Erinnerung an August den Starken
Kursächsische Postsäulen aus dem frühen 18. Jahrhundert wurden nach 1815 in Preußen gestürzt oder umfunktioniert



Wie die kursächsischen Postmeilensäulen aussahen, zeigt ein Stich von 1753.



Originale Teile der Postmeilensäule zu Bad Belzig befinden sich in der Burg Eisenhardt. Eine Kopie steht vor dem Burgbräuhaus.



August der Starke, ließ in seinem Reich große und kleine Postmeilensäulen aufstellen. Als Jäger verleidet hält der Kurfürst von Sachsen und König von Polen vor dem Schloss Moritzburg Wache.



Bunt bemalt ist das sächsisch-polnische Wappen auf der Postmeilensäle in Moritzburg bei Dresden.



Über 200 Jahre alt ist die Meilensäule gegenüber dem Schloss Charlottenburg. Sie verkündet, dass es noch "I MEILE BIS BERLIN" ist.



Vor den Spittelkolonnaden an der Leipziger Straße in Berlin steht eine Postmeilensäule, beides sind Kopien aus den 1980-er Jahren. (Fotos/Repro: Caspar)

In verschiedenen Städten im mittleren und südlichen Brandenburg stehen historische Postmeilensäulen, die mit dem sächsisch-polnischen Doppelwappen und dem Monogramm AR (Augustus Rex) des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August des Starken geschmückt sind. Betrachter werden sich über diesen heraldischen Bezug auf frühere Besitzverhältnisse wundern und erfahren beispielsweise in Bad Belzig, dass diese Stadt bis 1815 zu Sachsen gehörte. Der Obelisk von 1725 stand nicht immer am heutigen Ort vor der Burg Eisenhardt, sondern hat mehrfach aus verkehrstechnischen Gründen seinen Platz wechseln müssen. Durch Belzig verlief bereits vor Jahrhunderten eine wichtige Handelsstraße zwischen Magdeburg und Jüterbog sowie eine Heerstraße zwischen Wittenberg, Brandenburg und Potsdam. Der Sandsteinobelisk zeigt in diese Richtungen. Auf ihm sind Entfernungen nicht in Meilen angegeben, sondern in Stunden, die man mit der Postkutsche zur Erreichung der Zielorte benötigte. Das zu wissen ist wichtig, weil viele Leute beim Betrachten der Sandsteinsäule ins Grübeln kommen und die Angaben nicht deuten können. Dazu ist es gut zu wissen, dass in Kursachsen 1722 die sächsische Meile eingeführt wurde. Sie hatte eine Länge 9,062 Kilometern und wurde mit zwei Wegstunden berechnet.

Im Ergebnis der Befreiungskriege und des Wiener Kongresses (1815) musste das bis zur Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813 mit Frankreich verbündete Königreich Sachsen große Teile seines Territoriums an Preußen abtreten. Erinnerungen an die alten sächsischen Zeiten waren bei den Hohenzollern nicht erwünscht, und so wurden auch die alten Postsäulen aus der Zeit Augusts des Starken entfernt. Man begründete die Maßnahme damit, dass sie mit ihren als altertümlich und irreführend empfundenen Zeit- und Entfernungsangaben und dem auf das ehemalige Herrscherhaus weisenden Wappenschmuck nicht mehr in die "neue preußische Zeit" passen. Offenbar wurde der Befehl zum Säulensturz nicht überall befolgt, sonst gäbe es nicht auch heute noch diese mehr oder weniger authentisch erhaltenen Obelisken in Belzig, Dahme, Döbern, Elsterwerda, Lübbenau, Mühlberg, Niemegk, Uebigau und anderen Städten.

Kosten mussten die Untertanen tragen

Kursachsen wurde bereits im ausgehenden 16. Jahrhundert vermessen, im 17. Jahrhundert hat man hölzerne Wegsäulen errichtet, die aber wenig haltbar waren. August der Starke beauftragte 1713 den Grenzkommissar und Kartographen Adam Friedrich Zürner, das Land neu aufzunehmen und verlässliches Kartenmaterial anzufertigen, das man zur Ankurbelung von Handel und Wirtschaft, aber auch aus militärischen Gründen benötigte. Zürner legte mit seinem "geometrischen Wagen" über 18 000 sächsische Meilen zurück, umgerechnet rund 163 116 Kilometer. Seine 1717 erschiene "Chur-Sächsische Post-Charte" enthält recht verlässliche Angaben über Kursachsen und ist auch heute eine wichtige Geschichtsquelle. Vier Jahre später befahl der Landesherr die Errichtung der prächtig dekorierten steinernen Postsäulen, die je nach der auf ihnen vermerkten Distanzen in unterschiedlichen Größen angefertigt wurden. Da die Städte und Gemeinden, also die Untertanen, die Kosten für ihre Errichtung tragen mussten, hat es erhebliche Widerstände gegen die Postmeilen- oder Distanzsäulen gegeben.

Viele dieser interessanten Denkmale der Kultur- und Verkehrsgeschichte wurden, da sie schon stark abgewittert oder nur unvollständig erhalten waren, in den vergangenen Jahrzehnten restauriert oder gänzlich durch Kopien ausgetauscht. Hierbei haben sich Interessengemeinschaften des Kulturbundes der DDR große Verdienste erworben. Schon 1964 wurde die Kulturbundgruppe Kursächsische Postmeilensäulen in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, gegründet. Engagierte Heimatfreunde sowie Post- und Verkehrshistoriker haben beschädigte, gelegentlich in Häusern etwa als Türschwellen und in Mauern eingebaute Steinmonumente gerettet. Manche wurden nach alten Vorlagen ergänzt und wieder aufgestellt. Die originale Distanzsäule auf dem Mark von Uebigau beispielsweise ist nicht das Original, das vor vielen Jahren bei Erdarbeiten am Fundament eines Hauses am Marktplatz gefunden wurde, sondern eine Kopie. Der historische Säulenkopf kann im örtlichen Heimatmuseum besichtigt werden. Teile der Belziger Postmeilensäulen sind in der Burg Eisenhardt an der Wittenberger Straße ausgestellt. Der wehrhafte Bau befand sich Mitte des 19. Jahrhunderts in einem erbärmlichen Zustand. Dem an Geschichte, Kunst und Architektur interessierten preußischen König Friedrich Wilhelm IV. ist es zu verdanken, dass die Burg restauriert wurde. Ihre frühere Zugehörigkeit zu Sachsen wird durch das kurfürstliche Wappen über dem Eingangstor unterstrichen.

Auch auf brandenburgischem Territorium blieben preußische Distanzsäulen oder Meilensteine in unterschiedlichen Größen erhalten, die aber bescheidener gestaltet sind. Ein besonders schöner Obelisk steht an der Leipziger Straße in Berlin-Mitte, allerdings nicht als Original, sondern als Nachbildung, die zur 750-Jahrfeier Berlins im Jahre 1987 aufgestellt wurde. Rundsäulen mit einer Kugel obenauf und Entfernungsangaben in Meilen stehen unter anderem gegenüber dem Berliner Schloss Charlottenburg und an der Königstraße zwischen Wannsee Glienicke im Bezirk Zehlendorf.

Distanzen bis nach Aachen und Koblenz

Nach aktuellen Zählungen sind heute noch rund 900 Meilensteine auf dem Gebiet des ehemaligen Staates Preußen bekannt, davon rund 500 ganze Meilensteine, 100 Halbmeilensteine und 200 Viertelmeilensteine. Errichtet seit dem frühen 18. Jahrhundert nach sächsischem Vorbild, bestehen sie meist aus Sandstein, seltener aus Granit, Gusseisen oder aus gebranntem Ton. Verziert sind die Obelisken, Würfel, Rundsäulen mit dem preußischen Adler und/oder einem Posthorn. Außerdem kann man auf manchen Exemplaren die Monogramme preußischer Könige lesen, unter deren Regentschaft die Steine aufgestellt wurden. Die unterschiedlich großen Markierungen wurden im Abstand von je einer Meile (7,532 km) beziehungsweise nach Einführung des metrischen Systems alle fünf und zehn Kilometer entlang der ehemaligen Reichsstraße 1 und an anderen Chausseen aufgestellt. Kleinere Exemplare nennen auch kürzere Distanzen. Noch heute gibt es Säulen und Obelisken mit Entfernungsangaben bis nach Berlin sowie in die ehemaligen Westprovinzen der preußischen Monarchie, wobei Köln, Minden, Koblenz oder Aachen genannt werden. Um die Reisenden nicht zu verwirren, hat man nach der deutschen Reichseinigung von 1871 die Entfernungsangaben auf den Säulen den neuen Verhältnissen angepasst. Statt der Meilen las man nun Angaben in Kilometern. Manchmal wurde die Seite mit den "preußischen" Meilen nur um 180 Grad gedreht, oft aber wurden die eingemeißelten Angaben herausgeschlagen und neue Daten eingefügt. Es ist auch vorgekommen, dass man Meilensteine in simple Grenzmarkierungen unfunktionierte oder als Baumaterial verkaufte.

Von ihrer Gründung im Jahr 1705 bis zur Bildung von Groß-Berlin im Jahr 1920 war Charlottenburg eine selbstständige und sehr selbstbewusste Stadt. Da der königliche und - ab 1871 - kaiserliche Hof mal hier und mal dort residierte, wurde auf gute Verkehrsverbindungen großer Wert gelegt. Damit man auch weiß, wie weit es von Charlottenburg nach Berlin ist, wurde unter König Friedrich Wilhelm III. gegenüber dem Schloss eine Steinsäule mit einer vergoldeten Kugel obenauf aufgestellt. Die Inschrift verkündet "I Meile bis Berlin" und meint damit die Entfernung von Schloss zu Schloss.

Aus der Geschichtsliteratur ist bekannt, dass nach der Einführung metrischer Maße die vielen in Preußen aufgestellten Meilensteine wegen der inzwischen veralteten Entfernungsangaben entweder beseitigt oder ungearbeitet wurden. Kaiser Wilhelm I., der schon als Kind viel im Charlottenburger Schloss gelebt hatte und im Mausoleum wenige hundert Meter neben seinen Eltern, Friedrich Wilhelm III. und Luise, sowie seiner Gemahlin Augusta bestattet ist, hörte, dass die Meilensäule ohne sein Wissen abgebaut und anderswo aufgestellt wurde, um Platz für eine Friedenseiche zu schaffen. Unverzüglich befahl er wegen seiner mit dem Stein verbundenen Erinnerungen die Wiederaufstellung am historischen Ort. Als 1905 zur Zweihundertjahrfeier von Charlottenburg vor dem Schloss ein von Joseph Uphues geschaffenes Reiterddenkmal des 99-Tage-Kaisers Friedrich III., eines Sohns von Wilhelm I., errichtet wurde, hat man die wie ein königliches Zepter gestaltete Meilensäule auf die andere Seite des Fahrdamms geschafft, wo sie neben dem ehemaligen Marstall, besser bekannt als Stülerbau, steht.

20. Januar 2018



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