Symbol des Strebens nach Einheit und Gerechtigkeit
In der Frankfurter Paulskirche stritt 1848 und 1849 die Deutsche Nationalversammlung um die Grundrechte der Deutschen / Heute ist sie ein weithin bekannter Gedenkort





Die Paulskirche erscheint auf einer Medaille von 1848 mit dem Bildnis des Reichsverwesers Johann von Österreich sowie auf einer deutschen Gedenkmünze von 1973.



Der Einzug der Abgeordneten in die Frankfurter Paulskirche und ihre Debatten waren 1848 und danach in der Publizistik ein großes Thema.





Die Grafik aus dem "Kladderadatsch" schildert, wie General Friedrich Graf von Wrangel dem Berliner Bären "Pillen" aus Blei eintrichtert, um ihn und das aufsässige Volk wieder gefügig zu machen.(Foto/Repros: Caspar)

Kaum ein Bauwerk ist so verflochten mit der neueren deutschen Geschichte, mit dem Streben nach Mitbestimmung und Demokratie wie die Paulskirche in Frankfurt am Main. Sie war in den Revolutionsjahren 1848/49 Tagungsort der Deutschen Nationalversammlung, hier wurden große Reden für die deutsche Einheit und die Verwirklichung der Menschenrechte gehalten, und auch heute ist das in eine Tagungsstätte umgewandelte Gotteshaus Ort repräsentativer Veranstaltungen wie Reden bedeutender Politiker sowie die Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels und von Ehrenbürgerschaften. Zahlreiche Gedenktafeln und Denkmäler an und neben der Paulskirche erinnern an Ereignisse und Gestalten auf dem steinigen Weg zur Erlangung demokratischer Verhältnisse in Deutschland.

Die Paulskirche wurde seit 1789 nach Abbruch der baufälligen Barfüßerkirche nach Plänen von Andreas Liebhardt als evangelisch-lutherische Hauptkirche der Freien Reichsstadt Frankfurt am Main in regionaltypischem Rotsandstein erbaut und 1833, nach mehreren Unterbrechungen, von dem Stadtbaumeister Johann Friedrich Christian Hess in klassizistischem Stil vollendet. Dem runden Kuppelbau ist ein hoher Turm angefügt, links und rechts vom Eingang hat die Stadt Frankfurt 1898 anlässlich des 50. Jahrestags der Eröffnung der Deutschen Nationalversammlung Gedenktafeln anbringen lassen, die die geschichtliche Rolle des ersten frei gewählten deutschen Parlaments für die Herstellung der deutschen Einheit und demokratischer Verhältnisse würdigen. In der Mainmetropole konnte 1848 und 1849n die Volksvertretung vor politischen und militärischen Eingriffen jener Feudalmächte sicher sein, denen die Versammlung gegen den Strich ging und die sich von ihm nicht das kleinste Stückchen Macht nehmen lassen wollten.

Die Freiheit der Person ist unverletzlich

Da es in Frankfurt keinen anderen geeigneten Tagungsort gab, zog die Nationalversammlung am 18. Mai 1848, drei Monate nach der Märzrevolution, in die Paulskirche ein. Gleich zu beginn bestimmt der § 7: "Vor dem Gesetze gilt kein Unterschied der Stände. Der Adel als Stand ist aufgehoben. Alle Standesvorrechte sind abgeschafft. Die Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Alle Titel, insoweit sie nicht mit einem Amte verbunden sind, sind aufgehoben und dürfen nie wieder eingeführt werden. Kein Staatsangehöriger darf von einem auswärtigen Staate einen Orden annehmen. Die öffentlichen Ämter sind für alle Befähigten gleich zugänglich. Die Wehrpflicht ist für alle gleich; Stellvertretung bei derselben findet nicht statt." Im § 8 legt das von Erzherzog Johann von Österreich sowie fünf Reichsministern unterzeichnete Gesetzeswerk fest: "Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Die Verhaftung einer Person soll, außer im Falle der Ergreifung auf frischer That, nur geschehen in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls. Dieser Befehl muß im Augenblicke der Verhaftung oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden dem Verhafteten zugestellt werden. Die Polizeibehörde muß Jeden, den sie in Verwahrung genommen hat, im Laufe des folgenden Tages entweder freilassen oder der richterlichen Behörde übergeben. Jeder Angeschuldigte soll gegen Stellung einer vom Gericht zu bestimmenden Caution oder Bürgschaft der Haft entlassen werden, sofern nicht dringende Anzeigen eines schweren peinlichen Verbrechens gegen denselben vorliegen. Im Falle einer widerrechtlich verfügten oder verlängerten Gefangenschaft ist der Schuldige und nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zur Genugthuung und Entschädigung verpflichtet. Die für das Heer- und Seewesen erforderlichen Modificationen dieser Bestimmungen werden besonderen Gesetzen vorbehalten."

Bereits im Dezember desselben Jahres wurden nach kontroverser Diskussion die "Grundrechte des Deutschen Volkes" verabschiedet, die in die Reichsverfassung vom 28. März 1849 einflossen. Bereits 1851 wurden die Grundrechte des deutschen Volkes wieder außer Kraft gesetzt. Nach der Novemberrevolution von 1918 und der Abschaffung der Monarchie flossen Teile in die Weimarer Verfassung ein und finden sich auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wieder.

Reif von Dreck und Letten

So fortschrittlich und zukunftsorientiert die so genannte Paulskirchen-Verfassung gemessen an den damaligen Verhältnissen war, so wenig ließ sie sich verwirklichen. Die Kräfte der Reaktion waren zu stark, um ihr im Deutschen Bund, dem lockeren Zusammenschluss von großen und kleinen Fürstentümern und Freien Städten, Geltung zu verschaffen. Unter den gegebenen Umständen hatte die hauptsächlich aus Professoren, Juristen, höheren Beamten und ganz wenigen Handwerkern bestehende Nationalversammlung nicht lange Bestand. Nach einjähriger Arbeit tagte sie zum letzten Mal am 30. Mai 1849 in der Paulskirche und löste sich später ganz auf. Der Versuch des Parlaments, dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die Würde eines deutschen Kaisers anzutragen, wurde von diesem brüsk abgelehnt. Er sah in der Krone einen "Reif von Dreck und Letten" und meinte, nur die deutschen Fürsten könnten ihn, wenn überhaupt, auf den Schild heben und zum Oberhaupt des Reiches machen. Anders als es die Nationalversammlung wollte, geschah dieser Staatsakt am 18. Januar 1871 im Schloss von Versailles, als Preußens König Wilhelm I. von den dort versammelten Fürsten zum Deutschen Kaiser ausgerufen wurde.

Die Paulskirche stand nach dem Ende der Nationalversammlung drei Jahre leer und nahm 1851 wieder den Gottesdienst auf. Im April 1944 durch Fliegerbomben schwer getroffen und bis auf die Umfassungsmauern ausgebrannt, wurde sie unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als Frankfurt am Main noch in Trümmern lag, aufgebaut und bereits am 18. Mai 1948 zur Hundertjahrfeier der Deutschen Nationalversammlung eröffnet - außen originalgetreu rekonstruiert, innen mit neuer Struktur und künstlerischer Ausstattung. In eine Gedenk- und Tagungsstätte umgewidmet, wurde die Paulskirche zu einem wichtigen Veranstaltungsort. Gedenktafeln an der Außenfassade erinnern an prominente Personen, die hier gesprochen haben und geehrt wurden.

Ehrendes Gedenken innen und außen

Wenn man im Uhrzeigersinn um die Paulskirche geht, dann sieht man Bronzetafeln zum Gedenken an den ersten Präsidenten der Nationalversammlung Heinrich von Gagern und Carl Schurz, den Streiter für Freiheit und Menschenwürde, wie es auf der Tafel heißt. Eine 1964 aufgestellte und von Hans Wimmer geschaffene Steinfigur eines sich gegen Gewalt und Tod aufbäumenden Mannes ist den Opfern des nationalsozialistischen Terrorregimes gewidmet. In den Sockel sind Namen von 53 Konzentrations- und Vernichtungslagern eingemeißelt. Es schließt sich eine von der Stadt Graz gestiftete Büste des österreichischen Erzherzogs Johann an (Bildhauer: Fred Pirker, 1982), der als Reichsverweser in den Revolutionsjahren eine große Rolle spielte. Weitere Gedenktafeln sind der 1944 von den Nazis ermordeten Frankfurterin Johanna Kirchner und den anderen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt gewidmet, die der Barbarei des Nationalsozialismus Widerstands entgegensetzten, wie die Inschrift lautet. Sodann kann man eine Tafel zur Erinnerung an eine große Rede betrachten, die der amerikanische Präsident John F. Kennedy 1963 in der Paulskirche gehalten hat. Die Tafel zitiert Kennedys Versicherung: "Niemand soll von dieser unserer atlantischen Generation sagen, wir hätten Ideale und Visionen der Vergangenheit, Zielstreben und Entschlossenheit unseren Gegnern überlassen".

Dieser Inschrift mit dem Porträt des noch im gleichen Jahr in Dallas ermordeten Präsidenten folgen Tafeln ebenfalls mit Bildnissen zur Erinnerung an den ersten deutschen Bundespräsidenten und Frankfurter Ehrenbürger Theodor Heuss sowie den preußischen Reformpolitiker Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein an. Damit nicht genug erinnern weitere Tafeln und Denkmäler an den hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn, der zu den Vätern des Grundgesetzes gehörte, sowie an den Pfarrer Philipp Jacob Spener, der im 17. Jahrhundert Pfarrer an der Barfüßerkirche, dem Vorgängerbau der Paulskirche, gepredigt und sich als Kirchen- und Sozialreformer einen Namen gemacht hat. Eine Jünglingsstatue von Richard Scheibe, die 1926 zur Erinnerung an den ein Jahr zuvor verstorbenen ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert aufgerichtet und 1933 von den Nazis entfernt wurde, kehrte 1950 an ihren alten Platz rechts neben dem Eingangsportal zurück. Ein paar Schritte weiter erhebt sich das als Obelisk gestaltete Einheitsdenkmal, das 1903 nach Plänen des Architekten Friedrich Maximilian Hessemer errichtet und mit allegorischen Bronzefiguren des Bildhauers Hugo Kaufmann errichtet wurde. Letztere wurden 1940 für Kriegszwecke eingeschmolzen.

Zug der Volksvertreter

Grützkes kolossales Gemälde "Der Zug der Volksvertreter" zeigt in drastischen Szenen, wie das Verhältnis der Parlamentarier zum Volk beschaffen war. Während das in bunten Figuren aufgefasste Volk im Vordergrund das Geschehen betrachtet, schreiten seine in langweiliges Grau und Schwarz gekleideten Deputierten hinter ihm auf ein unsichtbares Ziel zu. Das Deutsche Reich ist als antikisierende Frauenstatue dargestellt, die mit der linken Hand ihren schwangeren Leib stützt. Nur vereinzelt gibt es Bezüge zu konkreten historischen Ereignissen und Gestalten etwa mit der Darstellung des 1849 standrechtlich in der Nähe von Wien erschossenen Politikers, Publizisten und Dichter Robert Blum. Der Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung zog sich als Streiter für die Umwandlung des deutschen Nationalstaats in eine Republik den Hass aller Monarchisten und Reaktionäre zu. Er nahm am Oktoberaufstand 1848 an der Verteidigung Wiens gegen die kaiserlich-österreichischen Truppen teil und wurde nach der Niederschlagung des Aufstands nach einem Standgerichtsurteil hingerichtet.

17. April 2018

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