungen in der Bevölkerung finanziert wird. Das hätte seinem Ansehen als Oberhaupt der Hohenzollern-Familie und Oberkommandierenden im Krieg von 1806/7 geschadet.

Auf einem stufenförmigen Unterbau erhebt sich überlebensgroß eine Steinstele mit einem in der Königlichen Eisengießerei Berlin gefertigten Relief darin. Es zeigt einen knapp mit einem Tuch bedeckten Genius und Musensohn, hinter dem ein Schild, ein Schwert und eine Harfe stehen. Diese Attribute deuten auf die Leistungen des für seine Zeit erstaunlich weitsichtigen und auch gegenüber seiner vornehmen Familie aufsässigen Prinzen als Militär und Musiker hin. Die Inschrift erinnert daran, dass an dieser Stelle Prinz Ludwig Ferdinand von Preußen "kämpfend für sein Vaterland" gefallen ist. Das inzwischen ziemlich marode gewordene Grabmal wurde 1981 bis 1984 demontiert, restauriert und neu aufgebaut. Das Modell für den Genius fand 1822 auf einer Akademie-Ausstellung in Berlin großen Beifall. Auf einer Neujahrsplakette der Königlichen Eisengießerei von 1824 ist das Denkmal en miniature abgebildet. Bereits 1808 wurde die Stelle, an der Prinz tödlich verwundet wurde, ein bescheidener Stein mit einer ebenfalls auf seinen Tod des Prinzen weisenden Inschrift errichtet.

Wie ein toller Mensch gestorben

Über das jähe Ende des Prinzen Louis Ferdinand wenige Tage vor der eigentlichen Entscheidungsschlacht von Jena und Auerstedt gibt es unterschiedliche Nachrichten. Als Befehlshaber einer aus 9000 Mann bestehenden Vorhut traf er am 10. Oktober 1806 bei Saalfeld auf ein Corps des französischen Marschalls Lannes. Die Übermacht des Feindes war zu groß, die preußischen und die sächsischen Truppen wichen zurück. Louis Ferdinand versuchte, die Flüchtenden aufzuhalten. Er wurde von feindlichen Soldaten umzingelt, die ihn aufforderten, sich zu ergeben. Dass es sich um den Reiter um einen ranghohen Offizier handelt, sahen die Reiter an der Uniform und dem Stern des Schwarzen Adlerordens auf der linken Brust. Vergeblich hatte der Prinz dieses silbergestickte Zeichen in der Minute der Gefahr zu verbergen versucht.

Durch Säbelhiebe getroffen, stürzte der Prinz vom Pferd und erlag bald darauf seinen Verwundungen. Alle, die dabei gewesen waren, sprechen mit Bewunderung von Tapferkeit und Todesmut des Prinzen. Der noch am selben Tag vom Schachtfeld getragene Leichnam wurde am 11. Oktober 1806 in der Saalfelder Johanniskirche aufgebahrt und von einem französischen Arzt untersucht. Der stellte sechs Säbelhiebe am Kopf und auf der Brust, aber keine Schussverletzung fest und beschrieb den Toten so: "Ich habe an ihm die Schönheit des Gesichts bewundert, die Ruhe der Physiognomie, die Entwicklung der Brust, verbunden mit einer regelmäßigen Form der Glieder, deren stark hervortretende Muskeln auf viel Stärke und Kraft schließen ließen".

In Berlin und ganz Preußen löste der Tod des Prinzen Louis Ferdinand große Bestürzung aus, allerdings nicht beim König und den Eltern. Während die "ganze Armee" Tränen vergoss, wie der bekannte Militärschriftsteller Carl von Clausewitz berichtet, soll Friedrich Wilhelm III. in der ihm eigenen abgehackten Sprache abschätzig gesagt haben: "Hat wie ein toller Mensch gelebt, ist wie ein toller Mensch gestorben, die Scharte nur klein, muss aber ausgewetzt werden". Prinz Ferdinand, der Vater des Toten, meinte, sein Sohn habe sich den Krieg und den Tod selber zuzuschreiben. Die Mutter machte sich vor allem Sorgen um einen anderen Sohn, Prinz August, und strich Louis Ferdinand aus ihrem Gedächtnis. Im französischen Kriegsbulletin hieß es über den Tod des als tapferer und rechtschaffender Soldat charakterisierten Prinzen, der sich in ein "persönliches Gefecht mit einem Quartiermeister des 10. Husarenregiments einließ: "Wenn er auch in der letzten Zeit seines Lebens nicht der beste Bürger war, so ist doch sein Ende glorreich, und er verdient, beklagt zu werden. Er ist gestorben, wie jeder gute Soldat wünschen sollte zu sterben. Man kann sagen, dass die ersten Streiche des Krieges einen seiner Urheber getötet haben".

Preußisches Enfant terrible

Noch nie war ein Mitglied des preußischen Herrscherhauses kämpfend auf dem Schlachtfeld gefallen. Selbstverständlich gab es sofort Mutmaßungen darüber, ob er nicht selbst den Tod gesucht hat angesichts der aussichtslosen Lage Preußens im Krieg mit Frankreich. "Die Verzweiflung, die, wie wir vermuteten, Prinz Louis Ferdinand und seine Schar in den Tod gestürzt hatte, ergriff uns selber", schrieb ein Zeitgenosse. Auch Clausewitz, der den Prinzen mit dem berühmten Feldherrn wie Condé verglich und ihn für einen "prächtig ausgestatteten" Menschen hielt, glaubte zu wissen: "Sein Tod war übrigens gewiss sein eigenes Werk; denn er würde sich haben retten können, weil er erst blessiert wurde, nachdem alles aufgegeben werden musste. Er wollte nicht ohne Sieg zurückkehren...Das Gefühl, was diesen Helden auf den Todesplatz fesselte, musste es ihn nicht, unter glücklicheren Umständen zur Größe führen".

Louis Ferdinand war, ungeachtet respektvoller Worte über seinen Soldatentod, in den Augen der Franzosen ein Rebell und Kriegstreiber. Die Überführung der Leiche des preußischen Enfant terrible hätte die von ihnen unterjochten und ausgebeuteten Preußen zu Gegenreaktionen angestachelt. Deshalb ließ man sich mit der Angelegenheit Zeit. Vordringlicher war es, die vielen Gläubiger des Prinzen zu befriedigen. Schnell stellte sich heraus, dass er mehr Schulden als Vermögen hat. Erschwerend bei der Auseinandersetzung kam hinzu, dass Napoleon I. seinen Besitz hatte beschlagnahmen lassen. Die bewegliche Habe des Prinzen brachte bei der Versteigerung nicht viel ein. Die Gläubiger bekamen kaum etwas zurück. In Erinnerung ist der Prinz durch seine Kompositionen, die gelegentlich wie die des preußischen Königs Friedrich II., des Großen, in Konzertsälen erklingen und viel Beifall bekommen.

Katastrophe voraus gesagt

Der flötenspielende Monarch und Kriegsherr sah für Preußen Unglück und Niedergang in der Zeit nach seinem Tod voraus und hatte damit Recht, als tatsächlich 1806, genau zwanzig Jahre nachdem er gestorben war, die Katastrophe herein brach. "Nichts als Unglück aber sehe ich für die voraus, die ihrer Trägheit nachgehen und den Dingen ihren Lauf lassen, statt einzugreifen, bei denen Bequemlichkeit und Schlaffheit über ihre Pflicht siegen, so dass sie die Leitung der Armee und des Staates in andere Hände legen. Ich wünsche, dass dergleichen nie vorkommt. [...] Für Dich arbeite ich, aber Du musst darauf sehen, dass Du bewahrst, was ich schaffe. Bist Du träge und indolent, wirst Du zwischen Deinen Händen zerrinnen sehen, was ich mit soviel Mühe zusammengebracht habe." Von seinem hier angesprochenen Neffen Friedrich Wilhelm, den späteren König Friedrich Wilhelm II., hielt Friedrich II. nicht viel. An dem begeisterten Cellospieler und wenig wählerischen Liebhaber kritisierte er mangelndes Interesse an Politik und Militärwesen.

In der Tat überließ der neue König nach dem Thronwechsel von 1786 die Politik skrupellosen Emporkömmlingen und Geistersehern, während er sich selber mit Musik und seinen Mätressen verlustierte. In den Kriegen gegen das revolutionäre und bald darauf das napoleonische Frankreich agierte Preußen unglücklich. Der Hohenzollernstaat wurde nach 1806 zerstückelt und musste riesige Kontributionen an Frankreich zahlen. Erst unter dem Eindruck der schweren Staats- und Finanzkrise raffte sich König Friedrich Wilhelm III. zu Reformen auf, die das Land fit für das 19. Jahrhundert machten.

18. Februar 2018

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