Den Fürsten ein Dorn im Auge
Demokratisches Experiment "Mainzer Republik" dauerte nur vom März bis Juli 1793



Die Hinrichtung des französischen Königspaars Ludwig XVI. und Marie Antoinette 1793 war ein Jahrhundertereignis und wurde in und außerhalb des Landes durch Grafiken, Medaillen und andere Medien dokumentiert.



Das Emblem der neu gewonnenen Freiheit erscheint auf vielen Münzen der französischen Republik. Diese deutschsprachige Zeichnung beschwört Bruderliebe sowie die Einheit und Unzertrennlichkeit der Frankenrepublik.



Altrömischen Vorbildern nachempfunden ist das Fasces-Symbol der französischen Republik auf den Münzen der Mainzer Republik von 1793 zu 2 und 5 Sols.



Die so genannten Zutrauensscheine der Mainzer Republik von 1793 kommen in unterschiedlichen Werten vor, hier eine Ausgabe zu 10 Sols.



Sansculotten, Klubisten und andere Revolutionäre stellte man sich als Personen vor, die sich mordend über Könige und andere Autoritäten hermachen und kein Erbarmen kennen.



Die Rückeroberung von Mainz durch die alliierten Truppen wird auf einer von Friedrich Heinrich Krüger geschaffenen Medaille von 1793.



Laut Aufschrift wurde der mit dem Bildnis des Erzbischofs und Kurfürsten Friedrich Karl Josef von Erthal geschmückte Konventions- und Kontributionstaler von 1794 aus Kirchensilber geprägt. Der Titel verzichtet auf das angebliche Gottesgnadentum des Kirchenfürsten. (Fotos/Repros: Caspar)

Nach der Revolution von 1789 war das Ende der Bourbonenherrschaft in Frankreich nur noch eine Frage der Zeit. Ludwig XVI. und Marie Antoinette waren eine Zeitlang nur noch nominell König und Königin, doch nach und nach schwanden ihre Macht und Einfluss. Um dem Königtum zu Hilfe zu eilen und den revolutionären Umtrieben, wie es damals hieß, Einhalt zu gebieten, verbanden sich der römisch-deutsche Kaiser Leopold II., König Friedrich Wilhelm II. von Preußen und weitere deutsche und europäische Fürsten und begannen, von geflohenen Mitgliedern des entthronten Herrscherhauses angestachelt, eine Invasion Frankreichs, die schmachvoll mit Niederlagen und Rückzügen endete. Angesichts einer ausländischen Invasion rief die Nationalversammlung in Paris die Franzosen unter dem Motto "Das Vaterland ist in Gefahr" zur Verteidigung der bisher erkämpften Errungenschaften auf.

Zu den Teilnehmern des Koalitionskrieges gegen das revolutionäre Frankreich gehörte Herzog Karl August von Sachsen-Weimar und Eisenach. In seinem Gefolge war Johann Wolfgang von Goethe Augenzeuge der Kanonade von Valmy am 20. September 1792, in deren Verlauf die sieggewohnten preußischen Truppen zum Rückzug gezwungen wurden. In den Augen des Dichters und Ministers besaß die Schlacht epochale Bedeutung. Im Nachhinein setzte er ihr mit den prophetischen Worten "Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen" ein immer wieder zitiertes Denkmal. Für das Königspaar Ludwig XVI. und Marie Antoinette und seinen Anhang war das preußische Versagen in der Kanonade von Valmy eine Katastrophe, denn unmittelbar danach beschloss der Konvent die Abschaffung der Monarchie. Nach Valmy ging die Revolutionsarmee zur Offensive über. Erstmals hatten die schlecht ausgerüsteten, dafür aber stark motivierten Franzosen dem Feind standgehalten.

Die preußische Drohung vom 25. Juli 1792, man werde an Paris und seinen Bewohnern eine beispiellose und für alle Zeiten denkwürdige Rache nehmen, falls dem Königspaar etwas geschehen sollte, erwies sich als wenig hilfreich. Um ein für allemal die restaurativen Pläne des auf die Verfassung vereidigten Königs sowie seiner vom Ausland aus gegen das revolutionäre Frankreich agierenden Brüder und Parteigänger zu durchkreuzen, wurden der der "Verschwörung gegen die öffentliche Freiheit und die Sicherheit des gesamten Staates" angeklagte Bürger Louis Capet, wie man ihn König jetzt nannte, vor Gericht gestellt. "Es ist besser, dass Ludwig stirbt, als dass 100 000 tugendhafte Bürger umkommen. Ludwig muss sterben, weil das Vaterland leben muss", forderte Maximilian Robespierre, und viele seiner Landleute folgten dem radikalen Jakobiner, dem sich kaum jemand in den Weg zu stellen wagte. Nach einem am 11. Dezember 1792 eröffneten Prozess wurde der König am 21. Januar 1793 in Paris öffentlich hingerichtet. Ihm folgte am 16. Oktober des gleichen Jahres seine Frau, die Witwe Capet, der man die Schuld am Niedergang Frankreichs anlastete.

Wenn das Geld ausging

Als die Franzosen am 22. Oktober 1792 Mainz, die Haupt- und Residenzstadt des geistlichen Kurfürsten und Erzbischofs Friedrich Carl Joseph von Erthal, einzogen, blieb die Fürstenkoalition nicht untätig. Es galt, unter allen Umständen das Zentrum des Kurstaates wieder in die Hand zu bekommen und Erthal in seine alten Rechte einzusetzen und damit auch ein weithin sichtbares Zeichen zu setzen. Bei der Belagerung und Beschießung durch preußische Truppen erlitten Mainz und seine Einwohner große Schäden und Verluste. Langsam ging in der eingeschlossenen Stadt das Geld aus. Man musste Ersatz schaffen, und diese in Mainz und an anderen Orten in ähnlicher Situation hergestellten Belagerungsmünzen und Ersatzgeldscheine stellen ein beliebtes Sammelgebiet dar. Zum Unterhalt und zur Bezahlung eingeschlossener Soldaten sowie zur Begleichung weiterer Kosten produziert, wirft das Notgeld ein interessantes Schlaglicht auf die sozialen und ökonomischen Zustände in Festungen und Städten, die von der Außenwelt abgeschnitten waren, und sie zeigen, wie man die dort herrschenden prekären Verhältnisse zu meistern versuchte.

Um dem Mangel an Zahlungsmitteln beizukommen, hat man in belagerten Städten und Festungen aus dem den Einwohnern abgenommenen Tafelsilber und aus kirchlichem Edelmetall vier- oder mehreckige Klippen hergestellt und sie durch kleine Stempeleinschläge an den Rändern und in der Mitte in Geld verwandelt. Wenn kein Edelmetall zur Verfügung stand, schmolz man Kanonen und Kessel, Glocken, Mörser, Türklopfer und andere Gegenstände aus Bronze und Kupfer ein. Das daraus gewonnene Metall wurde zu Blech verwalzt, aus dem man ebenfalls Geldstücke fertigte. Spektakuläre Beispiele für solche Behelfsmünzen erinnern, um in Deutschland zu bleiben, an Belagerungen unter anderem von Leipzig 1547, Jülich 1543, 1610 und 1621, Magdeburg 1551 und 1629, Landau 1702 und 1713, Ulm 1704, Wismar 1715 sowie Mainz 1631, 1689 und 1793 und an vielen anderen Orten und Jahren.

Die französische Besatzungsmacht ließ in Mainz Münzen zu einem, zwei und fünf Sols aus Kupfer herstellen, außerdem gab sie Papiergeld in Umlauf. Anders als manchmal behauptet, sind diese Not- und Belagerungsmünzen keine Emissionen der 1793 von deutschen Jakobinern gegründeten Mainzer Republik, sondern rein französischer Herkunft. Mit solchen Notausgaben hatte man in der Stadt am Rhein bereits traurige Erfahrungen. Denn das Kurfürstentum und seine Bewohner mussten mehrfach kriegerische Auseinandersetzungen und Belastungen durch fremde Truppen ertragen, die sich hier breit machten und die Stadt und ihre Einwohner unbarmherzig plünderten. Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) besetzten schwedische Truppen Mainz. Davon erzählen Gold- und Silbermünzen aus den Jahren 1631 bis 1634, die mit dem Bildnis von König Gustav II. Adolf und mit anderen Motiven geschmückt sind. Nach damaligem Brauch wurden die Mainzer zur Begleichung der Besatzungskosten erbarmungslos herangezogen. Die Schweden raubten alles, was ihnen nützlich und wertvoll erschien, darunter auch wertvolle Bücher und Kunstgegenstände. Als sie nach fünf Jahren endlich abzogen, war Mainz entvölkert und ein Trümmerfeld, wie Eckart Pick in seinem Buch "Münzen, Mächte und Mäzene - 2000 Jahre Geld in Stadt und Kurstaat Mainz" schreibt, das 2006 im Mainzer Verlag Philipp von Zabern erschienen ist.

Doppelte Datierung

Die Datierung der Mainzer Notmünzen erfolgte nach damaligem Brauch in doppelter Form durch die Jahresangabe 1793 und L'AN 2, womit das zweite Jahr der Republik gemeint war. Die Angabe REPUBLIQUE FRANÇAISE - MONNAIE DE SIEGE DE MAYENCE auf beiden Seiten unterstreicht, dass die Franzosen im besetzten Mainz das Sagen haben. Außer den bescheidenen und auch unsauber geprägten Geldstücken liefen dort auch einseitig bedruckte Geldscheine um, mit denen man größere Summen bezahlen konnte. Die Zutrauensscheine genannten Zettel wurden nummeriert sowie mit drei faksimilierten Unterschriften und einem runden roten oder schwarzen Stempel beglaubigt. Da weder im besetzten und belagerten Mainz die Notmünzen noch die Geldzettel ausreichten, bediente man sich auch französischer Assignaten mit dem Kopf von Königs Ludwig XVI., die ebenfalls durch einen Stempelaufdruck dort für den Umlauf zugelassen wurden.

Während der schwedischen Okkupation und auch 1688/89, als die Stadt von den Franzosen besetzt und von Reichstruppen belagert war, stand der Prägehammer nicht still, wie aus dieser Zeit überlieferte Gold-, Silber- und Kupfermünzen sowie einige Medaillen zeigen. Das im Auftrag des Kommandanten Marquis d'Uxelles geprägte hergestellte Silbergeld ist mit dem Monogramm des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. geschmückt und unterstreicht damit die Machtverhältnisse im besetzten Mainz. Gut einhundert Jahre später waren die Franzosen erneut in der Stadt, aber diesmal sahen die von ihren geprägten Notmünzen ganz anders aus.

Die mit der Jahreszahl 1793 versehenen Mainzer Notmünzen zu einem, zwei und fünf Sols (Sous) wurden nach dem Vorbild der Münzen der französischen Republik mit den Freiheitssymbolen altrömischer Liktorenbündel (Fasces) und der Jakobinermütze obenauf sowie einem umgebenden Eichenkranz geschmückt. Die Geldstücke aus Glockenbronze und aus Kupfer wurden offensichtlich in einer gut eingerichteten Mainzer Münzstätte hergestellt, wie Eckhart Pick in seinem oben erwähnten Buch schreibt, und da sie auch heute noch recht häufig vorkommen, dürften sie in großer Zahl produziert worden sein. "Die Mainzer, schon damals um spöttische Bezeichnungen nicht verlegen, nannten die geprägten Erzeugnisse der Franzosen ,Jäckeliers', wohl ein dezenter Hinweis auf die einflussreichen Jakobiner und ihren Club in Mainz", stellt Pick fest und fügt hinzu, die versprochene Einlösung des Notgeldes durch die französische Regierung sei nicht erfolgt, auch nicht später, als die Mainzer rund eine Million Livres in den Jahren 1798/99 mehrfach bei ihrer Obrigkeit in Paris einforderten.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

Nach dem Einzug der französischen Revolutionstruppen etablierte sich in der Bischofs-, Universitäts- und wegen des Wirkens von Johannes Gutenberg auch Geburtsstadt der Buchdruckerkunst vom März bis Juli 1793 für ein paar Monate die Mainzer Republik. Der Kurfürst und Erzbischof hatte seine Residenz fluchtartig verlassen und musste von seiner Nebenresidenz Aschaffenburg aus machtlos zuschauen, wie in Mainz deutsche Jakobiner zur Abschaffung der Fürstenherrschaft aufriefen und die Parole "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" skandierten. Überall wurden Freiheitsbäume aufgepflanzt, um Vorübergehenden zu sagen, dass dieses Land frei ist. Zu den führenden Köpfen des ersten, auf bürgerlich-demokratischen Grundsätzen basierenden Staates auf deutschem Boden gehörten Gelehrte wie der Naturforscher und Weltumsegler Georg Forster, aber auch Theologen und Künstler. Sie nahmen dankbar das Anerbieten der Franzosen zur Verbrüderung an und waren sich mit dem französischen Stadtkommandanten General Adam-Philippe de Custine einig, der den Mainzern zurief: "Ewige Schande brandmarke alle diejenigen, denen das Rasseln ihrer Ketten lieber ist als die süßtönende Stimme der Freiheit".

Den um ihre Kronen und Köpfe fürchtenden Monarchen war die Gründung der Mainzer Republik durch Mitglieder der "Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit" ein Dorn im Auge. Ihre auch durch Flugblätter und in Zeitungen verbreitete Forderung, Deutschland in eine Republik zu verwandeln, war eine unerhörte Kampfansage. Auf Forsters Antrag beschloss der Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent den Anschluss von Mainz an Frankreich. Die in Mainz erhobene Forderung, zwischen Landau und Bingen "alle bisherigen angemaßten willkürlichen Gewalten" abzuschaffen und gemeinschaftlichen, auf Freiheit und Gleichheit basierenden Gesetzen Geltung zu verschaffen, durfte nicht Schule machen.

Nach einer viermonatigen Belagerung und Beschießung von Mainz durch preußische Truppen kapitulierten die Franzosen am 23. Juli 1793 und zogen ab. Jetzt rächten sich die Preußen an den "Klubisten", an den Mitgliedern des Mainzer Jakobinerklubs, und es setzte eine grausame Verfolgungswelle ein. Der Kurfürst kehrte kurzzeitig zurück und ließ dies auf Münzen und Medaillen der Welt kundtun, und auch in Preußen feierte man die Beschießung von Mainz und die Vertreibung der Franzosen durch geprägtes Metall. Als 1795 Revolutionstruppen das linksrheinische Gebiet zurückeroberten, wurden es dem französischen Staat eingegliedert. Im Friedensvertrag von Basel am 5. April 1795 überließ Preußen den Franzosen seine linksrheinischen Besitzungen und ließ sich in einem Geheimartikel zusichern, dass König Friedrich Wilhelm II., ein Neffe Friedrichs II., des Großen, auf rechtsrheinischer Seite entschädigt wird, wenn das linke Rheinufer eines Tages ganz und gar an Frankreich fallen sollte.

Durch den am 17. Oktober 1797 zwischen Frankreich, vertreten durch dessen starken Mann Napoleon Bonaparte, sowie Kaiser Franz II. abgeschlossenen Frieden von Campoformio wurde der Rhein als französische Ostgrenze endgültig festgelegt. Damit kamen der Kurstaat Mainz sowie andere Territorien des römisch-deutschen Reichs an Frankreich. Mainz hieß jetzt Mayence und wurde Hauptstadt des französischen Departements Dumont-Tonnere. Ähnlich erging es ein paar Jahre Hamburg, Lübeck und Lüneburg, die Kaiser Napoleon I. seinem Reich zuschlug. Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 fiel der ehemalige Kurstaat Mainz an das neu gebildete Großherzogtum Hessen und erwarb sich als Sitz der von dem österreichischen Staatskanzler Fürst Metternich eingerichteten Zentralkommission zur Untersuchung hochverräterischer Umtriebe einen zweifelhaften Ruf bei der so genannten Demagogenverfolgung im Ergebnis der Karlsbader Beschlüsse von 1819. Französische Münzen 1791, 1792 und sogar 1793 kombinieren den Kopf des Königs mit einem geflügelten Genius, der auf eine Tafel das Wort CONSTITUTION (Verfassung) schreibt. Als man den Kopf des Königs - hier auf einem Zwei-Sols-Stück von 1791 - nicht mehr darstellen konnte, trat an seine Stelle Marianne, die Symbolfigur der Republik.

13. Februar 2018



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