"Rirarutsch, der Kaiser der ist futsch"
Nach dem von Reichskanzler Prinz Max von Baden erzwungenen Thronverzicht Wilhelms II. am 9. November 1918 war die Hohenzollernherrlichkeit vorbei



Als der Kaiser im August 1914, zu Beginn des Ersten Weltkriegs, den Reichstag eröffnete und Treuegelübde der Abgeordneten entgegen nahm, war die Welt noch in Ordnung und alle Zeichen standen auf Sieg.



Im belgischen Spa, dem Obersten Hauptquartier, umgab sich der Monarch am liebsten mit seinesgleichen, abgehoben in einer Blase lebend und von unangenehmen Nachrichtern von den Fronten und der Heimat abgeschottet. Das Propagandafoto zeigt ihn mit dem Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (links) und seinen Stellvertreter Erich Ludendorff.





Der Kaiser wusste nicht, was sich an den Fronten abspielt und wie sehr sich die Kriegsbegeisterung vom August 1918 bei seinen Untertanen zur Wut und Verzweiflung verwandelt hat. Die Propaganda malte ein vergnügliches, heldenhaftes Bild vom Soldatenalltag, und zeigt, wie der Kaiser seine "Jungs" gönnerhaft auszeichnet. Das Bild oben von 1913 spöttelt über die Begeisterung des Monarchen für den Film und weist darauf hin, dass er sich sehr gern ablichten ließ und dies als schweißtreibende Arbeit ansah.



Reichskanzler Prinz Max von Baden spürte wie kein anderer an der Spitze des Reiches, dass die Uhr Wilhelms II. abgelaufen ist. Auf der englischen Karikatur vom 30. Oktober 1918 posiert er theatralisch wie in einem Drama von William Shakespeare als Totengräber seines kaiserlichen Herrn.



Die am 9. November 1918 von Reichskanzler Max von Baden erlassene Proklamation spricht noch von der Einsetzung einer Regentschaft, die nach der Abdankung des Kaisers alle weiter Fragen regelt.



Im Potsdamer Neuen Palais schildert eine Ausstellung, wie es dem Kaiser und seiner Gemahlin im dramatischen Jahr des Umsturzes und danach ergangen ist. (Foto/Repros: Caspar)

In seiner weißen Gardeuniform und mit blitzenden Orden auf der Brust hielt Kaiser Wilhelm II. am 10. September 1918 in Essen eine Rede vor befrackten Chefs der Kruppwerke und ganz im Hintergrund rußverschmierten, hungernden, ausgepowerten und mutlosen Arbeitern der bekannten Rüstungsschmiede. Liebedienerischen, ahnungslosen Ratgebern folgend, wollte der Monarch, der eben erst sein dreißigjähriges Thronjubiläum gefeiert hatte, die Kruppianer und damit seine Untertanen an den Fronten und in der Heimat anfeuern, letzte Kräfte für den Sieg im fünften Jahr des Ersten Weltkriegs zu mobilisieren und die allgemeine Müdigkeit und Niedergeschlagenheit zu überwinden. Der letzte öffentliche Auftritt des deutschen Kaisers und Königs von Preußen vor den wie erstarrt dreinschauenden Arbeitern geriet zum Desaster ohnegleichen. Der Kaiser floppte, weil er sich nicht an das für ihn vorbereitete Redemanuskript gehalten hatte.

Die Ansprache des zu spontanen Aktionen und Gefühlsausbrüchen neigenden Monarchen wurde in dessen Umgebung als taktlos, kläglich und unehrlich bewertet. Die Reichsregierung und ihre Zensurbehörden taten alles, den verheerenden Eindruck des verkorksten Aufrufs zu bedingungslosem Durchhalten zu mildern. Diejenigen, die dabei gewesen waren und hören mussten, wie sich ihr oberster Landes- und Kriegsherr gönnerhaft an sie heranmachte und zugleich jedem den Galgen androhte, der von Niederlage und verlorenem Krieg spricht, rieben sich verwundert die Augen, als sie anschließend eine in großer Auflage publizierte Rede lasen, die so nicht gehalten wurde.

Großer Abstand zwischen Oben und Unten

In seinem unlängst erschienenen Buch "Kaisersturz - Vom Scheitern im Herzen" (wbg Theiss Verlag Darmstadt 2018, 350 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-8062-3760-3, 19,95 Euro) beginnt der Historiker Lothar Machthan, ein ausgewiesener Kenner des Umbruchs vor einhundert Jahren im Deutschen Reich, mit der Kaiserrede in Essen und schildert die letzten Monate vor dem endgültigen Abgang Wilhelms II. und der anderen deutschen Bundesfürsten. Er stellt die halbherzigen Rettungsversuche für das Kaisertum, den Verlauf der Novemberevolution und die schweren Anfänge der am 9. November 1918 ausgerufenen Republik dar und geht auf die Rolle ein, die Reichskanzler Prinz Max von Baden, die Oberste Heeresleitung unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorf sowie diverse Minister und Höflinge, Politiker aus dem Lager der Sozialdemokratie und der Linken und nicht zuletzt Auguste Viktoria, die Gemahlin des sich auf dünnem Eis bewegenden Kaisers, bei diesem Drama spielten.

Anhand von zeitgenössischen Stimmen und Zeugnissen und der Analyse von Akten zeigt Machthan, wie groß der Abstand zwischen Oben und Unten war und was von den Krokodilstränen der Eliten angesichts der maßlosen Opfer an Blut und Gut wert sind. Der in warmen Betten schlafende und an gut bestückten Tafeln speisende Kaiser und seine Gemahlin sowie die Hofschranzen und Speichellecker in ihrem Dunstkreis lebten in einer Blase. Sie wussten nicht und wollten auch nicht wissen, was wirklich um sie herum vor sich geht, und sie hatten keine Vorstellung, wie es in den von Hunger, Verletzungen, Tod und Krankheit heimgesuchten Deutschen aussieht. Wer dergleichen gegenüber dem Kaiser zur Sprache brachte, hatte mit Ungnade und Entlassung zu rechnen. Doch es gab auch Leute am kaiserlichen Hof, im Obersten Hauptquartier zu Spa in Belgien und in der Reichsregierung, die sehr wohl wahrnahmen, dass das Kaisertum am Abgrund steht und dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen ist.

"Schmiert die Guillotine"

Wenn Wilhelm II. und die Familie Hohenzollern von Ängsten geplagt wurden, dann war es der Gedanke an das Schicksal des Zaren Nikolaus II. und seiner Familie, die im Sommer 1918 von den Bolschewiki ermordet wurden. "An die Laterne" forderten ganz Mutige, wenn gerade kein Spitzel in der Nähe war. "Schmiert die Guillotine" titelte der Berliner Zeichner Heinrich Zille eines seiner Bilder. Vorsichtig sprach man vom Tod des französischen Königs Ludwig XVI. und seiner Gemahlin Marie Antoinette 1793 unter dem Schafott und dem schmählichen Ende anderer gekrönter Häupter durch Henkershand. Deren von der Menge bejubelten Tod vor Augen, verließ Wilhelm II. am 1. Oktober 1918 seine prächtige Sommerresidenz, das unter Friedrich dem Großen erbaute Neue Palais im Park von Sanssouci, und begab sich unter den Schutz der Obersten Heeresleitung, die bis zum November in Spa ihr Großes Hauptquartier aufgeschlagen hatte.

Zwar tat dort der Kaiser so, als wäre er ein großer Stratege und würde auf das Geschehen Einfluss haben. Entsprechende Fotos und Verlautbarungen unterstrichen diesen Eindruck, in Wahrheit aber war der Oberste Kriegsherr nur noch ein hochdekorierter Statist, denn die Fäden zogen ganz andere Personen. Vom eigentlichen Kriegsgeschehen und dem Elend in den Schützengräben hielt er sich fern und wurde von seinen Höflingen fern gehalten. Die zwischendurch aufscheinende Idee, der an Depressionen leidende Kaiser sollte an der Front den Heldentod suchen, wurde schnell wieder fallen gelassen. Im Nachhinein verklärte er seine Flucht aus der Heimat so: "Als Reichskanzler Prinz Max von meinem Entschluss zur Abreise nach der Front erfuhr, versuchte er, sie auf alle Weise zu verhindern. Er fragte, warum ich reisen wollte, und erhielt zur Antwort, dass ich die Rückkehr ins Feld für meine Pflicht als Oberster Kriegsherr hielte, nachdem ich fast einen Monat von der schwerringenden Armee getrennt gewesen sei. Auf den Einwurf des Kanzlers, ich sei zu Hause unentbehrlich, entgegnete ich, wir befänden uns im Krieg, und der Kaiser gehöre zu seinen Soldaten. […] In Flandern sah ich Abordnungen der verschiedenen Divisionen, sprach mit den Leuten, verteilte Dekorationen und wurde überall von den Offizieren wie Mannschaften freudig begrüßt."

Zwischendurch drohte der Monarch, im sicheren Spa sitzend, an der Spitze seiner Truppen in Berlin einzumarschieren und alle zusammenzuschießen, die sich ihm widersetzen. Da aber auf die kaiserlichen Truppen kein Verlass mehr war, blieb es bei solchen gegenüber dem Reichskanzler ausgestoßenen Ankündigungen, die viel über die zwischen Euphorie und tiefer Niedergeschlagenheit schwankenden Gemütslage des Kaisers und seine Gewaltbereitschaft sagen. Dass der Kaiser irgendetwas getan hätte, um den unseligen Krieg zu beenden, wie es seine Untertanen immer lauter forderten, ist den selbstbeweihräuchernden Autobiographie "Ereignisse und Gestalten aus den Jahren 1878-1918" nicht zu entnehmen, die 1922 in Leipzig erschien. Dort behauptet der Ex-Kaiser, er habe seine persönliche Opferfähigkeit schon dadurch bewiesen, dass er außer Landes ging und seinem Thron entsagte, "weil mir irrtümlich und täuschend versichert worden war, dass ich dadurch meinem Volke bessere Friedensbedingungen ermöglichen und den Bürgerkrieg ersparen würde."

Undankbare Rolle für Max von Baden

Dem von Wilhelm II. angesprochenen Reichskanzler Prinz Max von Baden fiel die für einen Mann seiner hochadligen Herkunft undankbare Rolle zu, am 9. November 1918 die Abdankung Kaiser Wilhelms II. verkünden zu müssen. Er war überzeugt, dass das Reichsoberhaupt und sein Sohn Kronprinz Wilhelm nicht mehr zu halten sind, aber die Monarchie erhalten bleiben muss. Zu diesem Zweck sollte der minderjährige Kaiserenkel Louis Ferdinand bei Erlangung der Volljährigkeit die Thronfolge übernehmen, derweil Max von Baden als Reichsverweser fungiert. 1867 als Prinz Maximilian Alexander Friedrich Wilhelm von Baden geboren, sollte er die Nachfolge seines seit 1907 regierenden Onkels, Großherzogs Friedrich II., antreten, der keine Kinder hatte. Der als umsichtig und liberal denkend geschilderte Prinz übernahm repräsentative Aufgaben als badischer Thronfolger, machte aber, zum Generaloberst befördert, den Krieg nicht mit, was ihm von seinen Standesgenossen als Feigheit vor dem Feind ausgelegt wurde. Max kümmerte sich vor allem um die Betreuung von Kriegsgefangenen und sprach sich für einen Versöhnungsfrieden aus. Damit allerdings stieß er bei der Obersten Heeresleitung auf Granit. Der dort tonangebende, von der Propaganda als unbesiegbarer Kriegsheld gefeierte Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und sein Stellvertreter, Generalquartiermeister Erich Ludendorff, bauten selbst noch in aussichtsloser Lage auf einen "Siegfrieden" und forderten die Mobilisierung der Deutschen für den "totalen Krieg". Max von Baden war homosexuell und musste als Ehemann und Vater ein Doppelleben führen, weil diese Ausrichtung unter Strafe stand und ein Outing für ihn und andere Männer in dieser Situation das gesellschaftliche Aus bedeutet hätte. Die Absicht der wegen der sich zuspitzenden Lage aufs höchste erbosten Kaiserin, das von Max von Baden gehütete Geheimnis öffentlich zu machen, konnte verhindert werden. Gesundheitlich angeschlagen, fiel der Reichskanzler in den dramatischen Oktobertagen 1918 zeitweilig aus, rappelte sich unter dem Druck der von ihm übernommenen Verantwortung wieder auf und nahm das Heft des Handelns kraftvoll in die Hand.

Halbherziges Reformprogramm in letzter Minute

Angesichts der sich verschärfenden politischen und wirtschaftlichen Situation im Reich und der hoffnungslosen Lage an den Fronten trat der Prinz Max für einen maßvollen Verhandlungs- und Verständigungsfrieden ein. Nach dem Rücktritt des Reichskanzlers Georg Graf von Hertling am 30. September 1918 berief Wilhelm II. seinen Vetter Max am 3. Oktober 1918 zu dessen Nachfolger mit dem Auftrag, einen Waffenstillstand herbeizuführen. Daraufhin übermittelte der neue Reichskanzler den USA ein Angebot auf der Grundlage vom US-Präsidenten Woodrow Wilson vorgelegten 14-Punkte-Programms. Max von Baden ließ den U-Boot-Krieg einstellen, entließ Ludendorff, die rechte Hand von Hindenburg, und berief an seine Stelle den General Wilhelm Groener, der in Spa für die Abdankung des Kaisers warb.

Im Reichstag verkündete Max von Baden im Namen des dafür genötigten Kaisers ein Reformprogramm, das die Übertragung einiger Kompetenzen an die oberste Volksvertretung, die Abschaffung des anachronistischen Dreiklassenwahlrechts in Preußen und den Verzicht auf die dominierende Stellung des Militärs im Deutschen Reich enthielt. Ziel dieser Neuerungen war es, die revolutionären Spannungen im Reich zu entschärfen, politischen Extremisten und vor allem den "Bolschewisten" den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Monarchie zu retten. Das aber ging gründlich daneben, denn die Volksmassen ließen sich auf vollmundige Versprechungen nicht mehr ein.

Um seine Zielen zu erreichen, bildete Max von Baden mit Vertretern von SPD, Zentrum und Fortschrittlicher Volkspartei ein Mehrparteienkabinett. Die SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert und sein Parteikollege Philipp Scheidemann traten als Staatssekretäre in die Reichsregierung ein. Als sich Soldaten, Matrosen und Arbeiter zum Aufstand erhoben und die Kaiserherrschaft nicht mehr zu halten war, erklärte Max von Baden am 9. November 1918 in eigener Machtvollkommenheit die Abdankung Wilhelms II. als deutscher Kaiser und König von Preußen und schloss dabei auch den unbeliebten Kronprinzen Wilhelm ein. Zwar hatte Wilhelm II. immer wieder erklärt, ein Nachfolger Friedrichs des Großen werde nie und nimmer zurücktreten, doch war er schon lange nicht mehr Herr der Lage und musste akzeptieren, dass andere über seine Kaiser- und Königskrone verhandelten. Als für Wilhelm II. die Kaiserwürde nicht mehr zu retten war, zog er sich auf seinen Titel als König von Preußen zurück und bestand darauf, dass dieser ihm erhalten wird.

Max von Baden trieb die Kaiser- und Königsfrage unbeirrt voran in der Hoffnung, die Monarchie als solche nach Überwindung der Krise retten zu können und brachte eine Regentschaft ins Spiel, ohne dabei seinen eigenen Namen als Reichsverweser, also Vertreter eines an der Regierung gehinderten Monarchen, zu nennen. Durch Krankheit erschöpft und in seiner milden Natur überfordert, wie Historiker schreiben, lehnte Max von Baden die ihm von dem Sozialdemokraten Friedrich Ebert angebotene Stellung eines Reichsverwesers, also einer Art monarchisches Staatsoberhaupt, ab. Er veröffentlichte vor seinem Tod am 6. November 1929 im Schloss Salem seine Erinnerungen, in denen er auch seine von Monarchisten und Militaristen kritisierte Handlungsweise in den turbulenten Tagen der Novemberrevolution 1918 zu rechtfertigen versuchte.

Kronen purzeln eine nach der anderen

Im November 1918 purzelten die Kronen. Ein Bundesfürst nach dem anderen gab seinen Thron mit gewundenen Worten auf und entband seine Untertanen von dem ihm geschworenen Eid. Prinz Max übertrug seine Geschäfte als Reichskanzler dem Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschland, Friedrich Ebert, der am 11. Februar 1919 zum Reichspräsidenten gewählt wurde, und zog sich nach Baden ins Privatleben zurück. Wilhelm II. unterzeichnete erst am 28. November 1918 im niederländischen Exil seine Abdankungsurkunde und ließ seine ehemaligen Untertanen wissen: "Ich verzichte hierdurch für alle Zukunft auf die Rechte an der Krone Preussens und die damit verbundenen Rechte an der deutschen Kaiserkrone. Zugleich entbinde ich alle Beamten des Deutschen Reiches und Preussens sowie alle Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Marine, des Preussischen Heeres und der Truppen der Bundeskontingente des Treueeides, den sie Mir als ihrem Kaiser, König und Obersten Befehlshaber geleistet haben. Ich erwarte von ihnen, dass sie bis zur Neuordnung des Deutschen Reichs den Inhabern der tatsächlichen Gewalt in Deutschland helfen, das Deutsche Volk gegen die drohenden Gefahren der Anarchie, der Hungersnot und der Fremdherrschaft zu schützen." Die mit dem kaiserlichen Siegel versehene Urkunde lässt das Schicksal des Kronprinzen offen, der als Scharfmacher und Mann von gestern kaum Aussicht hatte, künftig irgendeine Rolle im "neuen Deutschland" zu spielen. Während der Weimarer Republik bauten die Hohenzollern den inzwischen erwachsenen Prinzen Louis Ferdinand zum Thronprätendenten auf, doch war ihm keine Entfaltungsmöglichkeit gegeben.

Kaiser Wilhelm II., der sich am 9. November 1918 auf Anraten der Obersten Heeresleitung Umgebung ins holländische Exil begeben hatte und dort bis zu seinem Tod am ein komfortables Leben führte, verzieh Max von Baden nicht, dass er über seinen, des Kaisers und Königs Kopf hinweg dessen Demission und die des Kronprinzen Wilhelm verkündet hatte. Der Ex-Kaiser sprach von Verrat und Ehrlosigkeit. Nie gab er die Hoffnung auf, eines Tages mit klingendem Spiel wieder durchs Brandenburger Tor einzuziehen und in der Reichshauptstadt wieder den Thron zu besteigen, wenn nicht er selber, dann einer aus seiner Sippe. Mehrere Preußenprinzen und andere Mitglieder des deutschen Hochadels biederten sich bei den Nazis an und wurden von diesen als Aushängeschild benutzt. Wirklichen politischen Einfluss erlangten Vertreter der 1918 abgehalfterten Fürstenclique nie mehr.

Das eingangs erwähnte Buch von Lothar Machthan fügt sich gut in eine Fülle von Darstellungen über die Endzeit der deutschen Monarchie und den Ersten Weltkrieg ein, an dessen Beginn niemand geahnt hätte, dass Wilhelm II. sein eigener Totengräber wird und die Monarchie in Deutschland und in anderen Staaten im Orkus der Geschichte verschwindet. Gut wäre es gewesen, wenn der Autor seine Leser noch mit einem Ausblick auf die Zeit nach 1918 erfreut hätte. So muss man in anderen Büchern nachschlagen, wie es dem Exkaiser und seinen engsten Vertrauten ergangen ist, was aus den anderen Bundesfürsten wurde und wie die Spitzen des Reiches ihren eigenen Untergang bewerteten. Für einen solchen Epilog hätte es in dem Buch Platz gegeben, denn Machthan befasst sich meines Erachtens über Gebühr mit der Reichskanzlei in Berlin und dem Reichstagsgebäude als Gebäude und Institutionen. Die für die Beschreibungen und einige historische Fotos verwendeten Seiten wären mit Darlegungen über die Folgen des 9. November 1918 besser genutzt worden. Aber vielleicht folgt ein weiteres Buch, in dem sich Machthan mit diesen Themen auseinander setzt.

10. Juli 2018

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