"Einheit von alter Kraft und neuer Größe"
Am Tag von Potsdam vor 85 Jahren inszenierten sich die Nationalsozialisten als Garanten preußischer Werte





Hitler verneigt sich am 21. März 1933 vor seinem Steigbügelhalter, dem in voller Uniform eines kaiserlichen Generalfeldmarschalls erschienenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Er übergibt offiziell die Regierungsgewalt an Hitler. Im Vordergrund wohnen in der Potsdamer Garnisonkirche braun gekleidete Abgeordnete der NSDAP der Zeremonie bei.



Die NS-Propaganda und Tourismuswerbung nutzte die Potsdamer Garnisonkirche weidliche für ihre Zwecke aus.





Das Fünfmarkstück von 1934 und die Medaille erinnern mit der Darstellung der Garnisonkirche und dem Datum 21. März 1933 an den "Tag von Potsdam".



Von der im Mai und Juni 1968 auf Ulbrichts Befehl abgerissenen Garnisonkirche ist bis auf wenige seinerzeit gerettete und heute für den Wiederaufbau genutzte Steine nichts übrig geblieben. Die Fotos wurden damals heimlich von Gerhard Caspar angefertigt.





Die wiederhergestellte Spitze des Turms der Garnisonkirche sowie nachgebildete Ziersteine auf der Baustelle lassen die Monumentalität des barocken Gotteshauses ahnen. Im Bild unten erhebt sich der "Lange Stall", in dem Soldaten Exerzierübungen der Potsdamer Garnison verrichten mussten.(Fotos/Repros: Caspar)

Am 21. März 1933 inszenierte Joseph Goebbels den auch im Rundfunk landesweit übertragenen Tag von Potsdam, an dem Reichspräsident Paul von Hindenburg in einer feierlichen Zeremonie in der Potsdamer Garnisonkirche an Reichskanzler Adolf Hitler die Regierungsmacht übergab. Die vom Propagandaminister gleichgeschaltete und kommandierte Presse beschwor vor 85 Jahren mit markigen Worten und martialischen Bildern von Ansprachen und Paraden Bildern die Einheit von alter Kraft und neuer Größe. Zu dem Staatsakt waren Hohenzollernprinzen und hochrangige Militärs als Vertreter des altpreußischen Systems erschienen. Deren Beteiligung an dem Spektakel kam der Naziführung gelegen, denn sie konnte auf diese Weise demonstrieren, dass ihr Regime auf preußischen Traditionen wie Gottvertrauen, Treue zu Volk und Staat, aber auch Verlässlichkeit, Ordnung und Pünktlichkeit aufbaut und sich damit fundamental von der Weimarer Republik unterscheidet, die von den Nazis und der extremen Rechten als chaotisch und marxistisch verseucht verteufelt wurde. In seinem Tagebuch notierte Goebbels am 20. März 1933, die Regierung beschließe harte Strafen für Provokateure in Uniform, womit Einheiten der KPD, SPD und Gewerkschaften gemeint waren. "Wir dürfen am Ende nicht vor der Todesstrafe zurückschrecken, da sonst die Gefahr besteht, dass die Revolution, die unentwegt weitergehen muss, den Händen des Führers entrissen wird." Hitler erklärte später in internem Kreis, er habe 1933 die Potsdamer Garnisonkirche eigentlich nur als Kulisse gebraucht. Während die Abgeordneten zum Gottesdienst in die Potsdamer Kirchen waren, seien er und Goebbels zu den Gräbern der "alten Kämpfer" gegangen, zu den Blutzeugen der NS-Bewegung.

Symbol nationaler Erhebung

An der Bahre des großen unsterblichen Friedrich beginne das neue Werk des Wiederaufbaues, versprach Hitler bei dem Staatsakt und meinte die unbarmherzige Verfolgung jedweder Opposition und die Errichtung seines Führerstaates. "Die Regierung der nationalen Erhebung ist entschlossen, ihre von dem deutschen Volke übernommene Aufgabe zu erfüllen. Sie tritt daher heute hin vor den Deutschen Reichstag mit dem heißen Wunsch, in ihm eine Stütze zu finden für die Durchführung ihrer Mission. Mögen Sie als gewählte Vertreter des Volkes den Sinn der Zeit erkennen, um mitzuhelfen am großen Werk der nationalen Wiedererhebung", sagte Hitler und verbeugte sich vor Hindenburg. "Dieses Ihr wundersames Leben ist für uns alle ein Symbol der unzerstörbaren Lebenskraft der deutschen Nation. So dankt Ihnen heute des deutschen Volkes Jugend, und wir alle mit, die wir ihre Zustimmung zum Werk der deutschen Erhebung als Segnung empfinden. Möge sich diese Kraft auch mitteilen der nunmehr eröffneten neuen Vertretung unseres Volkes. Möge uns dann aber auch die Vorsehung verleihen jenen Mut und jene Beharrlichkeit, die wir in diesem für jeden Deutschen geheiligten Raume um uns spüren, als für unseres Volkes Freiheit und Größe ringende Menschen zu Füßen der Bahre seines größten Königs." Goebbels fand in seinem Tagebucheintrag vom 22. März 1933 pathetische Worte: "Ein geschichtlicher Augenblick. Das Schild der deutschen Ehre ist wieder reingewaschen. Die Standarten mit unseren Adlern steigen hoch."

Im nationalistischen und völkischen Rausch

Während der "Tag von Potsdam" zelebriert wurde, füllten sich die Folterhöhlen der SS und der Polizei sowie die ersten Konzentrationslager, wo Antifaschisten, Gewerkschafter und andere Oppositionelle gequält und ermordet wurden. nationalistischen und völkischen Rausch. Am 1. April 1933 fand im ganzen Reich der Boykott jüdischer Geschäfte statt, mit dem die Ausgrenzung und Verfolgung aller Bürger eingeleitet wurde, die nicht ins rassistische und völkische Konzept der neuen Herren passten, . Was viele Menschen für unmöglich hielten, dass nämlich die von Hitler geführten braunen Horden eine Regierung bilden können und über oder lang "abwirtschaften" werden, trat nicht ein. Die Nazidiktatur etablierte sich in atemberaubender Geschwindigkeit und hatte die Masse der ihn einen nationalistischen und völkischen Rausch verfallenen Deutschen hinter sich, bis sich das Kriegsglück wendete und das Land und halb Europa in einem Meer von Blut, Tränen und Trümmern versunken waren.

Grundlage für die Terrormaßnahmen bildete das so genannte Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933, das Adolf Hitler zwei Tage nach dem "Tag von Potsdam" unumschränkte Vollmachten erteilte. Während kommunistische Reichstagsabgeordnete von den Nazis daran gehindert wurden, ihr Mandat in dem unter terroristischen Bedingungen am 5. März 1933 neu gewählten Reichstag auszuüben, stimmten am 24. März 1933 einzig die Sozialdemokraten gegen das Ermächtigungsgesetz, das angeblich "zur Behebung der Not von Volk und Reich" bestimmt war, in Wirklichkeit aber die demokratischen Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft setzte und den Weg in den "Führerstaat" freimachte. Gewalt und Terror, Rassenhetze und Ausgrenzung waren von jetzt ab ungehindert Tür und Tor geöffnet. In seiner letzten Rede im Deutschen Reichstag sprach sich Otto Wels, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, mit flammenden Worten am 23. März 1933 gegen die Entmachtung des Parlaments aus. Noch niemals, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, sei die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht, und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll. Nach den Verfolgungen, welche die Sozialdemokratische Partei erfahren habe, werde niemand von ihr erwarten und verlangen können, dem Gesetz zuzustimmen. "Freiheit und Leben kann man uns nehmen - Die Ehre nicht", betonte Wels, der kurz nach seiner berühmten Rede nach Paris emigrieren konnte und 1939 starb.

Die barocke Garnisonkirche an der Breiten Straße in Potsdam verlieh dem Staatsakt vom 21. März 1933 eine besondere Weihe und Wirkung. Sie war für die neue Regierung so wichtig, dass sie silberne Zwei- und Fünf-Mark-Stücke mit der Ansicht des unter der Regierung des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. von 1731 bis 1735 nach Plänen von Philipp Gerlach erbauten Gotteshauses und der Randschrift "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" aus dem Programm der NSDAP von 1920 prägen ließ. Außerdem erklang im Reichsrundfunk regelmäßig deren Glockenspiel mit der von Wolfgang Amadeus Mozart komponierten Melodie zum Choral "Üb immer Treu und Redlichkeit" als Pausenzeichen.

Pläne für Wiederaufbau nehmen Gestalt an

Die mit Fahnen aus vergangenen Kriegen geschmückte, in der Zeit Kaiser Wilhelms II. renovierte Garnisonkirche mit ihrem die Stadt dominierenden Turm avancierte nach 1933 zu einer nationalsozialistischen Weihestätte. Im Zweiten Weltkrieg wurden die in der Gruft aufgestellten Särge der preußischen Könige Friedrich Wilhelm I. und seines Sohns Friedrich II., des Großen, auch Sicherheitsgründen entfernt. Nach langer Abwesenheit kehrten sie 1991 nach Potsdam zurück. Während der Sarg des Soldatenkönigs wurde im Mausoleum der Friedenskirche im Park von Sanssouci aufgestellt wurde, hat man den Sarg Friedrichs des Großen feierlich in die von diesem noch zu Lebzeiten gebaute Gruft in Sichtweite von Schloss Sanssouci gesenkt, so wie es der Wunsch des Verstorbenen immer gewesen war.

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste das nach dem Bombenangriff vom 14. April 1945 auf Potsdam nur noch in seinen Umfassungsmauern erhalten gebliebene Gotteshaus mit einem kleinen Predigtraum im Turm für den Missbrauch durch Nazis, Monarchisten und Militaristen büßen. 1968 wurde die Ruine auf Befehl des damaligen SED-Chefs und DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht gesprengt und dem Erdboden gleichgemacht. In den kommenden Jahren soll die Garnisonkirche oder wenigstens ihr monumentaler Turm wieder aufgebaut werden. Das bei jenem Angriff zerstörte und danach abgerissene Stadtschloss ein paar hundert Meter weiter entfernt erlebte bereits seine Wiedergeburt als Sitz des brandenburgischen Landtages.

20. März 2018

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